Zum Ende des Jahres 2019 beschäftigte Diehl Defence am Standort Überlingen 860 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Seitdem befindet sich das Unternehmen in einem steilen Wachstumskurs, der durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine an Fahrt aufnahm. Ende 2024 waren bei Diehl Defence am Standort Überlingen etwa 1500 Mitarbeiter tätig, hinzu kommen Auszubildende, Praktikanten und Studenten. Unternehmenssprecher David Voskuhl teilte auf Anfrage mit, dass derzeit etwa 200 Stellen offen sind. „Wir erwarten bis Jahresende eine Belegschaft von über 1700.“ Mit anderen Worten: Die Zahl der Beschäftigten am Standort Überlingen verdoppelte sich innerhalb von sechs Jahren.
Abwehrschirm gegen russische Angriffe
Der Unternehmenserfolg von Diehl Defence beruht auf Entwicklung und Bau von Luft-Luft-Abwehrraketen sowie der Weiterentwicklung im bodengestützten System Iris-T SLM. Das System bekämpft Drohnen, Flugzeuge, Hubschrauber oder Marschflugkörper in einer Entfernung von bis zu 40 Kilometern und einer Höhe von bis zu 20 Kilometern und schützt ganz akut die Ukraine vor russischen Angriffen.
Überlingen partizipiert am Unternehmenserfolg durch steigende Gewerbesteuereinnahmen. Details hierzu sind öffentlich nicht bekannt. Erkennbar ist aber der Druck, der auf den Entscheidungsträgern in Bauverwaltung und Gemeinderat lastet, nämlich Gewerbeflächen zur Verfügung zu stellen. 2023 kaufte Diehl ein 800 Quadratmeter großes städtisches Grundstück entlang der Nußdorfer Straße im Bereich der alten Straßenmeisterei. Es liegt nur 100 Meter Luftlinie vom Bodensee entfernt. Auf ihm könnten demnächst die Bagger anrücken, geht der vorhabenbezogene Bebauungsplan, der den Namen „Alte Straßenmeisterei“ trägt, nun nämlich so langsam in den Satzungsbeschluss über.
Vorgabe der Stadt lag bei 23 Metern
Nicht die alte Straßenmeisterei wird neu gebaut, sondern die neue Firmenzentrale des Konzerns. In der Präambel des Kaufvertrags steht, dass „dem Vorhabenträger (Diehl Defence) eine maximale Gebäudehöhe von 23 Metern vorgegeben“ sei. Veröffentlicht wurde dieses Detail in einer Vorlage für eine Ausschusssitzung des Gemeinderats im November 2023. Verbunden war diese Äußerung mit dem Hinweis darauf, dass die Gebäudehöhe im Bebauungsplanverfahren abgestimmt werde.
Gebäudehöhe wächst und wächst
Das Bebauungsplanverfahren steht kurz vor dem Satzungsbeschluss, also seiner Wirksamkeit. So wie die Auftragsbücher bei Diehl angesichts der Weltlage immer voller werden, wächst in den Planzeichnungen die Gebäudehöhe. Inklusive der Aufbauten auf der Flachdachterrasse tritt das Gebäude künftig mit 35,8 Metern Höhe in Erscheinung. Laut dem aktuellen Vorhaben ist es 51 Meter breit und 46 Meter tief.
Intern trägt das Gebäude den Namen „Diehl-Tower“. Der Bauausschuss des Gemeinderats diskutierte über die Gebäudehöhe Mitte Dezember 2024, als die Gemeinderäte den Aufstellungsbeschluss für den vorhabenbezogenen Bebauungsplan auf den Weg brachten. Das Gebäude werde ohnehin ein markanter „Solitär“ werden, erklärte Baubürgermeister Thomas Kölschbach damals. Er halte die Dimensionen auch deshalb für verträglich, weil Diehl viel in eine Fassadenbegrünung investiere. Gegenüber der künftigen Bebauung auf dem Kramer-Areal werde das Gebäude später kaum besonders auffallen, sagte Gemeinderat Ulrich Krezdorn (CDU). Die geringe Fläche lasse nur die Entwicklung nach oben zu, pflichtete ihm sein FDP-Kollege Ingo Wörner bei.
Satzungsbeschluss könnte im Mai erfolgen
Die Offenlage im Bebauungsplanverfahren ist abgeschlossen. „Die eingegangenen Stellungnahmen werden derzeit durch das beauftragte Planungsbüro geprüft“, teilte die Stadtverwaltung auf Anfrage mit. Ein Satzungsbeschluss sei gegebenenfalls im Mai im Gemeinderat vorgesehen. Um den verantwortlichen Gemeinderäten und der Öffentlichkeit ein Bild davon zu vermitteln, wie das Gebäude wirken könnte, legte das ausführende Büro Planstatt Senner im November 2023 eine Visualisierung vor. Damals betrug die angenommene Höhe 31 Meter (inklusive Dachaufbauten 34 Meter), die aktuelle Zeichnung sieht brutto 35,8 Meter vor.

Gibt es angesichts der aktuellen Pläne neue Visualisierungen oder andere Möglichkeiten, sich die späteren Dimensionen vor Augen zu führen, wie etwa ein Stangengerüst? Dazu teilte die Stadtverwaltung auf SÜDKURIER-Anfrage mit: „Uns liegt keine aktuelle Visualisierung vor. Es gibt lediglich den Vorhaben- und Erschließungsplan mit Ansichten.“ Und bezüglich eines Stangengerüsts oder einem vergleichbaren Verfahren „ist uns nichts bekannt“, so die Pressestelle des Rathauses. Auch der Diehl-Konzern teilte auf Anfrage mit, dass er „derzeit leider keine aktuelleren Visualisierungen anbieten kann“, so Unternehmenssprecher David Voskuhl.

Diehl baut nicht nur seine neue Firmenzentrale an der Nußdorfer Straße, sondern stockt aktuell bestehende Gebäude auf dem Diehl-Gelände an der Alten Nußdorfer Straße auf. Pressesprecher Voskuhl in einer E-Mail an unsere Redaktion: „Das dient der optimalen Nutzung der vorhandenen Fläche auf dem bestehenden Betriebsgelände, stößt jedoch irgendwann an seine Grenzen. Deshalb wurde die Erweiterung zum Beispiel durch das geplante Verwaltungsgebäude erforderlich.“