Überlingen Wer eine Drehorgel nur als alten Leierkasten auf dem Jahrmarkt kennt, kann beim Drehorgelhaus Raffin eine neue Welt entdecken. Hier sind präzise Technik, hochwertige Handwerkskunst, klangvolle Musik und Kunstmalerei vereint.
Die Drehorgel hat eine lange Geschichte. In Deutschland wurde sie Ende des 18. Jahrhunderts erstmals von Johann Daniel Silbermann gebaut. Seitdem hat sie sich zu einem hochwertigen und vielseitig einsetzbaren Instrument entwickelt. „Es ist ein Zusammenspiel von Material, Technik und Steuerung“, sagt Friedlinde Engeser, die mit ihrem Mann Rafael das Drehorgelhaus Raffin leitet. Es wurde von ihrem Vater Josef Raffin ins Leben gerufen, der schon als Kind davon träumte, Orgelbauer zu werden. Dies war ihm zunächst verwehrt, doch er gab nicht auf und wurde Orgelbaumeister. Mit dem Wunsch, selbstständig und nach eigenen Maßstäben zu arbeiten, gründete er 1960 die eigene Firma und begann mit der Lieferung von Orgelteilen in die Schweiz. Als er die Drehorgelszene entdeckte, war er fasziniert. Sein Traum: Die Instrumente mit derselben Präzision wie bei einer großen Orgel zu bauen, in Serie zu produzieren und sie trotz der hohen Qualität erschwinglich zu machen. So begann er, eine eigene Technik zu entwickeln, mit Doppelpfeifen, höchst präzisem Schliff, Tauchlackierung und hochwertigen Materialien.
„Jede Drehorgel hat ihren eigenen Charme“, sagt Friedlinde Engeser. Josef Raffin mit seinem guten Gefühl für Handwerk und Musik arbeitete so lange an einem Modell, bis alles bis ins letzte Detail passte. Nicht umsonst wird von Kunden gesagt: „Man hört sofort, dass es eine Raffin ist.“ In diesem Sinne setzen Friedlinde und Rafael Engeser seine Arbeit mit Begeisterung fort. Er stieg Anfang der 1990er in das Unternehmen ein und begleitete Raffin bei vielen Reisen nach Berlin und in andere Länder. Nach wie vor stehen die Drehorgeln Raffin in der Szene weit oben. Zurzeit sind circa 3500 Exemplare in 35 Ländern im Umlauf, etwa die Hälfte davon in der Schweiz.
Seit 2019 widmet sich das Unternehmen der Restaurierung und dem Weiterverkauf gebrauchter Drehorgeln. Oft kommen sie aus Nachlässen und jene, die sie abgeben, sind dankbar, dass sie in guten Händen bleiben. Nach wie vor werden Musikrollen hergestellt, die ein großes Repertoire abbilden, von Schlagern und Volksmusik über klassische Stücke bis zu Rock und Pop.
Friedlinde Engeser arrangiert die Musikstücke mit großer Leidenschaft und verbindet ihre technische Kompetenz mit Gefühl für die Musik. Die Drehorgel ist auch Herzensangelegenheit. Sie macht Freude, jeder kann sie bedienen, Kinder lieben sie besonders, und sie hat sogar hartgesottene Besucher zum Strahlen gebracht. Das Kurbeln wirkt entspannend und bringt Spaß. Sie wird bei vielerlei Gelegenheiten genutzt: bei Hochzeiten, Geburtstagsfeiern oder Stadtfesten. Auch für die Kirchenmusik sowie bei Andachten und Trauerfeiern bietet sie viele Möglichkeiten. Ebenso zu therapeutischen Zwecken, etwa in Seniorenheimen, wird sie eingesetzt.
Rafael und Friedlinde Engeser möchten Josef Raffins Nachlass weitergeben, ihre Begeisterung teilen und andere animieren. Durch ihre Begegnungen auf Festivals wissen sie, dass die Drehorgel verbindet, die Gemeinschaft fördert und Freundschaften entstehen lässt. „Es gibt viele rührende Geschichten rund um die Drehorgel“, erzählt Friedlinde Engeser. Sie und ihr Mann erhalten viele Bilder und Videos von Kunden. Und die Postkarten, die eine ganze Wand füllen, sprechen für sich.