Karin Hamester verkauft eine Idee. Seit Juni betreibt die Fränkin ein Pop-up-Geschäft in Überlingen, genauer gesagt: einen „Concept-Store“. Das bedeutet, sie will nicht nur Waren verkaufen, sie will „etwas zum Wohlfühlen“. Deshalb bietet sie neben Schuhen, Mode und Seifen auch Themenabende und Modenschauen an. Einkaufen sei zu selten ein Erlebnis, sagt sie.

Sie plaudere gern mit ihren Kunden, schenke ihnen Sekt oder Kaffee ein und unterstütze sie in der Stilfindung. Denn sie ist überzeugt, ihre hochpreisigen italienischen Schuhe könnten nicht nur die Menschen kleiden, sondern gleich auch ihr standfestes Inneres nach außen kehren. Wie die Menschen seien auch die Sneaker Unikate – wer will, kann seine Schuhe direkt selbst gestalten.

Die Rettung vor dem Leerstand?

Vier Monate, von Juni bis September, verkauft sie gemeinsam mit Regine Volk ihre Waren auf der Hofstatt. Pop-up-Geschäfte wie dieser werden als mögliche Rettung für den Leerstand in der Überlinger Innenstadt betrachtet. Auch auf dem Internetauftritt der Stadt wird damit beworben, sich mit seinen Ideen für ein Kurzzeitgeschäft zu melden. Hamesters und Volks Geschäft ist nun nach Angaben von Wirtschaftsförderer Stefan Schneider der erste seiner Art in Überlingen. Doch in ihrer Erzählung nach über einem Monat Betrieb ist die Ernüchterung kaum zu überhören. Zur Eröffnung habe sie Flyer verteilt, auch an die Stadtverwaltung. Gekommen sei niemand. Nur die Nachbarn wünschten gutes Gelingen. „Da stellt sich schon die Frage, wie wertvoll sind wir?“, fragt Karin Hamester.

Seit Juni verkaufen Karin Hamester und Regina Volk hier ihre Waren. Nach über einem Monat Betrieb fällt das Fazit eher verhalten aus. ...
Seit Juni verkaufen Karin Hamester und Regina Volk hier ihre Waren. Nach über einem Monat Betrieb fällt das Fazit eher verhalten aus. Die Liegestühle stellt die städtische Wirtschaftsförderung zur Verfügung, um Sichtbarkeit herzustellen. | Bild: Rasmus Peters

Wirtschaftsförderer Schneider erwidert auf Anfrage: „Leider fand die Eröffnung in der Urlaubszeit statt, und die Einladungen wurden recht kurzfristig, nur vier Tage vor dem Event, verschickt.“ Zur Erhöhung der Sichtbarkeit und als Zeichen der Wertschätzung habe die Stadt zwei Überlingen-Liegestühle zur Verfügung gestellt. Zudem stehe Schneider bereits seit Anfang des Jahres mit den Unternehmerinnen, der Maklerin und den Eigentümern in Kontakt, um die Umsetzung des Stores zu begleiten.

Stefan Schneider, Wirtschaftsförderer der Stadt Überlingen.
Stefan Schneider, Wirtschaftsförderer der Stadt Überlingen. | Bild: Hilser, Stefan

Denn, so das Ziel der Stadtverwaltung, im Idealfall etabliert sich das Geschäft und bleibt dauerhaft. Für Regine Volk ist das allerdings keine Option. „Dafür habe ich gar nicht genug Ware“, sagt sie. Die Rucksäcke werden in Portugal von zwei Personen handgefertigt. Die könnten nicht ausreichend herstellen, erläutert Volk. Was den Einkauf angeht, erleben Hamester und Volk die Überlinger außerdem eher zurückhaltend. „Hauptsächlich verkaufen wir an Touristen“, sagen sie.

