20 Kilometer nördlich vom Bodensee lagert Erdgas in beträchtlicher Menge. Der Konzern Storengy Deutschland betreibt in Fronhofen im Landkreis Ravensburg einen Porenspeicher, der aktuell mit 0,05 Terrawattstunden Gas befüllt ist, das entspricht 500.000 Kilowattstunden. Nach Unternehmensangaben beträgt der aktuelle Füllstand in Fronhofen 47 Prozent. Laut Wirtschaftsministerium sollte er bis zum 1. September zu 66 Prozent gefüllt sein.

Die Erdgasspeicher Deutschlands waren, Stand 9. August, durchschnittlich bereits mit 72,6 Prozent gefüllt. Dem Geschäftsführer des Stadtwerks am See, Alexander-Florian Bürkle, geben die Füllstände ein halbwegs gutes Gefühl, dass wir über den Winter kommen, ohne dass er seinen Kunden den Gashahn zudrehen muss. Sollte es dennoch nötig werden, wären fünf bis zehn Großkunden des Stadtwerks als erstes dran.

Energiesparen gilt für alle – und zwar sofort

„Aktuell müssen wir uns keine Sorgen machen“, sagte Bürkle, der Chef des aus den Stadtwerken Überlingen und Friedrichshafen fusionierten Unternehmens. Die durch die Invasion Russlands ausgelöste Gaskrise könne bewältigt werden, wenn alle anfangen, Energie zu sparen, und zwar sofort. Bürkle unterscheidet nicht zwischen Gas und Holz oder Erdöl als Energieträger. Selbst die Besitzer einer Fotovoltaikanlage, so Bürkle, sollten überschüssigen Strom nicht gedankenlos verschleudern. Alles, was jetzt gespart wird, helfe, über den Winter zu kommen.

„Aktuell ist die Notwendigkeit im Bewusstsein der Bevölkerung noch nicht so angekommen.“Alexander-Florian Bürkle
„Aktuell ist die Notwendigkeit im Bewusstsein der Bevölkerung noch nicht so angekommen.“Alexander-Florian Bürkle | Bild: Jonas Ganslmeier

Aktuell liegt der Gasverbrauch bei minus 15 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. Dieser Wert aus dem Gasnetz des Stadtwerks am See entspreche dem Durchschnitt in ganz Deutschland. Ob es sich um Privat- oder Firmenkunden handelt, könne er derzeit noch nicht ermitteln, so Bürkle. Sein Gefühl sagt ihm aber: „Aktuell ist die Notwendigkeit im Bewusstsein der Bevölkerung noch nicht so angekommen.“

Bürkle und mit ihm der Kommunikationschef des Stadtwerks, Sebastian Dix, nutzen derzeit jede Gelegenheit, das Thema breit zu kommunizieren. Dix: „Man muss den Kunden sagen, legt euch Geld auf die Seite. Höhere Abschlagszahlungen sind kein Drangsalieren, sondern eine Vorschau auf das, was kommen wird.“ Wenn am Jahresende der Strom- und Gasverbrauch abgerechnet wird, könnten für einen Vier-Personen-Haushalt Nachzahlungen von 2000 bis 3000 Euro nötig werden. „Das wird Dimensionen annehmen, die wir nie zuvor erlebt haben.“

Geheim gehaltene Liste mit ersten betroffenen Firmen

Dem Stadtwerk kommt die undankbare Aufgabe zu, mit Großkunden zu sprechen, die von einer Gasmangellage als erste betroffen wären. „Diese Liste gibt es“, sagte Bürkle. Man werde sie aber nicht veröffentlichen, um keine in seinen Augen unnötige Diskussion in Gang zu setzen.

Die Betroffenen wissen Bescheid. „Sie haben wenig Verständnis dafür, weil ihnen indirekt die Geschäftsgrundlage entzogen wird.“ Die Folgen wolle und könne er nicht bewerten, sagte Bürkle. Das Stadtwerk müsse ohne Ausnahme so verfahren.

„Wir gehen aktuell nicht davon aus, dass es zu Abschaltungen kommen wird.“Alexander-Florian Bürkle
„Wir gehen aktuell nicht davon aus, dass es zu Abschaltungen kommen wird.“Alexander-Florian Bürkle | Bild: Jonas Ganslmeier

Fünf bis zehn der größten Gaskunden sind die Ersten

Die betroffenen Großkunden sind sogenannte RLM-Kunden, und hier die größten davon. Laut Bürkle sind dies „fünf bis zehn Kunden“ im Versorgungsgebiet des Stadtwerks. RLM steht für Registrierende Leistungs-Messung. Das sind Gaszähler, bei denen der aktuelle Verbrauch permanent abgelesen werden kann, im Gegensatz zu den Zählern bei Privathaushalten.

RLM-Kunde wird man ab einem Jahresverbrauch von mehr als 100.000 Kilowattstunden Strom oder 1,5 Millionen Kilowattstunden Gas – also dem dreifachen dessen, was momentan in Fronhofen einlagert. Mit den fünf bis zehn größten RLM-Kunden führt das Stadtwerk seit geraumer Zeit Gespräche über Einsparmöglichkeiten. Sollten diese Potenziale ausgeschöpft sein, kämen weitere RLM-Kunden an die Reihe.

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Das Beste hoffen, aber auf das Schlimmste vorbereitet sein

Bürkle ist gewappnet, zugleich gibt er sich optimistisch: „Wir gehen aktuell nicht davon aus, dass es zu Abschaltungen kommen wird.“ Dennoch bereite man sich in Krisenübungen darauf vor. Einzelne Kundengruppen seien geclustert worden nach schützenswerten und nicht schützenswerten Kunden.

Bürkle: „Bevor es bei Ihnen zu Hause kein Gas mehr gibt, haben alle Gewerbekunden, die nicht schützenswert sind, und alle nicht schützenswerten Industriekunden kein Gas mehr.“ Schützenswert seien beispielsweise auch Industriebetriebe, die in ihren Prozessen Abwärme produzieren, mit denen ein Fernwärmenetz befüllt wird, an dem letztlich also die Heizkörper der Privathaushalte hängen.

Das Stadtwerk hat die kuriose Aufgabe, bei ihren Kunden dafür zu werben, dass sie weniger von dem konsumieren mögen, was das Stadtwerk verkauft. Das ist als ein Appell gedacht. Sollten die Deutschen zum Energiesparen verpflichtet werden, wäre die nächste Frage, wie sich die Einhaltung kontrollieren ließe. Mit technischen Mitteln nämlich so gut wie gar nicht.

Pressesprecher Dix: Eine gesellschaftliche Aufgabe

Rationierungen für Haushalte seien technisch kaum möglich, teilt der Verband kommunaler Unternehmen mit, bei dem das SW-See Mitglied ist. Techniker-Trupps müssten dann zum Beispiel jeden Abend ausrücken, um die Ventile über Nacht zu schließen. Praktikabler sei ein freiwilliger Verzicht.

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Doch bringt es wirklich etwas, wenn Kleinverbraucher anfangen, Energie zu sparen? Dazu Sebastian Dix: „Die großen Player drehen die deutlich größeren Räder. Wir alle gemeinsam drehen insgesamt aber ein größeres Rad als die großen Player.“