Herr Wilhelmi, Sie sind im fünften Jahr, dass Sie die Geschäftsführung der Klinik in Überlingen übernommen haben. Wie fühlt es sich an?

Leonard Wilhelmi: Sehr gut.

Trotz der Corona-Pandemie?

L.W.: Wir haben bewegte Jahre hinter uns und ich sage bewusst wir, weil nicht nur für mich, der hier dann in der Verantwortung stand, sondern auch für meinen Vater, der sicherlich nicht vorhatte, die Verantwortung in einer Zeit zu übergeben, die so turbulent war wie Corona. Aber das Gute ist, wir stehen 2023 fast besser da als 2019. Und ein positiver Effekt für mich persönlich war, wenn man so was durchsteht, wie die vergangenen drei Jahre, dann kommt es einem manchmal so vor, als wäre man schon 20 Jahre in dem Beruf.

Wie kommen Sie mit der Inflation und den Energiekosten zurecht?

L.W.: Als Familienunternehmen, wenn man 100 Prozent eigenständig ist, entscheidet auch die Familie über die Preise. Auf der einen Seite hat man unglaubliche Preissteigerungen, in den Bereichen Energie, Beschaffung und Personal. Wir haben flächendeckend die Löhne unseres Personals angehoben, um ein Zeichen zu setzen, dass wir alle mitnehmen, auch in dieser schwierigen Zeit. Auf der anderen Seite haben wir jedes Quartal von fast allen Lieferanten Meldung bekommen, dass sich die Preise erhöhen. Klopapier ist mein Lieblingsbeispiel. Da haben sich die Preise fast verdoppelt. In sämtlichen Bereichen haben wir die Preissteigerung drin. Als Klinik waren wir beim Thema Energie relativ entspannt. Im Energieplan waren wir die letzten, die abgeschaltet worden wären. Nichtsdestotrotz ist es ein schwieriges Umfeld. Wir versuchen, unsere Investitionen klug zu planen. Wir haben jüngst groß gebaut. Unter anderem eine neue Küche, einen neuen Salon, ein Yogazentrum. Das sind Sachen, die viel kosten, gerade im Moment.

Raimund Wilhelmi: Hier sind ganz überwiegend Mittelständler, Anwälte, Ärzte, Architekten, Familienunternehmer. Von daher ist die Preisgestaltung schon ein Thema. Wir wollen unsere langjährigen Stammgäste auch nicht verärgern und überfordern. Bis jetzt, denke ich, haben sie unsere maßvolle Preisanhebung akzeptiert.

Begründer der medizinischen Fastenmethode war Otto Buchinger vor mehr als 100 Jahren. Eine Statue erinnert an ihn. Leonard und Raimund ...
Begründer der medizinischen Fastenmethode war Otto Buchinger vor mehr als 100 Jahren. Eine Statue erinnert an ihn. Leonard und Raimund Wilhelmi legen ihrem Vorfahren die Hände auf die Schultern. | Bild: Santini, Jenna

Hat sich Ihr Kundenstamm verändert?

R.W.: In der Coronazeit in der Tat. Als die Grenzen offen waren, kamen die Menschen, die herfahren konnten. Das war Deutschland, Schweiz und Frankreich. Viele, die das erste Mal kamen. Und die hatten etwas anderes vor als früher. Früher wollte man seine Gesundheit optimieren, fit sein und besser aussehen. Die wollten nur Ruhe haben, meditieren, in sich gehen. Deswegen hat der Sohn auch dieses Yogazentrum gebaut und das Programm ein bisschen verändert. Das hat sich jetzt wieder etwas zurück verwandelt. Es ist wieder das internationale Publikum da, aber die Stimmung im Haus ist geblieben. Die Leute sind weiter hilfsbedürftiger und in sich gekehrt.

Die Fastenzeit ist mit den Osterfeiertagen vorbei. Kommen in dieser Zeit vermehrt Patienten in die Klinik?

R.W.: Das Bewusstsein ist da. Deswegen faste ich auch in der Zeit sehr gerne. Man muss sich nicht rechtfertigen, dass man Wasser anstatt Wein trinkt. Das heißt aber nicht, dass die Belegung hier hochgeht.

