Einen „Wellness-Urlaub“, so Rechtsanwalt Martin Schwab, erwarte er für seine Mandantin gar nicht. Die Bedingungen, unter denen Johanna Findeisen in Untersuchungshaft sitzt, seien teils aber so, dass „die Grundbedingungen eines menschenwürdigen Haftvollzugs“ nicht erfüllt seien. Er spricht davon, dass bei ihr „die Grenze zur Folter überschritten werde“, und berichtet, dass man ihr im Gefängnis in Frankfurt „fortlaufend“ das Gefühl gebe, „hilflos der Willkür der JVA-Bediensteten ausgesetzt zu sein“.

Zusammengefasst, lauten die Vorwürfe von Rechtsanwalt Schwab, dass Findeisen mit unwürdigen Leibesvisitationen schikaniert werde. Dass Findeisen zu wenig Hofgang erhalte. Dass sie insbesondere an Prozesstagen nicht ausreichend mit Essen versorgt werde. Und dass Briefe ihres Verlobten nicht an sie durchgestellt würden. Alles Punkte, die das Hessische Justizministerium zurückweist.

Die AfD (Kreisverband Bodensee) verbreitet die Aussagen von Schwab dennoch. Wörtlich heißt es auf der Internetseite des Kreisverbands mit Bezug auf Findeisens Rechtsanwalt: „Johanna Findeisen ist in ihrer Gefangenschaft ständigen Erniedrigungen, Misshandlungen und psychischer Schikanen ausgesetzt.“ Schwab und andere starteten im März im Internet eine Initiative unter dem Titel „Folter, nein Danke“. Nach aktuellem Stand (2. Juni) haben sich ihr 2261 Menschen angeschlossen, darunter auch Bürger aus Überlingen

Übertriebene Leibesvisitation?

Am 11. Februar, so Rechtsanwalt Schwab, habe seine Mandantin trotz einer Fiebererkrankung am Prozess teilgenommen und hätte sich nach Rückkehr aus dem Gerichtssaal im Gefängnis bei geöffneter Außentüre und tiefen Temperaturen entkleiden müssen. Leibesvisitationen seien bei neu ankommenden Häftlingen gängige Praxis. Doch nach Prozesstagen, an denen Findeisen durchgängig von der Polizei überwacht wird, fehle jede Begründung.

Rechtsanwalt Martin Schwab, hier auf einem Archivbild aus einem Prozess, in dem er den Angeklagten Sucharit Bhakdi verteidigte.
Rechtsanwalt Martin Schwab, hier auf einem Archivbild aus einem Prozess, in dem er den Angeklagten Sucharit Bhakdi verteidigte. | Bild: Christian Charisius, dpa

Das zuständige Justizministerium Hessen weist die Vorwürfe mit Verweis auf das Hessische U-Haft-Vollzugsgesetz zurück: „Es ist sämtlichen hessischen Anstalten möglich, anzuordnen, dass Untersuchungsgefangene vor und nach jeder Abwesenheit von der Anstalt – mit einer Entkleidung verbunden – körperlich durchsucht werden dürfen.“ Der Vorwurf, auf ihre Erkältung keine Rücksicht genommen zu haben, ist laut des Ministeriums falsch: „Die Umkleidung und Durchsuchung nach Rückkehr von Gerichtsterminen erfolgt nicht bei geöffneten Außentüren.“

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Zu kurzer Hofgang?

Schwab schreibt, dass der „Hofgang entgegen des Hessischen U-Haft-Vollzugsgesetzes beileibe nicht immer 60 Minuten dauert, sondern oft kürzer.“ Weiter schreibt er: „Die Dreiviertelstunde Sport, die die JVA Frankfurt III Johanna wöchentlich zugesteht, sind gemessen am Maßstab des HUVollzG eindeutig zu wenig.“ Die Abkürzung „HUVollzG“ steht für Hessisches Untersuchungshaftvollzugsgesetz.

