Der graue Abendhimmel schien sich der Stimmung der Teilnehmer der Begehung der St.-Leonhard-Wiese am ehemaligen Turnierplatz des Überlinger Reitvereins anzupassen, zu der der SPD-Ortsverein und dessen Ratsfraktion eingeladen hatten. Auf blankes Unverständnis stieß bei den rund 50 Interessierten, die teilweise auch aus der Kernstadt gekommen waren, die Absicht der Stadtplanung, nicht nur die Fläche der Kleingärten an der Rauensteinstraße bebauen zu wollen. Schon das würde vielen zu weit gehen. Doch auch noch die grüne Wiese zu opfern, die erst 20 Jahre zuvor zum Landschaftspark gekürt worden war, das wollte an diesem Abend überhaupt niemand verstehen.

Der SPD-Ortsverein mit der Vorsitzenden Kirsten Stüble hatte zu der Begehung eingeladen. Stadtrat Michael Wilkendorf (Mitte) hatte alle ...
Der SPD-Ortsverein mit der Vorsitzenden Kirsten Stüble hatte zu der Begehung eingeladen. Stadtrat Michael Wilkendorf (Mitte) hatte alle Hände voll zu tun, die Vorstellungen der Stadtplanung und der eigenen Fraktion zu erläutern. | Bild: Hanspeter Walter

Nicht nur Anlieger fürchten um Naherholungsgebiet

Es sind keineswegs nur die Betroffenen von Birkle-Klinik, Parkhotel St. Leonhard und den angrenzenden Wohngebieten, denen die geplante Bebauung große Sorge bereitet. Auch Bewohner des ganzen Burgbergs und der Kernstadt fürchten um das geschätzte Naherholungsgebiet, das für Spaziergänger seit Jahrzehnten eine ebenso große Bedeutung hat wie für den kleinklimatischen Luftaustausch hinein in die Stadt.

Optische Eindrücke bleiben hängen: Dieser Ansicht sind die Ruheständler Rudolf Scharpf und Alfred Wolsfeld, die rechtzeitig zur Begehung ...
Optische Eindrücke bleiben hängen: Dieser Ansicht sind die Ruheständler Rudolf Scharpf und Alfred Wolsfeld, die rechtzeitig zur Begehung des SPD-Ortsvereins dieses Transparent aufgestellt hatten. | Bild: Hanspeter Walter
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Zu den aufgebrachten Bürgerinnen und Bürgern, die die SPD-Ortsvorsitzende Kirsten Stüble begrüßte, gehörten auch die Ruheständler Rudolf Scharpf und Alfred Wolsfeld, die ihrem Protest rechtzeitig zu der Begehung mit einem Transparent Ausdruck verliehen hatten. „Gemeinderat verbaut wertvolle Naturfläche und Naherholungsgebiet“, hatten sie einem trauernden Emoji in den Mund gelegt.

„Diese Wiese ist einfach etwas ganz Schönes, das man nicht so einfach preisgeben darf.“
Rudolf Scharpf, Teilnehmer der Begehung

„Ich bin einfach überzeugt, dass so ein Plakat auch als Bild bei vielen hängen bleibt, die vorbeigehen“, ist Rudolf Scharpf überzeugt, der seit mehr als 40 Jahren am Burgberg zuhause ist. „Diese Wiese ist einfach etwas ganz Schönes, das man nicht so einfach preisgeben darf“, betonte er: „Das bleibt auch bei vielen Birkle-Patienten oder Hotelgästen in Erinnerung. Doch was weg ist, ist weg.“ Es gebe mit Sicherheit Flächen, die man eher bebauen könnte, erklärte Scharpf und nannte die Grundstücke entlang des Grafenholzwegs.

„Ein Baubürgermeister hat nicht nur die Aufgabe zu bauen, sondern auch wertvolle Zonen zu schützen“: Rudolf Scharpf und ...
„Ein Baubürgermeister hat nicht nur die Aufgabe zu bauen, sondern auch wertvolle Zonen zu schützen“: Rudolf Scharpf und Alfred Wolsfeld neben SPD-Stadtrat Udo Pursche (von links) bei der Begehung des Geländes. | Bild: Hanspeter Walter

SPD-Stadtrat Michael Wilkendorf kommt in Erklärungsnot

Vor allem den anwesenden beiden Stadträten Udo Pursche und Michael Wilkendorf wollte diese Formulierung allerdings gar nicht gefallen. Der Gemeinderat baue hier überhaupt nicht, glaubten sie betonen zu müssen. Dennoch in Erklärungsnot gebracht wurde insbesondere Michael Wilkendorf, der sich bei den Beratungen zwar gegen eine Bebauung der Wiese gewandt hatte, um der Erweiterung des Plangebiets in den neuen Ausmaßen am Ende dennoch zuzustimmen.

