Der Regen macht den Veranstaltern der Überlinger Friedenstage einen Strich durch die Rechnung. Aber nur bei dem einzigen Freiluft-Programmpunkt: der Mahnwache auf dem Platz vor dem Schwerttänzerbrunnen. Vor einer Darsteller zweier hochgereckter Arme, die ein Gewehr zerbrechen, haben sich nur wenige Menschen eingefunden. Allerdings ist das für die meisten nur eine Etappe. Die Betrachter kommen vom Hofgut Rengoldshausen, wo den Nachmittag über Workshops stattgefunden haben. Nun wollen sie in die Franziskanerkirche, wo gleich Aeham Ahmad auftritt.
Jürgen Dornis ist sehr zufrieden mit der Zahl der Teilnehmer. Dornis ist Mitglied des Vorstands des Vereins Friedensregion Bodensee, Veranstalter der Überlinger Friedenstage. Allein die Auftaktveranstaltung, ein Vortrag der Friedensforscherin Hanne-Margret Birckenbach am Vorabend, haben ihm zufolge 70 Menschen besucht. Der Vortrag der im vergangenen Jahr mit dem Göttinger Friedenspreis ausgezeichneten Wissenschaftlerin habe ihn sehr beeindruckt, so Dornis. „Sie hat die Prinzipien des friedenslogischen Denkens und Handelns vorgestellt“, fasst er zusammen.
„Friedenslogik heißt auch Konflikttransformation, dazu braucht es Kreativität“, fügt Dornis an und nennt ein von Birckenbach angefügtes Beispiel: In einer Großstadt kam es immer wieder zu Konflikten mit Jugendlichen. Die Polizei stand der Eskalation beinahe machtlos gegenüber. Statt aufzurüsten, wählten die Polizisten einen anderen Weg. Sie organisierten ein Stadtteilfest, kamen mit den Jugendlichen ins Gespräch und lernten, dass ihre Fußballmannschaft stets verlor. Die Beamten kümmerten sich um Sponsoren, konnten mit dem Geld einen Trainer bezahlen und die Jugendlichen gewannen ihre ersten Spiele. Seitdem werden die Polizisten als Freunde und Helfer wahrgenommen.
Viele Zugänge zu Frieden
Das Beispiel zeigt, wie breit die Organisatoren das Thema Frieden angegangen sind. In den insgesamt fünf Workshops ging es um Konflikte in der Familie, die Bedeutung sozialer Aspekte für ein friedliches Miteinander sowie zivilen Widerstand ohne Waffen oder den Umgang mit internationalen Großkonflikten.

„Wir wollen einen Beitrag leisten zur Friedensbildung und das Fachwissen der Friedensforschung vermitteln sowie das Methodenreservoir“, sagt Fachbeirätin Brigitte Ehrich. Ihnen gehe es darum, gewaltfreie Friedenspolitik umfassend auf allen Ebenen, also Familie, Schule, Kommunen und Politik, zu verankern. „Konflikte sind normal, es geht darum, konstruktiv mit ihnen umzugehen“, fügt Brigitte Ehrich an.
Friedensforschung steht Naivität gegenüber
Auf die Frage, was sie Kritikern entgegne, die ihr Vorgehen angesichts der aktuellen Konflikt- und Krisenlage auf der Welt und dem mangelnden Einfluss Einzelner als naiv bezeichnen, wird Brigitte Ehrich energisch: „Es ist extrem naiv, mit Waffengewalt politische Konflikte lösen zu wollen!“ Die Beispiele Afghanistan, Irak und Pakistan zeigten, dass militärisch kein Frieden geschaffen werde, so Ehrich. Dazu sei das militärische Vorgehen und Versagen nie wissenschaftlich aufgearbeitet worden. Dem stünde eine fundierte wissenschaftliche Friedensforschung entgegen.
Und was sind die Alternativen zu Krieg und Gewalt? Nur eine konsistente Friedenspolitik, die vor allem präventiv arbeite und sich Methoden der Deeskalation bediene, verspreche Erfolg, ergänzt Brigitte Ehrich. Dazu brauche es Dialogprozesse auf vielen Ebenen, auch mit Vertretern der Wirtschaft, der Gewerkschaften oder der Kultur hinter den Kulissen, an deren Ende schließlich Verhandlungen stehen können.
Als Geflüchteter ans Klavier
Den Abschluss der Überlinger Friedenstage gestaltete der Musiker Aeham Ahmed. Laut Veranstalter besuchten rund 300 Menschen das Konzert in der Franziskanerkirche. Dort spielte der Musiker Klavier, Eva Maria Walle Cello und Carlos Goeschel las aus Ahmads Buch „Ankommen…!“. Darin erzählt er von seinem Leben als Flüchtling in Deutschland. Ahmed wuchs als Kind palästinensischer Flüchtlinge in Syrien auf und floh 2015 nach Deutschland. Bei der Matinee, dem letzten Programmpunkt der Friedenstage am Sonntag, stand der Künstler den Besuchern auch für Fragen zur Verfügung. Beide Auftritte beschreibt Brigitte Ehrich als sehr bewegend. „Zum Schluss haben wir alle zusammen die Europahymne, ‚Freude, schöner Götterfunken‘, gesungen.“