Ein Foto vom Prozessauftakt in Frankfurt. Die Bundesanwaltschaft legt den Angeklagten unter anderem die Mitgliedschaft in einer ...
Ein Foto vom Prozessauftakt in Frankfurt. Die Bundesanwaltschaft legt den Angeklagten unter anderem die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zur Last. Die Angeklagte Johanna Findeisen, im Gespräch mit ihren Verteidigern Böhme und Schwab, verbirgt ihr Gesicht unter einem Kapuzenpulli und hinter einem Aktenordner. | Bild: Boris Roessler, dpa

Das Justizministerium in Wiesbaden antwortete auf SÜDKURIER-Anfrage: „Die tägliche Freistunde dauert 60 Minuten. Frau Findeisen nimmt zusammen mit zahlreichen anderen Frauen an der Freistunde teil, die Zeiten werden eingehalten. Sofern Frau Findeisen an einem Prozesstag nicht an der Freistunde teilnehmen kann, kann sie am Folgetag zur Kompensation an zwei 60-minütigen Freistunden teilnehmen.“

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Ungenießbares Essen?

Schwab behauptet, dass Frau Findeisen nach Rückkehr an den Prozesstagen nurmehr kaltes und ungenießbares Essen zur Verfügung stehe. Und dass es ihr untersagt sei, sich die Einnahme des Essens selbst einzuteilen. Sprich: Mahlzeiten, die sie nicht auf einmal schafft, sich aber für später aufheben würde, nehme man ihr weg. Das führe dazu, dass sie nach langen Prozesstagen nicht genügend zu essen bekomme.

Die Justizvollzugsanstalt III in Frankfurt, das als Gefängnis speziell für Frauen geführt wird.
Die Justizvollzugsanstalt III in Frankfurt, das als Gefängnis speziell für Frauen geführt wird. | Bild: Hilser, Stefan

„Die Vorwürfe treffen nicht zu“, lautet die Antwort aus dem Justizministerium. Die Behörde schreibt: „Frau Findeisen wird von der Anstalt versorgt und nimmt zusätzlich am zweiwöchigen Anstaltseinkauf teil. An den Prozesstagen erhält Frau Findeisen ein reichhaltiges Lunchpaket zur Verpflegung bei Gericht, zusätzlich wird ihr auch das Mittagessen an diesen Tagen in einem Warmsteller in den Haftraum gestellt. Da Frau Findeisen rege vom zweiwöchigen Einkauf Gebrauch macht, hat sie außerdem die Möglichkeit, sich während der Stationsfreizeit, die in der Regel nach ihrer Rückkehr vom Gericht stattfindet, Essen zu erwärmen, beziehungsweise eigenes Essen zuzubereiten. Während der Stationsfreizeit kann sich Frau Findeisen zudem reichlich Brot geben lassen.“

Briefsperre und kein Zwieback?

Thema der „Anti-Folter-Kampagne“ ist auch die Briefsperre, die Findeisen erfahren hat, und die per richterlichem Beschluss beendet wurde. Das Ministerium bestätigt: „Vereinzelt wurden Briefe zunächst nicht an Frau Findeisen ausgehändigt, da sie nach Auffassung der JVA Frankfurt III allesamt dazu geeignet waren, verfassungsfeindliche Bestrebungen bei Frau Findeisen zu fördern und zu bestärken.“ Jedoch legte Findeisen erfolgreich Rechtsmittel dagegen ein.

Die weiterhin geäußerte Behauptung Schwabs, wonach Briefe ihres Verlobten weiterhin nicht durchgestellt würden, weist das Ministerium allerdings als falsch zurück. Ein weiterer Vorwurf lautet, dass Findeisen übel gewesen sei und sie um Zwieback gebeten habe, den man ihr aber nicht gegeben habe. Dem Justizministerium ist dieser Vorgang laut eigener Aussage nicht bekannt. Wenn es ihr übel war, so der Referatsleiter im Ministerium, „hätte sie um eine Vorstellung beim medizinischen Dienst bitten können“.