Aus Ravensburg nach Überlingen

Der Kontakt mit Karin Hamester kam über den Wirtschaftsförderer in Ravensburg zustande, da beide ähnliche Produkte verkaufen. „Je ausgeflippter das Modell, desto schneller ist es weg“, schildert Volk. Sie selbst komme aus einer Schneiderfamilie, erzählt sie. Schon immer habe sie sich für Mode interessiert. Bei BMW habe sie als Controllerin gearbeitet und dort Betriebswirtschaft gelernt. Vor etwa einem Jahr betrieb sie kurzfristig ihren ersten Pop-up-Store in Isny im Allgäu, wo sie lebt. Weil der gut ankam, wollte sie erneut ein Geschäft eröffnen. Überlingen ist für sie nun ein neues Pflaster. Nun fährt sie an den Öffnungstagen Donnerstag bis Samstag hin und her.

Karin Hamester (links) und Regine Volk in ihrem Geschäft.
Karin Hamester (links) und Regine Volk in ihrem Geschäft. | Bild: Rasmus Peters

Dass sie hier eröffnete, geht auf Regina Volk zurück. Die verkaufte in Ravensburg die Lederwaren aus portugiesischer Herstellung auf dem Wochenmarkt. Schließlich war es ihr Sohn, der sie fragte, ob sie nicht auch mal woanders verkaufen wolle, erzählt Volk. Ihre Antwort: „Wenn, dann in Überlingen.“

Hürde: Sonntagsverkauf

Über eine Maklerin fand sie das leer stehende Geschäft auf der Hofstatt. Die Fläche mieten sie beim Eigentümer. Auf die Anfrage, dass sie gern sonntags verkaufen würden, hieß es nach Schilderung Hamesters und Volks: Sie sollten auflisten, was sie anbieten. Fällt das nicht unter die Auflagen für ein Sonntagsangebot, droht eine Strafe: 10.000 Euro. Aus Furcht, die Angemessenheit, doch zu übertreten, und dadurch einer Strafe von 10.000 Euro aufzuliegen, ist die Hemmschwelle hoch. Nach Stadtangaben ist der Antrag inzwischen eingegangen. Sollte das Sortiment den Vorgaben entsprechen, steht laut Stadtverwaltung einer Sonntagsöffnung nichts im Wege.

Diese Tafel macht auf das Geschäft aufmerksam. Das ist nach Stadtangaben nicht regelkonform, da es keine Hinweise auf konkrete Angebote ...
Diese Tafel macht auf das Geschäft aufmerksam. Das ist nach Stadtangaben nicht regelkonform, da es keine Hinweise auf konkrete Angebote enthält. | Bild: Rasmus Peters

Dennoch kommt die Sorge nicht von ungefähr: Hamester schildert ein Erlebnis, dass sie ein Bußgeld bekam, weil sie zu lange vor ihrem Geschäft parkte. Als sie die Strafe akzeptierte, sei sie jedoch noch barsch zurechtgewiesen worden, erzählt sie. Die Stadtverwaltung bestätigt den Vorfall auf Anfrage, will ihn aber nicht kommentieren. Auch der Aufsteller, der auf das Geschäft aufmerksam macht, sei nur erlaubt, um Sonderangebote auszuschreiben. Tatsächlich bestätigt die Stadt, dass derlei Tafeln im öffentlichen Raum nur unter der Voraussetzung erlaubt sind, dass sie auf konkrete Angebote hinweisen.

Verhaltenes Fazit

Doch weil Hamester liebe, was sie tut, freut sie sich jeden Tag aufs Neue, sagt sie. 10.000 Euro hat sie in ihren „Concept-Store“ auf der Hofstatt investiert. Es wäre noch mehr, wenn sie nicht bereits ihr Warenlager in Isny hätte. Ohne Rücklagen, wäre ein solches Geschäft ohnehin kaum möglich, sagt Hamester. Stand jetzt ist ihre anfängliche Euphorie über ihren eigenen Laden gesunken. „Ich wollte es ausprobieren“, sagt sie. Ausreichend Umsatz mache sie zwar, doch beispielsweise ihr angebotener Themenabend fand so wenig Interessenten, dass die Veranstaltung ausfiel.

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Sie hält fest: „Wenn es beim Publikum nicht ankommt, muss ich mein Konzept anpassen oder den Standort ändern.“ Regine Volk will noch die verbleibenden Monate abwarten, um ein Fazit zu ziehen. Sie habe ihre Kunden vor allem in Ravensburg. Dennoch könne sie sich den Standort Überlingen auch künftig vorstellen.