Nach ihrem Höhenflug vor fünf Jahren, als die Grünen bei der Europawahl in Überlingen stärkste Kraft geworden sind, hat die CDU nun wieder das deutlich bessere Ergebnis erzielt. Nach Auszählung aller 24 Wahlbezirke um 20.34 Uhr liegt die CDU auf Platz eins mit 30,62 Prozent, vor den Grünen mit 18,05 Prozent, der AfD mit 11,21, der SPD mit 10,38 und der FDP mit 10,10 Prozent. Sonstige Parteien kommen auf 19,63 Prozent, allen voran das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) mit 5,06 Prozent. Die stärksten Zugewinne erzielte die AfD, die größten Verlust müssen die Grünen hinnehmen.
Die Wahlbeteiligung liegt bei 68,2 Prozent, annähernd gleich wie 2019 mit 68,9 Prozent, gegenüber 2014, als die Wahlbeteiligung nur bei 58 Prozent gelegen hatte.
Vergleich mit den Wahlen von 2019
Wie schon bei den Wahlen vor fünf Jahren kommt die SPD auch diesmal nur noch knapp auf einen zweistelligen Wert. 2019 lag das Wahlergebnis ebenfalls nur bei 11 Prozent, bei den Europawahlen 2014 noch doppelt so hoch, nämlich bei 20 Prozent. Einen ähnlichen Zickzack-Kurs gibt es bei den Grünen, die vor fünf Jahren auf 30 Prozent kamen, bei den Wahlen 2014 auf 19, wo sie auch jetzt wieder fast gelandet sind. Zum Vergleich: Die CDU erzielte 2014 noch 35 Prozent und rutschte 2019 auf 30 Prozent ab, während die FDP konstant bei 6 Prozent 2014 und fünf Jahre später bei 8 Prozent landete. Die AfD erreichte bei den beiden vergangenen Wahlen jeweils 7 Prozent.

Besonderheiten in den Teilorten
Aus Bonndorf kam an diesem Wahlsonntag die erste Meldung bereits um 18.39 Uhr. Die CDU liegt in dem Überlinger Teilort mit 38,6 Prozent vorne, vor der AfD mit 18,3 Prozent, den Grünen mit 12,5 der SPD mit 6,6 Prozent und der FDP mit 4,6 Prozent. Ein Phänomen zeichnet sich hier schon ab, dass die sonstigen Parteien erheblich stärker punkten als in früheren Wahlen: in Summe etwa 20 Prozent, fast ein Fünftel aller Stimmen. Damit war der Vorreiter Bonndorf ein Hinweis darauf, was auch gesamtstädtisch zu verzeichnen ist, dass die Volksparteien an Rückhalt verlieren, Protest sich aber nicht unbedingt in einem Kreuzchen bei der AfD ausdrückt. Das Bündnis Sahra Wagenknecht kam in Bonndorf aus dem Stand auf 5 Prozent.
In Nesselwangen kommt die AfD auf ein Ergebnis von 20 Prozent und wird damit zweitstärkste Kraft hinter der CDU mit 37 Prozent. Die Grünen kommen in diesem Teilort auf 9 Prozent, die SPD auf nur 3 Prozent, zwei Prozentpunkte hinter der BSW. Auffallend im Teilort Hödingen ist das Abschneiden der CDU, die hier fast 41 Prozent erzielt.
Traditionell schneidet die FDP im Teilorte Nußdorf am stärksten ab. Auch diesmal kommen die Liberalen hier auf 12,2 Prozent. Überdurchschnittlich gut mit 19,7 Prozent schneidet die AfD auch in Lippertsreute ab, dem Ort von AfD-Gemeinderatskandidat Hans-Dieter Roth und seinem Hof Neuhaus (“Apfelzügle“), wo zuletzt AfD-Veranstaltungen stattgefunden haben und Alice Weidel mit Parteifreunden eine Weihnachtsfeier abhielt. Auffallend hoch ist das Abschneiden der sonstigen Parteien in Bambergen mit 27,29 Prozent. Wenn man die FDP unter „Sonstige“ auflistet, wie dies im Votemanager, der von der Stadt Überlingen genutzten Software getan wird, kommt man bei den sonstigen Parteien in Bambergen sogar auf 33,4 Prozent. Dabei schnitt das BSW mit 7,3 Prozent ebenfalls überdurchschnittlich gut ab.
