Überlingen baut an einer Verkehrsberuhigung für die Innenstadt. Autofahrer, die von Westen her kommen, werden im Bereich Badhotel/Parkhaus West gestoppt. Ab hier müssen sie umdrehen und sich einen anderen Weg in oder um die Stadt herum suchen. Viele fahren seitdem durch das Kurgebiet.
E-Mail ans Rathaus mit großem Verteiler
Das ist dem Betreiber eines Kurhotels ein Dorn im Auge. Michael Röther, Geschäftsführer des Röther Gesundheitszentrums, machte seinem Ärger in einem Brief an Oberbürgermeister Jan Zeitler Anfang August Luft. Eine Antwort erhielt er zunächst nicht, weshalb er am 13. September erneut schrieb. Diesmal per E-Mail an einen großen Verteiler aus Gemeinderäten, Kurbetrieben und Presse, insgesamt rund 50 Mailadressen.
Darin verdeutlicht Michael Röther: „Der Verkehr ist weiterhin unerträglich, die Beschwerden unserer Kurpatienten sind massiv, Aufenthalte werden abgebrochen, Androhungen ausgesprochen, unter diesen Voraussetzungen nicht mehr zu kommen.“ Er behalte sich vor, den Heilbäderverband Baden-Württemberg „über die herrschenden Zustände im Kurgebiet zu informieren“. Pikant dabei: Sollte der Verband auf Röthers Argumentation eingehen, könnte Überlingen der Verlust des Prädikats „Kneippheilbad“ drohen.
Klinik-Chef vermisst Wertschätzung Zeitlers
Röther zitiert aus den Statuten des Verbands, wonach das Prädikat nur jenen Kommunen zustehe, die alles auf Erholung und Regeneration ausrichten würden. Und genau das vermisse er, so Röther, wenn die Stadt den Autoverkehr, stärker als bisher, durch das Kurgebiet schickt. Dabei gehe es ihm nicht nur um den Fortbestand seines Betriebs, sondern um den „Kurgedanken“ für Überlingen generell, dem die Stadt mit ihrer Verkehrspolitik „keine Wertschätzung“ entgegenbringe.
Konkret forderte Röther von der Stadtverwaltung eine bessere Beschilderung, die dafür sorge, dass mehr Autofahrer den Weg über den Stadtring, die alte B31, wählen. Und dass die Straße durchs Kurgebiet zu einer Einbahnstraße umgewidmet werde. Oder dass man nur Anlieger durchlässt.
Unverzichtbare Funktion als Kurmittelhaus
In einem Pressegespräch in seiner Kurklinik verdeutlichte Röther, dass das Prädikat Kneippheilbad für Überlingen „am seidenen Faden“ hänge. Entscheidend dafür sei nicht nur die Luftqualität, sondern auch die Zahl an Kurbetrieben, die seit Jahren rückläufig sei. Vorgeschrieben sei auch, dass Überlingen über ein Kurmittelhaus verfügt. Sein Haus habe die Rolle des Kurmittelhauses für Überlingen übernommen, sei aber das einzige in der Stadt.
Röthers Gäste klagen ebenfalls
Röther stellte im Pressegespräch drei Gäste vor, die ihrem Unmut über eine Zunahme des Verkehrs Ausdruck verliehen. Peter Kappert, langjähriger Gast aus der Schweiz, sagte: „Der Verkehr hat extrem zugenommen.“ Auf der Terrasse könnten sie wegen des Lärms nicht mehr sitzen. Frank Vogt, Beihilfebezieher aus dem Saarland: „So toll das Angebot bei Röther auch ist, aber der Lärm stresst.“ Und Wolfgang Warth, Selbstzahler, sagte: „Ich halte das für ein schlechtes Management der Stadt.“

Laut Oberbürgermeister keine Überbelastung
Nach Röthers zweitem Brief entschuldigte sich Zeitler im gleichen Mail-Verteiler für Verzögerung bei der Beantwortung, die durch die krankheitsbedingte Abwesenheit eines Kollegen zustande gekommen sei. Nun lägen ihm aber Messergebnisse vor, nach denen es „zu keiner verkehrlichen Überbelastung“ im Kurgebiet, Bereich Uhlandstraße/Auf dem Stein, komme. Zeitler: „Zusätzliche Verkehrslenkungsmaßnahmen entbehren demnach einer Grundlage.“
Verkehrszahlen für das Kurgebiet
Zeitler lehnt Einbahnstraße ab
Röther fordert eine Einbahnregelung, die den Verkehr hangabwärts, Richtung Goldbacher Straße, zulässt, ihn hangaufwärts aber verbietet. Dagegen hält Zeitler eine Einbahnstraße für „nicht zielführend“. Er verweist auf die Messergebnisse des Blitzer-Trailers. Demnach wurden abwärts pro Tag 640 und aufwärts 1568 Fahrzeuge gemessen.
Diskussion um das Prädikat Kneippheilbad
Röthers Bedenken für den Erhalt des Prädikats Kneippheilbad versucht Zeitler mit dem Argument zu zerstreuen, dass bei Luftmessungen Richtwerte nicht überschritten worden seien. Auf weitere Punkte aus Röthers Brief ging der OB in seiner Antwort nicht ein. Dabei gehe es ihm nicht nur um Luftwerte, wie Röther sagte, sondern um weitere Kriterien, die ein Heilbad erfüllen müsse, um sich weiterhin so nennen zu dürfen.

Im Gespräch mit dem SÜDKURIER wies der Klinik-Chef Zeitlers Antwort zurück. Er hätte erwartet, dass sich der OB vor Ort ein eigenes Bild von der Lage macht. Verkehrszahlen, die den Durchschnitt eines ganzen Kalendertages spiegelten, könnten nicht darüber hinwegtäuschen, dass einzelne Spitzenwerte eine zu hohe Belastung darstellen. Er werde eigene Zählungen vornehmen, um „relevante Zeiträume“ besser erfassen zu können.
Ihm sei bewusst, dass ein Vorpreschen über die Medien potenziell künftige Patienten davon abhalten könnte, bei ihm zu buchen. Der Versuch, auf diesem Weg für eine Verbesserung der Situation einzutreten, sei es ihm aber wert, so Röther. Zeitler verweist zunächst an seinen Baubürgermeister und teilt mit, dass er für einen persönlichen Dialog nur bereit sei, „sofern terminlich abbildbar“.
Anmerkung der Redaktion: Nach der Veröffentlichung dieses Berichts auf suedkurier.de meldete sich die Pressesprecherin Zeitlers und betonte, dass das Zitat „sofern terminlich abbildbar“ aus dem Zusammenhang gerissen sei. In der Antwort des Oberbürgermeisters an Röther habe gestanden, dass er „selbstverständlich auch gemeinsam (mit Baubürgermeister Kölschbach) zum persönlichen Dialog zur Verfügung stehe, sofern terminlich abbildbar“. Das zeige „eindeutig, dass Herr Zeitler durchaus bereit ist, an einem persönlichen Gespräch teilzunehmen“. Er habe „jedoch auf die hohe Termindichte hingewiesen, wenn es um ein Gespräch mit dem Oberbürgermeister und dem Baubürgermeister zusammen geht“.