Eine weitere kontroverse Diskussion über die Bebauung der sensiblen Nußdorfer Uferregion: Das war zu erwarten. Es geht um den Umgang mit dem dritten Bebauungsplanentwurf zur Steuerung der baulichen Entwicklung im Gebiet südlich der Straße „Zum Hecht“. Doch die massive Bauchlandung, die Baubürgermeister Thomas Kölschbach jetzt im Gemeinderat erleben musste, kam einigermaßen überraschend.
Im Ausschuss für Bauen, Technik und Verkehr hatte Kölschbach trotz mehrerer skeptischer Stimmen am Ende mit sechs zu zwei Stimmen ein positives Votum für seine Empfehlung erhalten, den dritten Entwurf ganz zurückzuziehen. Stattdessen solle man sich auf die wesentlich unschärferen allgemeinen Bestimmungen des Baugesetzbuches beziehen, um sich nicht erneut juristischen Unwägbarkeiten auszusetzen. CDU-Stadtrat Alexander Bruns hatte diese „große Mehrheit des Ausschusses“, wie er sagte, als Signal für den Gemeinderat interpretiert. Diese Einschätzung teilte allerdings nicht einmal seine ganze Fraktion und am Ende ging Kölschbachs Empfehlung mit im Rat mit vier zu 13 Stimmen und zwei Enthaltungen baden.
OB Zeitler widerspricht dem Baubürgermeister
In ganz ungewohnter Form hatte sich Oberbürgermeister Jan Zeitler gleich zu Beginn der Diskussion hier klar positioniert: “Ich bin gar nicht glücklich über diesen Vorschlag“, erklärte der OB. Es könne aus seiner Sicht doch nicht zielführend sein, dass die Kommune auf ihre Planungshoheit mit einer wichtigen Präzisierung der Zielvorgaben ausgerechnet an dieser Stelle verzichte. „Ich werde gegen diese Empfehlung stimmen“, sagte Zeitler in die Richtung seines Baubürgermeisters.
Schon im Ausschuss hatte auch Stadtkämmerer Stefan Krause als Fachbereichsleiter für Finanzen und Liegenschaften große Bedenken gegen die Strategie angemeldet. Bereits im März hatte sich die Leiterin der Abteilung Grundstücksmanagement, Martina Vollstädt, mit einer besorgten Mail an die Stadtplanung gewandt und auf Stellungnahmen aus dem Jahr 2017 verwiesen. „Aus beitragsrechtlicher und finanzieller Sicht der Stadt Überlingen“ sei die Aufhebung des Aufstellungsbeschlusses nach wie vor aus mehreren Gründen „sehr problematisch“. Dabei ging es insbesondere um die erstmalige endgültige Herstellung der Straße und die rechtssichere Beteiligung der Anlieger an den Bau- bzw. Erschließungskosten, wie dies an anderer Stelle bei neuen Überplanungen völlig selbstverständlich ist. Ihrer Bitte, das Thema noch nicht zu beraten, war Baubürgermeister Thomas Kölschbach allerdings nicht gefolgt.
Auch er halte einen Bebauungsplan für „das bessere Mittel“, um die gewünschte Steuerungsfunktion wahrzunehmen, erklärte Stadtrat Günter Hornstein (CDU), der zugleich dem Ortschaftsrat in Nußdorf angehört. Auch wenn die Vertreter des Teilorts zwei Tage zuvor die Argumentation von Baubürgermeister Kölschbach respektiert und akzeptiert hätten, differenzierte Hornstein, sei das Gremium dem „keineswegs euphorisch“ gefolgt.
Rückzug der Stadtplanung als „negatives Signal“
Insbesondere sei den Nußdorfern auch an den Durchblicken zum See gelegen, die von überdimensonierten Hecken und anderen Einfriedungen beeinträchtigt werden könnten. Schlechte Assoziationen weckten dabei negative Beispiele am Strandweg, wo Spaziergänger und Radler teilweise auf massive Wände stießen. Mit Blick auf die ganze Stadt befürchte er, sagte Hornstein, dass bei einem Rückzug der Stadtplanung „ein negatives Signal“ auf andere Gebiete ausstrahlen könnte.
Das war auch das entscheidende Argument für Ulf Janicke (LBU/Grüne), nach Möglichkeiten zur Fortsetzung des Bebauungsplanverfahrens zu suchen. Wenn es die eigene Verwaltung aus personellen Gründen nicht schaffe, möge sie sich doch externer Fachleute dafür bedienen.
Sie sehe die große Gefahr eine „städtebaulich nicht gewünschten Entwicklung“, sagte Fraktionskollegin Bernadette Siemensmeyer. Die Worte von der erfolgreichen Steuerung der Bebauung über Paragraf 34 des Baugesetzbuches höre sie wohl, der sich auf „Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und die Grundstücksfläche“ bezieht, die überbaut werden soll, und ein Einfügen in die nähere Umgebung verlangt. „Allein mir fehlt der Glaube“, erklärte Siemensmeyer und riet, frühzeitig eine juristische Begleitung vorzusehen.
„Wir müssen den Leuten nicht zeigen, wo der Hammer hängt“
„Wir sollten hier nicht einknicken“, formulierte es Lothar Thum (FWV/ÜfA), „und schon wegen der Erschließungskosten weitermachen“. Dem schloss sich auch Udo Pursche (SPD) nahtlos an und der fraktionslose Roland Biniossek sah die Gefahr eines Präzedenzfalls: „Deshalb sollten wir hier jetzt lieber durchhalten.“
Lediglich Jurist Alexander Bruns (CDU) mahnte zur Vorsicht und teilte die Sorgen des Baubürgermeisters. Es gehe hier um Recht und Gerechtigkeit mit Blick auf das Allgemeinwohl, sagte Bruns: „Wir müssen den Leuten nicht zeigen, wo der Hammer hängt.“