Seine Stunden sind gezählt, obwohl Oberbürgermeister Jan Zeitler am heutigen Schmotzigen Dunschdig sicher sein konnte, dass es keinen Rathausssturm der Narren geben wird. Dennoch setzen ihn die Narreneltern ab, wie sich das alle Jahre am ersten Tag der Straßenfastnacht gehört.

Oberbürgermeister Jan Zeitler im Festsaal des Städtischen Museums von Überlingen.
Oberbürgermeister Jan Zeitler im Festsaal des Städtischen Museums von Überlingen. | Bild: Hilser, Stefan

„Wir gehen schon davon aus, dass er ziemlich überrascht sein wird“, sagt Narrenmutter Wolfgang Lechler, „wenn er heute morgen Besucht vom Narrenpolizisten Peter Graubach bekommt“. Der wird ihm die Absetzungsurkunde zustellen, alleine und damit coronakonform. Wann genau, behalten die Narreneltern für sich, damit nicht doch die Neugier einzelne Überlinger in Richtung Rathaus treibt.

Was ihn erwartet, darauf kann sich der OB hier schon mal einstellen: Der SÜDKURIER veröffentlicht die Urkunde bereits pünktlich zum Frühstückskaffe.

Die Urkunde in der noch nicht unterschriebenen und gesiegelten Form.
Die Urkunde in der noch nicht unterschriebenen und gesiegelten Form. | Bild: Narrenzunft Überlingen

Kein Rathaussturm, keine Straßenfastnacht – und dennoch die Absetzung? „Es geht darum, man kann ja nicht, nur weil Pandemie ist, jede Tradition sausen lassen.“ So Narrenvater Thomas Pross. „Die Obrigkeit gehört abgesetzt, wie das hier so üblich ist, seit Jahrhunderten.“ Deshalb werde der „Herr Oberbürgermeister auch dieses Jahr nicht ungeschoren davon kommen“.

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Narrenmutter Wolfgang Lechler bei der Unterzeichnung der Urkunde. Die Narreneltern haben sich gegenseitig fotografiert – mit ...
Narrenmutter Wolfgang Lechler bei der Unterzeichnung der Urkunde. Die Narreneltern haben sich gegenseitig fotografiert – mit Handschuhen und Teleobjektiv. | Bild: Narrenzunft Überlingen

Die Narrenzunft habe mit dieser Schriftform einen coronakonformen Weg gefunden, sagt Pross. „Und ich denke, so eine schöne Urkunde hat er noch nie gehabt.“ Zur Zustellung schicken die beiden Narreneltern Narrenpolizist Peter Graubach alleine auf den Weg.

Ihm obliegt heute die Zustellung der Urkunde: Narrenpolizist Peter Graubach. Hier am Fastnachtssonntag vergangenen Jahres beim großen ...
Ihm obliegt heute die Zustellung der Urkunde: Narrenpolizist Peter Graubach. Hier am Fastnachtssonntag vergangenen Jahres beim großen Umzug durch die Stadt. | Bild: Stefan Hilser

„Wir sind selber nicht dabei, das machen wir jetzt nicht“, erläutert der Narrenvater, anders als es ursprünglich angedacht war. „Wir treten ja grundsätzlich nicht auf in der Fastnacht, um keine Begehrlichkeiten irgendwelcher Art zu wecken“, erläutert Pross das, „wenn wir jetzt da auftreten würden, hieße es doch in der Stadt: die machen‘s und wir dürfen nicht.“

Narrenvater Thomas Pross in der Zunftstube der Narrenzunft. Die närrische Amtshandlung war der einzige Anlass in dieser Fastnacht, ins ...
Narrenvater Thomas Pross in der Zunftstube der Narrenzunft. Die närrische Amtshandlung war der einzige Anlass in dieser Fastnacht, ins Häs zu gehen – bei dem Gedanken kam Wehmut auf, wie er beschreibt. „Fasnet macht uns ja glücklich.“ | Bild: Narrenzunft Überlingen

Ob die Narrenzunft damit rechnet, dass der OB ihrer Anordnung Folge leistet und brav das Rathaus verlässt? „Das wird er nicht tun“, sagt Pross lachend, „ich weiß, dass wohl heute oder morgen noch Besuch vom Regierungspräsidenten bekommt – und vielleicht trifft er sich ja auch mit der Frau Weidel.“

Drohende „Nachbehandlung“ mit Tönung in Hänselefarben

Welche Strafe dem OB droht, wenn er die Anordnung nicht befolgt, steht in der Urkunde nachzulesen. „Wir kündigen ihm ja an, er werde dann umgetönt, eine Nachbehandlung in den Hänselefarben Rot, Grün, Gelb und Blau.“

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Was bleibt, ist ein Stück Wehmut. „Ja, das war‘s dann mit der Fastnacht 2021 – freuen wir uns auf die nächste Fastnacht mit 1000 Kindern auf der Hofstatt – hoffentlich.“ So Pross, der nachdenklich anmerkt. „Natürlich schmerzt das richtig, wenn man sich vorstellt, wie belebt Stadt sonst ist am Schmotzigen – das ist schon sehr, sehr merkwürdig, wie damals 1991, diesmal auf anderen Gründen.“ Und dann ein Seufzer: „ Uns Narren macht ja die Fasnet glücklich.“