Mehr denn je im Zeichen seines Namensgebers St. Nikolaus stand am Sonntag das Überlinger Münster. Beim großen Festgottesdienst zum Patrozinium und zum 100. Jubiläum der Wiedereröffnung des Gotteshauses nach 16-jähriger Sanierung im Jahr 1924 kennzeichnete Weihbischof Paul Wehrle den Schutzheiligen als „gütigen Menschenfreund“, der heute mehr denn je Vorbild sein sollte. Offenheit zu Austausch und Begegnung nannte der Theologe als ein wichtiges Element der Gesellschaft, das zu Brückenbau, Gerechtigkeit und Frieden beitrage. Wehrle zelebrierte den Gottesdienst gemeinsam mit Pfarrer Bernd Walter und Diakon Lukas Nagel.
Eingebettet war die Liturgie in eine anspruchsvolle musikalische Begleitung durch Mitglieder des Münsterchores und der Münsterkantorei sowie das Münsterorchester unter der Leitung von Kirchenmusikdirektorin Melanie Jäger-Waldau mit Chören aus Franz Schuberts Messe in C. Als Solisten zu hören waren Isabell Marquardt, Nicola Fazler, Markus Kimmich und Hermann Locher neben Martin Weber an der Orgel.
Weihbischof Paul Wehrle löst Versprechen ein
Mit seinem Besuch habe der emeritierte Weihbischof und Theologie-Professor ein vier Jahre altes Versprechen eingelöst, erklärte Pfarrer Bernd Walter in seiner Begrüßung. Damals habe Wehrle eine Einladung nach Überlingen ausgeschlagen. Walter erwähnte die Verbundenheit mit Paris, das zeitgleich die Wiedereröffnung von Notre Dame feierte. Dort sei man zwar mit fünf Jahren Sanierungszeit schneller gewesen als Überlingen vor hundert Jahren, doch die Zeiten seien heute auch andere.
Noch habe man heute mit dem Gerüst am Stauder-Gemälde unmittelbar vor dem Chorraum vorliebnehmen müssen, sagte Pfarrer Bernd Walter zum Abschluss des Gottesdienstes in seinen Dankesworten. Doch die Kirche selbst sei ja eine stete Baustelle. 88 Quadratmeter groß sei das berühmte Gemälde und täglich werde die Fläche eines DIN-A4-Blattes restauriert, gab Walter als kleine Mathematik-Aufgabe mit auf den Weg. Jeder möge selbst ausrechnen, ob die Arbeiten bis zum nächsten Patrozinium abgeschlossen sein könnte.

Trachtenbund beendet Jubiläumsjahr
Am Festgottesdienst nahmen auch die Frauen des Trachtenbundes teil, für die das Patrozinium ebenfalls zugleich Abschluss ihres Jubiläumsjahres war. Der Trachtenbund war vor hundert Jahren mit der damaligen Wiedereröffnung des Münster am 6. Dezember ins Leben gerufen worden und hatte sein großes Fest aus Witterungsgründen schon im zurückliegenden Sommer gefeiert. Seine Reverenz erwies dem Gotteshaus auch die Schwerttanzkompanie Überlingen, die dem Münster und seinem Jubiläum zu Ehren ihren traditionellen Schwerttanz aufführten, wie Eric Hueber als 1. Platzmeister später betonte. Die übliche Erlaubnis dazu holte er dieses Mal bei Weihbischof Paul Wehrle, bei Pfarrer Bernd Walter und bei Oberbürgermeister Jan Zeitler.

Brücken des Friedens bauen
„Ein Ereignis jagt zurzeit das andere. Die Probleme türmen sich geradezu“, begann der Theologe Wehrle seine Predigt. „Worauf kann man sich da noch verlassen“, sagte er: „Wo gibt es noch Orientierung?“ Die Suche nach einer Identität und das Bemühen um Selbstvergewisserung seien immer mehr von „Ego-Mentalitäten“ geprägt, betonte Wehrle. Gesellschaftliche Gruppen kapselten sich gegeneinander ab, statt Bereitschaft zu Offenheit und einem Miteinander zu zeigen. Diese könne man in der Glaubensgemeinschaft und im Vertrauen auf Gott gewinnen.
„Bei Jesus bleiben“ und nach dessen Vorbild „Brücken des Friedens bauen“, das ist laut Weihbischof Wehrle ein Weg aus der gefühlten Überforderung. Es gelte, Gerechtigkeit zu leben und Mut zur Versöhnung zu zeigen. Das beste Beispiel habe St. Nikolaus, der Patron des Überlinger Münsters, gegeben. Er habe sich stets als Mensch der Güte und Freundlichkeit, ja als echter „Menschenfreund“ gezeigt, der auch heute noch als echtes Vorbild gelten könne.