Vor zehn Jahren stürzte Christian Hüttenberger von einem Gerüst in die Tiefe. Seitdem ist er auf den Rollstuhl angewiesen. Seinen Kopf und seinen rechten Arm kann er noch benutzen, der linke ist taub. Seit dem Unfall hat sich sein Leben komplett verändert.
Dazu gehört, dass an bestimmten Orten in der Öffentlichkeit Herausforderungen lauern – so auch bei Toiletten. Fünf barrierefreie Einrichtungen gibt es in der Kernstadt. Der 42-Jährige hat sich bereit erklärt, die Sanitärräume zu testen.
Parkhaus West
Auf den ersten Blick gibt die Tür des barrierefreien Sanitärraums im Parkhaus West Rätsel auf. Kein Taster, kein Schlüsselloch, nur eine verschlossene Tür. Wo ein Zylinder für den Euro-Schlüssel sein sollte, ist gähnende Leere. Der Blick durchs Schlüsselloch richtet sich direkt auf die Toilette dahinter. Hüttenberger ist verwundert, zumal er an der Zarge eine Vorrichtung für die automatische Türöffnung erkennt. Da die Tür auf dem üblichen Weg nicht zu öffnen ist, rufen wir, wie angegeben, über den Kassenautomaten bei der Zentrale an.
„Die Toilette ist nicht zu öffnen, es ist kein Schloss in der Tür“, schildern wir dem gelben Kassenautomaten. Der Apparat antwortet, ein Techniker werde informiert. Der trifft auch schon nach kurzer Zeit ein. Wieder schildern wir das Problem. Der Mitarbeiter erwidert: „Ich würde Ihnen gerne helfen, aber ich weiß gerade keine Lösung.“
Dann die erlösende Eingebung: eine unscheinbare Schlüsselbox an der Wand. Den Euro-Schlüssel, den jeder mit einem Schwerbehindertenausweis beantragen kann, eingeführt und umgedreht, öffnet sich die Tür. „Ich finde, das sollte selbsterklärender sein“, resümiert der Rollstuhlfahrer. In der Kabine hängen zwei Notrufleinen von der Decke. Doch wer daran zieht, sollte nicht damit rechnen, mit einem zentralen Notruf oder dergleichen verbunden zu werden. „Es erfolgt ein Signalton in die Umgebung“, heißt es vonseiten der Stadtverwaltung.
Landungsplatz
Die Toilette am Landungsplatz steht an prominenter Stelle. Das Schloss ist hier selbsterklärender als im Parkhaus West. Laut Din-Norm darf nur geringer Kraftaufwand nötig sein, um die Tür zu öffnen. Hüttenberger kann die Tür mit einem Arm nur aufziehen, indem er sie mit dem im Schloss steckenden Schlüssel als Mini-Griff öffnet.

Geringer Kraftaufwand wäre in diesem Fall, diplomatisch gesagt, Auslegungssache. Einen Taster für automatische Türöffnung gibt es nicht. Zusätzlich muss er den Rollstuhl „irgendwie“, wie er sagt, in die Türöffnung manövrieren. „Man muss findig sein“, sagt er.

Innen wirkt auf den ersten Blick alles in Ordnung. Der zweite Blick offenbart allerdings: Es gibt weder einen Alarmknopf noch eine Leine. Zwar ist eine Vorrichtung angebracht, jedoch fehlt die Schnur daran. Die Stadt antwortet auf Anfrage: „Dies wird aktuell von der Abteilung Gebäudemanagement bearbeitet und schnellstmöglich behoben.“

Auch der Spiegel war für den 42-Jährigen nicht zu gebrauchen. Aus keiner Position konnte er sein Gesicht sehen.
Parkhaus Post
Der Waschraum am Parkhaus Post war für uns nicht aufzufinden. Darauf angesprochen teilt die Stadtverwaltung mit: „Eine Beschilderung ist an der Seeseite vorhanden, die Behindertentoilette ist über den Aufzug erreichbar.“ In diesem Sinne sei Hüttenberger wiederholt: „Das sollte selbsterklärender sein.“
Münsterplatz
Nach den teils ernüchternden Erfahrungen zuvor ist die Toilettenanlage am Münster einwandfrei. Die am Türschild abgebildeten Münzen irritieren zwar: Muss tatsächlich Geld eingeworfen werden? Der Gedanke verflüchtigt sich, sobald sich die Tür öffnet, als Hüttenberger den Schlüssel dreht. Die Stadtverwaltung klärt auf: Falls der Euro-Schlüssel nicht griffbereit ist oder vergessen wurde, können die neuen Toiletten auch per Münzeinwurf geöffnet werden.

Hinter der Tür zeigt sich eine geräumige Sanitäranlage, sauber und mit Knöpfen ausgestattet, dazu eine klare Anleitung, wie die Anlage zu benutzen ist. Dieses Mal stimmt auch alles mit den Notfallknöpfen: „Mehr als genug“, kommentiert Hüttenberger. Sogar der Spiegel war nutzbar – zum ersten Mal.

ZOB
Kurz gesagt: Die Toilettenanlage am Busbahnhof ist vergleichbar gut. Auch sie ist schnell gefunden, geräumig, bietet klar markierte Knöpfe und ist sauber. Einziger Wermutstropfen: Der Notruf. Der alarmiert keine zentrale Stelle.
„Nach Drücken des Notruftasters ertönt ein Licht- und Akustiksignal innerhalb und außerhalb der Anlage. Zeitgleich wird die Tür entriegelt, sodass man die Tür von außen öffnen kann“, schreibt Dana Müller vom Unternehmen. Rufweiterleitung gebe es nur bei Anlagen mit Gegensprechanlage. Die konnten wir in diesem Fall nicht entdecken. Nach Hüttenbergers Ansicht wäre der Vorteil eines zentralisierten Alarmsystems, dass man sichergehen kann, dass jemand kommt. „Wenn jemand Alarm schlägt, muss schon etwas passiert sein“, sagt er.
Gemischtes Fazit
So steht am Ende, dass die barrierefreien Sanitärräume trotz diverser Richtlinien recht unterschiedlich ausfallen. Gerade was die Zugänglichkeit und vermeintlich selbstverständliche Dinge wie einen Spiegel angeht, ist Rollstuhlgerechtigkeit nicht überall gegeben.