Die Verbandsversammlung des Regionalverbands hat am Freitag mit großer Mehrheit die zweite Offenlage zum Teilregionalplan Energie beschlossen. Was sich so technisch anhört, ist ein wegweisender Beschluss, an dessen Ende Vorranggebiete für Windkraftanlagen in den Landkreisen Bodenseekreis, Sigmaringen und Ravensburg stehen. Der Plan sieht 40 Gebiete vor. Rechtskräftig beschlossen wird erst im September, gravierende Änderungen sind aber nicht mehr zu erwarten.
Wo Flächen reduziert wurden
Auf etwa 15 Gebieten wurde nachgebessert, beziehungsweise verkleinert. Dazu drei Beispiele. Nur noch 96 Hektar statt 146 Hektar groß ist die Fläche am Gehrenberg bei Markdorf. Auf der Waldhochfläche Hochbühl (bei Owingen) soll die für Windkraft reservierte Fläche keine 80 Hektar, wie zunächst angedacht, sondern 67 Hektar groß sein. Eine große Fläche zwischen Krauchenwies, Mengen und Ostrach wird sogar komplett aus dem Plan gestrichen. Sprich: Sie bleibt künftig frei von Windkraftanlagen und gilt nicht mehr als Vorranggebiet.
Dem jetzigen Beschluss ging eine erste Offenlage voraus. In ihr konnten Privatpersonen und Träger öffentlicher Belange Bedenken vorbringen und Stellungnahmen abgeben. In Summe gingen fast 10.000 Stellungnahmen ein, die einzeln geprüft und abgewogen wurden. Verbandsdirektor Wolfgang Heine sagte, dass die Stellungnahmen von wenigen Sätzen bis zu einem Paket von 800 Seiten reichten. Darunter auch Bedenken gegen Windkraft bei Heiligenberg-Betenbrunn. Die Todesruhe von Kelten würde gestört, lautete das Argument, auf das der Regionalverband nicht einging. Dagegen führten andere Stellungnahmen zu Planänderungen.
Demonstration vor dem Tagungsort
Gesundheitsbedenken und Sorgen vor einer Verschandelung des Landschaftsbilds trugen Demonstranten vor dem Tagungsort, dem Bad Wurzacher Kurhaus, mit Sprechchören und Plakaten vor. Auch der AfD-Chef vom Bodenseekreis, Detlev Gallandt, mischte sich zunächst unter die Demonstranten, bevor er anschließend in der Verbandsversammlung als neues Mitglied vereidigt wurde – und gegen den Beschlussvorschlag stimmte.
Die AfD war geschlossen dagegen, zudem gab es vier Enthaltungen anderer Fraktionen. Alle anderen Fraktionen stimmten zu. Es gab zwar kritische Anmerkungen. Trotzdem war sich die Versammlung einig darin, dass es verträglicher sei, selbst Vorranggebiete auszuweisen, statt sie mit der so bezeichneten „Superprivilegierung“ vonseiten der Anlagenbetreiber an vielen weiteren Plätzen durchgedrückt zu bekommen.
ÖDP-Vertreter Franz Weber äußerte Bedenken wegen möglicher Gesundheitsgefahren durch Infraschall. Stellvertretende Verbandsdirektorin Nadine Kießling antwortete, dass es bislang keine eindeutigen wissenschaftlichen Belege für einen Zusammenhang zwischen dem von Windenergieanlagen erzeugten Infraschall und Symptomen wie Kopfschmwerzen, Übelkeit, Bluthochdruck gebe.
Beim Verfahren handelt es sich um die Regionalplanung. Details werden erst im Genehmigungsverfahren einzelner Anlagen geklärt. Planerin Nicole Schneider: „Wir planen Gebiete, keine Standorte. Unsere Prüftiefe ist viel gröber als später bei der Genehmigungsplanung.“
Hintergründe zum Teilregionalplan
Gründe für Reduktionen
Zurück zu den Beispielen Gehrenberg, Hochbühl und Krauchenwies: Wie Rainer Beuerle, Leitender Planer im Regionalverband, sagte, habe man für den Hochbühl im laufenden Verfahren festgestellt, dass die Abstände zu Siedlungsflächen teils zu gering seien. Entsprechend kleiner ist jetzt das Vorranggebiet. Im Bereich Krauchenwies habe der Windatlas gezeigt, dass die Windhöffigkeit (erwartbare Windmenge) in Summe zu gering sei. Und am Gehrenberg gab es Bedenken wegen der erwarteten Windmenge im südlichen Bereich, außerdem sei der Hang dort zu abschüssig. Weitere Flächen, die im Landkreis Sigmaringen verkleinert werden, liegen im Bereich der Gemeinde Wald, bei Ostrach, sowie im Bereich Bingen, Veringenstadt, Immendingen und Gammertingen. Gründe können neben der Windhöffigkeit und den Siedlungsabständen der Artenschutz oder eine ungewollte Überlagerung von Vorrangflächen für Wind und Solar sein.
Kreis Sigmaringen am meisten belastet
Die meisten Vorranggebiete liegen im Landkreis Sigmaringen mit 58 Prozent, gefolgt von 39 Prozent im Kreis Ravensburg. Im Bodenseekreis liegen nur 4 Prozent. Wie Rainer Beuerle erläuterte, liege das vor allem an der Windhöffigkeit. Verbandsvorsitzender Thomas Kugler: „Die Verteilung nach Gießkanne war nicht möglich. Die Ausweisung ist kein politischer Plan, sondern ein sachlicher Planauftrag.“