L.W.: Wir hatten in der Fastenzeit ein Programm mit verschiedenen Vorträgen, Meditationseinheiten und einfach Impulsen. Aber die Zeit selber ist nicht so, dass wir wahnsinnig viel Konjunktur hätten. Wir haben viele Saisons. Jeder baut es ein, wann es passt. Es ist sehr individuell.

Wer kann denn fasten?

L.W.: Das Fasten ist ein Programm, das durch die Evolution zertifiziert worden ist. Wir haben die Kapazität, eine gewisse Zeit ohne Nahrung zu überleben und in der Zeit, in der wir fasten, macht der Körper ganz wundersame Dinge. Und das kann jeder. Wir sind dafür gemacht, dass wir uns Pausen geben. Meine Mutter besteht immer darauf, zu sagen, der Körper hört nicht auf zu essen, wenn wir fasten. Der Körper holt sich die Energie aus seinen Reserven. In Studien wird nach und nach bewiesen, welche positiven Effekte das Fasten hat. Wir sprechen immer von der wirkungsvollsten nicht-pharmakologischen Intervention.

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Schafft es der Laie, alleine zu fasten?

L.W.: Grundsätzlich macht es Sinn, unter medizinischer Führung zu fasten. Es gibt gesunde Menschen, die keine Medikation einnehmen, normalgewichtig sind, die vielleicht Fasten-Erfahrung haben, die keine Probleme haben werden, wenn sie zuhause alleine fasten. Wenn dann mal etwas passiert, es entgleitet einem etwa der Blutdruck, ist es immer ratsam, das unter medizinischer Begleitung zu machen.

R.W.: Was wir hier in der Klinik mit dem Buchinger Wilhelmi Fasten bieten, ist das Optimum. Hier ist ein Ärzteteam, sind Pflegekräfte sowie Therapeuten. Wenn jemand sagt, ich will nicht in eine Klinik, dann ist es trotzdem nicht gut, es alleine und möglichst auch noch während der Arbeit zu machen. Es ist besser, es in der Gruppe anzugehen. Vielleicht mit einem Leiter, der erfahren ist. Und einen Arzt sollte man zumindest in Rufweite haben.

Den Standort Überlingen gibt es seit 70 Jahren. Wie sieht die Zukunft aus?

L.W.: 2019 waren die Zyklen, dass man sechs Monate im Voraus planen konnte. Belegung, all das, war zu 80 Prozent abgeschlossen. Mittlerweile hat man als Unternehmer eine Sicherheit von vier bis sechs Wochen, dass die Welt noch dieselbe sein wird. Dennoch haben wir Expansionspläne. Wachstum definieren wir vor allem hier am Standort. Wir sind im 70. Jahr. Wir haben vor, in Zukunft weiter zu bauen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Nicht die Anzahl der Patienten soll sich erhöhen, sondern das Angebot noch mal einen Schritt nach vorne gebracht werden.

Die dritte und vierte Generation auf einem Bild (von links): Victor Wilhelmi und Katharina Rohrer-Zaiser, Geschäftsführer-Team der ...
Die dritte und vierte Generation auf einem Bild (von links): Victor Wilhelmi und Katharina Rohrer-Zaiser, Geschäftsführer-Team der Klinik in Marbella, Françoise Wilhelmi de Toledo, wissenschaftliche Direktorin, Leonard Wilhelmi, Geschäftsführer der Klinik in Überlingen, und Raimund Wilhelmi, Präsident der Buchinger Wilhelmi Gruppe. | Bild: Winfried Heinze

R.W.: Vor 70 Jahren waren wir Außenseiter. Deswegen hatten Leo und ich als Schüler Schwierigkeiten, den Mitschülern zu erklären, was wir hier machen. Das haben die Überlinger auch viele Jahre nicht verstanden. Inzwischen sind wir im Mainstream angelangt und haben dadurch mehr Wettbewerb. Jetzt sind wir überwiegend akzeptiert, weil wir wissenschaftlich beweisen können, dass das hochwirksam ist, was wir tun. Aber wir müssen uns nun natürlich gegen Wettbewerber behaupten.