Mit prähistorischer Recherchearbeit und spektakulären Inszenierungen bereiten die Akteure des diesjährigen Narrenkonzerts ihr Publikum schon mal auf das heraufziehende Stadtjubiläum im Jahr 2020 vor. Und darauf, dass Überlingen aufgrund des großen Narrentags auf das muntere Bühnenspektakel der Narrenzunft verzichten müsse.

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Derweil philosophieren Fred Feuerstein (Stefan Seige) und Barney Geröllheimer (Andreas Längle) darüber, ob es gelingen könnte, aus ihren Höhlen in Häuser aus Stein zu ziehen. Dabei ahnen sie schon mal die Steinhausgasse, den Steinhauskeller und das Sandbergle im späteren Iburinga voraus.

Feldzüge nach Konstanz, aber nicht nach Sipplingen

Als Kleinstadtneurotiker in heiligen römischen Säulenhallen iburingischer Nation denkt einige Jahrhunderte später der Präfekt (Tankred Kauf) über Eroberungsfeldzüge nach und träumt vom Dasein als Konsul in Iburinga. Mit der Galeere über den See will er nach Konstanz, nach Norden gen Pfullendorf, nur in Richtung Westen scheut er die Sipplinger. „Sic fiat“, spricht er gelassen aus: „So geschehe es.“ Doch leider sitzen die Legionen im Galgenholz.

Enthüllungen über Hänselevater Harry am Teufelstisch

Viele hatten es schon geahnt, das Narrenkonzert brachte endlich Gewissheit und enthüllte Hänselevater Harry (Jens Fräntzki) selbst als bis dato mutmaßlichen Schänder der außerfastnachtlichen Häsenthaltsamkeit auf dem Teufelstisch. Ausgerechnet von einem Sipplinger DLRG-Chef (Stefan Mayer) muss sich der oberste Überlinger Hänsele schließlich Rettung erhoffen.

Die Narrenräte rudern gekonnt am Teufelstisch vorbei. Es steht ja nur die Rettung von Hänselevater Harry auf dem Spiel.
Die Narrenräte rudern gekonnt am Teufelstisch vorbei. Es steht ja nur die Rettung von Hänselevater Harry auf dem Spiel. | Bild: Hilser, Stefan

Denn in grandioser Manier rudern die Narrenräte auf dem Weg zur Mainau gleich mehrmals unverrichteter Dinge vorbei, während aus den Tiefen des Sees der Beelzebub (Tankred Kauf) selbst mit Dreizack auftaucht. Auch hier bewies Tankred Kauf einmal mehr sein schauspielerisches Talent, deklamierte und sang sich aus voller Brust in die Herzen des Publikums.

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Münsterpfarrer Bernd Walter und das "Chrischtkindle"

Schon den Auftakt mit ihrer Begrüßung hatten die Narreneltern Thomas Pross und Wolfgang Lechler von der Baresel-Plattform aus deklamierend mit kleinen Einlagen erfrischend aufgewertet. Natürlich bekam Münsterpfarrer Bernd Walter bei seinem ersten Narrenkonzert die Leviten gelesen. „Der Junge sollte mal an die Luft“ habe der sich wohl gedacht und das „Chrischtkindle vom Hochaltar“ zu Melkübungen in den Stall geschickt.

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Auch das eine oder andere Häppchen Kommunalpolitik war darunter. Zum Beispiel ein Ausflug auf den „Mount Mommsen“ mit der Aussicht auf die Vorgärten Seeuferbewohner. „Weil Wohnklotz sich an Wohnklotz reiht, das Stadtbild bald zum Himmel schreit“, klagte der Narrenvater und erhielt tosenden Beifall.

Narrenmutter Wolfgang Lechler dankt dem stellvertretenden Vorsitzenden der Narrenzunft, Narrenvater Thomas Pross, für dessen Einsatz als ...
Narrenmutter Wolfgang Lechler dankt dem stellvertretenden Vorsitzenden der Narrenzunft, Narrenvater Thomas Pross, für dessen Einsatz als Krankheitsvertreter. | Bild: Hilser, Stefan

Schließlich schloss er seinen Part, in dem er das erste Liebesschloss am Geländer der Plattform fixierte. Durchweg imponiert die kurzweilige Show mit grandiosen Bühnenbildern, die jede Menge ebenso kreative wie amüsante Details enthalten. Wie bei der Bandenwerbung für „Sommer – keine Heizung“ – in den Farben eines ähnlich klingenden Betriebs – oder für „Fränsele Zahnpolizei“.

Der technische Aufwand ist bemerkenswert

Die Säulenhalle des römischen Präfekts, die Steinzeithöhlen der Flintstones oder die über die Bühne schippernde Galeere der Zunft – Perspektiven und technischer Aufwand sind gleichermaßen bemerkenswert. Ganz speziell auch die rappenden Musiken Marke Eigenbau, die nicht nur Tankred Kauf zu wahren Höhenflügen führt. Auch beim klassischen Finale der Band ist das Publikum begeistert.

Als Moderatoren erfanden sich Wolfgang Butzi Biller und Andreas Pross von Auftritt zu Auftritt neu und überraschten als Bändiger von Löwen und Narrenräten, die als Tabubrecher außer Haus künftig nicht mehr über die Stränge schlagen sollten.

Ihre Ansage zwischen den Stücken war Programm für sich: Wolfgang Biller, der auf einem Überlinger Löwen reitet, sowie Andreas Pross, den ...
Ihre Ansage zwischen den Stücken war Programm für sich: Wolfgang Biller, der auf einem Überlinger Löwen reitet, sowie Andreas Pross, den ein Narrenrat auf den Schultern trägt. | Bild: Hilser, Stefan

Sie kündigten auch schon mal die exakte Länge des Auftritts von Isabelle (Ulrich Krezdorn) in ihrem lila Klassiker an. Dass die Dame mit den Memoiren auf der Schreibmaschine („Sonst werden sie gehackt und früh veröffentlicht") möglicherweise ihren Rückzug in den Ruhestand angedeutet haben könnte, konterkarierte Ulrich Krezdorn beim Finale und begleitete Band und Narrenratskollegen auf der Violine.

Als „Eisfreigeber“ brillierten Achim Friesenhagen und Christoph Herr, die Reinhard Weigelt auf der Eisbahn heimsuchten und sich nicht nur auf dünnes Eis begaben, als sie mit der Motorsäge die Dicke und Sicherheit kontrollierten oder mit dem Flammenwerfer den Brandschutz prüften.

Ließen sich von Weigelt aufs Glatteis führen: die Eisbahnkontrolleure Christoph Herr (links) und Achim Friesenhagen in einem großartigen ...
Ließen sich von Weigelt aufs Glatteis führen: die Eisbahnkontrolleure Christoph Herr (links) und Achim Friesenhagen in einem großartigen Slapstick. | Bild: Hilser, Stefan

In der Rolle des RAW gab Marco Hummel als Anwärter seine erste Visitenkarte ab, die ihn für weitere Aufgaben durchaus empfahl. Dass die beiden Kontrolleure ihre waghalsigen Pirouetten auf den Rollerblades unverletzt überstehen, wünscht ihnen sicher auch der Herr der Eisbahn. Beim Ballett zeigen die Akteure beeindruckende Hüftschwünge und mit dem finalen Fasnetshit „Des mach i scho immer so“ binden die Band und alle Akteure das Publikum mit ein.

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