„Wenn ich das auf dem rechtlichen Weg nicht bekomme, verspreche ich dir, deine Niere zu entnehmen.“ Das schrieb ein 46-Jähriger aus der Region seinem Neffen Anfang des Jahres. Nun muss er sich wegen Bedrohung und Erpressung vor dem Überlinger Amtsgericht verantworten. Der Mann soll seinem Neffen 6000 Euro geliehen haben. Dieser habe das Geld jedoch nicht wie verabredet in ein Grundstück investiert, sondern an der Börse verplempert, sagt der Angeklagte vor Gericht. 23 Jahre später möchte er sein Geld zurück. Auch um diese Chatnachricht an seinen Neffen geht es während der Verhandlung am Amtsgericht: „Lass mich nicht etwas tun, was ich nicht tun wollen würde.“

Angeklagter bleibt Beweis für Überweisung schuldig

23 Jahre? Das behauptet zumindest der Angeklagte. Hektisch tippt er nach Beweisen suchend auf dem Smartphone herum. Er wird nicht fündig. Ob er das Geld wirklich 2001 an seinen Neffen überwies, bleibt offen. Er habe nicht damit gerechnet, dass sein Fall an diesem Tag vor Gericht verhandelt würde, versucht sich der 46-Jährige zu verteidigen. Kein Grund, seine Unterlagen nicht parat zu haben, weist Richter Alexander von Kennel ihn zurecht. Nur weil der Neffe nicht länger auf die Gerichtsverhandlung bestehe, „kann man das doch nicht unter den Tisch fallen lassen!“

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Abgesehen vom Angeklagten ist tatsächlich keine der involvierten Personen anwesend. Die Verhandlung verläuft weitgehend zwischen drei Beteiligten. Denn obwohl der Angeklagte bereits Anfang der 1990er Jahre aus der Türkei nach Deutschland kam, muss das Gericht einen Dolmetscher bemühen. Und dieser macht aus seiner Mühe keinen Hehl: „Totaler Blödsinn“, sagt er und verweist darauf, dass viele Sätze völlig unverständlich seien. Mehrmals stolpert er über Interpunktion, Grammatik und Rechtschreibung. Mehrmals diskutiert er mit dem Angeklagten, was mit diesem oder jenem Wort gemeint sein soll.

Mann muss 3600 Euro zahlen

Keine Probleme hat der Dolmetscher bei folgender Chatnachricht, adressiert an den Neffen: „Ich möchte meine 6000 Euro. Wenn es über den Anwalt und das Gericht läuft, würde es dich 10.000 Euro kosten.“ Mit seiner Drohung erreicht der Angeklagte allerdings das Gegenteil. Nicht sein Neffe, sondern er selbst muss jetzt zahlen: Gegen eine Auflage von 3600 Euro wird das Verfahren gegen ihn vorläufig eingestellt. Auch deshalb, weil die Drohung, jemandem die Nieren zu entnehmen, „gang und gäbe“ im Türkischen sei, wie der Dolmetscher einordnet.

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Dem Angeklagten rutscht bei der Höhe der Summe der Kopf nach vorn, seine Augen öffnen sich weit. Der Strafverteidiger akzeptiert sofort. Unterschiedliche Auffassungen darüber, wie der Vorschlag der Staatsanwaltschaft zu beurteilen ist, werden vor dem Gerichtssaal diskutiert und letztlich akzeptiert. In sechs aufeinanderfolgenden Monaten muss der Familienvater je 600 Euro an die Staatskasse überweisen. Bezahlt der Angeklagte die Strafe nicht, wird das Verfahren wieder aufgenommen.