An der verdeckten Scheune in der Bildmitte soll eine Bebauung nach den Vorstellungen der SPD enden. Die Wiese unterhalb des Parkhotels ...
An der verdeckten Scheune in der Bildmitte soll eine Bebauung nach den Vorstellungen der SPD enden. Die Wiese unterhalb des Parkhotels soll grün bleiben. | Bild: Hanspeter Walter

„Wieso haben Sie denn überhaupt für diesen Aufstellungsbeschluss gestimmt?“ war eine mehrfach zu hörende und von wenig Verständnis geprägte Frage. Wilkendorfs Antwort war kompliziert und nicht jeder wollte die Argumentation nachvollziehen: Über die endgültige Bebauung entschieden werde ja erst im Verlauf des Verfahrens, sagte der SPD-Stadtrat, und dabei könne man die bestehenden Grünbereiche sogar dauerhaft festschreiben.

Auch die untere Ecke westlich des Fußwegs zur Kapelle ist noch mit einbezogen. Der Weg selbst sollte nach den Planungsvarianten ...
Auch die untere Ecke westlich des Fußwegs zur Kapelle ist noch mit einbezogen. Der Weg selbst sollte nach den Planungsvarianten verschwinden. | Bild: Hanspeter Walter

Ungeachtet dessen dankten viele Teilnehmer den Kommunalpolitikern dafür, dass sie zu der Begehung und den Informationen eingeladen hatten. Die Sozialdemokraten im Rat würden die Bebauung zu verhindern versuchen, beteuerte auch Fraktionskollege Udo Pursche: „Und wir werden sicher nicht die einzigen bleiben.“

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Klinikdirektor appelliert an Stadt und Räte

Zu Wort meldeten sich unterwegs und bei der anschließenden Diskussion im Bankettsaal des Parkhotels St. Leonhard nicht nur angrenzende Nachbarn. Besonders betroffen von den Planungen sind aber das Parkhotel St. Leonhard und die Birkle-Klinik.

Der Geschäftsführer der Birkle-Klinik Matthias Schindler und der Direktor der Kliniken-Dachgesellschaft Martin Heßberger, warfen sich in die Bresche: „Nicht nur die Hotelgäste und Patienten wissen dieses Landschaft zu schätzen“, sagte Heßberger und appellierte an die Stadt und die Gremien: „Stehen Sie zu den Beschlüssen von vor 20 Jahren.“

Versteht die Welt nicht mehr: Martin Heßberger (Mitte) in der Diskussion mit SPD-Stadtrat Michael Wilkendorf (links). Heßberger ist ...
Versteht die Welt nicht mehr: Martin Heßberger (Mitte) in der Diskussion mit SPD-Stadtrat Michael Wilkendorf (links). Heßberger ist Geschäftsführer der „Dr. Spang Reha-Kliniken Verwaltung GmbH. Dieser Dachgesellschaft gehören neben Birkle- und Kurparkklinik in Überlingen weitere Reha-Kliniken in Bad Bellingen, Bad Krozingen und Badenweiler sowie die Falkensteinklinik und die Kirnitzschtalklinik in der Überlinger Partnerstadt in Bad Schandau in Sachsen an. | Bild: Hanspeter Walter

Noch sei die Wiese eine wichtige grüne Insel für die Umgebung, betonte Heßberger: „Doch wehret den Anfängen.“ Die Stadt habe dies auch gar nicht nötig in Anbetracht der zahlreichen anderen Projekte. Bei der Sparkasse werde gebaut, auf dem Telekom-Areal und bald auch im gebiet Südlich Härlen. „Lassen Sie uns das hier erhalten“, sagte Heßberger und erntete großen Beifall.

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Klinik-Geschäftsführer fürchtet um Arbeitsplätze

Als Geschäftsführer wolle er die Birkle-Klinik „in die Zukunft führen“, erklärte auch sein Kollege Matthias Schindler. „Wir haben hier mehr als 160 Arbeitsplätze und wollen hier eher ausbauen.“ Eine Klinik sei nur attraktiv, wenn sie in einer attraktiven Umgebung liege. „Wenn unsere Patienten – egal ob Herz oder Hüfte – hier wieder ihre ersten Schritte draußen tun und es noch mehr Verkehr gibt“, erklärte Schindler, „dann leidet die Attraktivität der Klinik und das gefährdet auch die Arbeitsplätze.“ Auf diesen Aspekt wolle er besonders hinweisen, sagte Schindler: „Egal, was da unten passiert, aber die Leonhardwiese darf nicht bebaut werden.“

Anmerkung: In einer früheren Version dieses Artikels wurde Martin Heßberger als Geschäftsführer des Parkhotels St. Leonhard bezeichnet. Das ist falsch, Heßberger ist Geschäftsführer der „Dr. Spang Reha-Kliniken Verwaltung GmbH‘. Dieser Dachgesellschaft gehören neben Birkle- und Kurparkklinik weitere Reha-Kliniken in Bad Bellingen, Bad Krozingen und Badenweiler sowie die Falkensteinklinik und die Kirnitzschtalklinik in Bad Schandau an. Geschäftsführer der Birkle-Klinik ist Matthias H. Schindler, der zugleich Geschäftsführer der Kurpark-Klinik ist. Direktor des Parkhotels St. Leonhard ist seit Juni 2021 Thomas Wiggenhauser, der in dieser Funktion auch die Nachfolge des im September 2021 verstorbenen Wolfgang Spang angetreten hat.