Das sagt die lokale Polit-Prominenz
Oberbürgermeister Jan Zeitler, SPD, kommentierte das Ergebnis mit diesen Worten: „Für mich persönlich ist es ein enttäuschendes Ergebnis zur Europawahl, das sicher auch durch innenpolitische Themenstellungen geprägt ist. Besonders bedauernswert empfinde ich, dass diejenigen bei dieser Wahl besonders profitieren konnten, die das wertvolle Konstrukt Europa als Grundlage für unsere gemeinsame europäische Lebens- und Wertegemeinschaft infrage stellen. Das zeigt einmal mehr, dass es auf europäischer Ebene leider nicht gelingt, den Wert eines gemeinsamen Europas deutlich genug hervorzuheben.“
CDU-Bundestagsabgeordneter Volker Mayer-Lay, bewertet das Ergebnis so: „Das Ergebnis aus Überlingen und Umgebung spiegelt einen bundesweiten Trend wider: Die Parteien der Ampelfraktion im Bund wurden bei den Europawahlen abgestraft. Wir als Union freuen uns über einen deutlichen Aufwärtstrend. Erfreulich ist, dass die AfD europapolitisch am Bodensee weiterhin keine überbedeutende Rolle spielt. Das Ergebnis ist ein starkes Zeichen für einen eher konservativen Kurs auf europäischer Ebene, ohne dass die Menschen in extreme Richtungen abrutschen.“
Grünen-Landtagsabgeordneter Martin Hahn kommentierte: „Mit großer Demut nehme ich dieses harte Ergebnis für uns Grüne an. Ich schließe mich dem an, was Kretschmann vor Jahren schon sagte: Wer Politik macht für zehn Prozent der Bevölkerung, muss auch zufrieden sein mit zehn Prozent des Wahlergebnisses. Wobei unser Anspruch immer war, Politik für die Mehrheit der Bevölkerung zu machen. Ich bin froh, dass wir diese harte Ansage bekommen haben, auch wenn sie weh tut heute Abend, weil es zeigt, dass wir deutlich näher ran müssen an das, was die Wirklichkeit ist in unserem Land und dass wir nicht zu viel in der grünen Blase unterwegs sein dürfen.“
FDP-Landtagsabgeordneter Klaus Hoher: „Das Wahlergebnis unserer Liberalen in Überlingen sowie im gesamten Bodenseekreis zur Europawahl zeigt, welchen Rückhalt wir in der Region vor allem durch eine solide und engagierte Politik vor Ort erarbeitet haben. Als hiesiger Landtagsabgeordneter und Gemeinderat freue ich mich persönlich besonders über so viel liberale Unterstützung im Bodenseekreis, die mich außerdem zuversichtlich für die heutige Auszählung zur Kommunalwahl stimmt. Für einen Sitz im Europäischen Parlament für unsere Europakandidatin Sarah Zickler mit Bundeslistenplatz zehn hat es trotz eines sehr guten Wahlkampfs leider nicht gereicht.“
Wir haben Mandatsträger aus Überlingen, oder Mandatsträger, die Überlingen vertreten, um eine Stellungnahme gebeten. Alice Weidel, die in Überlingen gemeldet ist und den Bodenseekreis für die AfD vertritt, gab auf Anfrage keine Rückmeldung. Das Zitat in diesem Bericht ist deshalb einem Interview der ARD mit Weidel entnommen: „Wir haben 50 Prozent Zugewinn, es ist hoch erfolgreich gelaufen, weil die Leute insgesamt europakritischer geworden sind. Es stinkt den Leuten, dass sie so viel Bürokratie aus Brüssel haben.“