Überlingen Romeo schnarcht im Ehebett so laut, dass Julia die kosmetischen Gurkenscheiben von den Augenlidern rutschen. Die tragischen Helden sind nicht tot. So wollte es Schriftsteller Ephraim Kishon in seinem Stück „Es war die Lerche“, um sich dann absurde Geschichten und Szenarien auszudenken, die dann hätten geschehen können. Romeo und Julia als gesetztes Ehepaar, das einander nicht zuhören kann, wo jeder nur um sich selbst und seine eigenen Probleme und Wünsche kreist – und damit das Publikum erheitert.

„Plié – tendu – plié – tendu“: Er tänzelt als Ballettlehrer über die Bühne und liebkost seine Wärmflasche. Sie langweilt sich und sehnt sich allenfalls nach einem Mädchen für die Hausarbeit. An Loriotsche Dialoge fühlt sich der Zuschauer schon beim Kaffee erinnert, den Julia ihrem „Momo“, wie sie ihn nennt, serviert. „Der Kaffee ist kalt“, sagt er. Sie kontert: „Er war nicht kalt, als ich ihn dir hingestellt habe.“ Er insistiert: „Jetzt ist er aber kalt.“ – „Vielleicht kühl.“ Noch intensiver entbrennt der Disput beim Streit um die Quelle des morgendlichen Vogelgezwitschers. War es nun die Nachtigall oder doch die Lerche? „Momo“ erinnert seine Julia: „Wir haben heute den 30. Hochzeitstag.“ Sie ist überrascht und rechnet nach: „Am 16. Oktober 1594 haben wir Selbstmord begangen. Stimmt‘s?“ Er gibt klein bei: „Na gut, dann sind es eben erst 29 Jahre und 8 Monate. Das ist aber auch eine ganz schöne Zeit.“ Und Romeo blendet kurz zurück: „Hättest du damals auf dem Friedhof eine Minute später die Augen aufgemacht, ich hätte gedacht, du bist tot.“

Das Spiel mit der Sprache, mit italienischen Einsprengseln, mit Shakespeare-Zitaten aus anderen Dramen oder mit überzeichneten Charakteren bietet immer wieder überraschende Brüche und Wendungen, die sehr amüsant sind. Mal ist die Zeit aus den Fugen geraten, mal geht es um Sein oder Nichtsein. Bei einem Traumpaar, das sich durch seinen Tod eigentlich unsterblich gemacht hatte. Wäre es von Kishon nicht wieder zum Leben erweckt worden. Da hilft es auch nichts, dass ihr Schöpfer, der gute alte William S., mit lautem Getöse wie ein Phönix aus dem Nebel persönlich auftaucht und sich in den Konflikt einmischt, den er am Ende noch schürt. Am Ende müssen sich Romeo und Julia noch hinterrücks selbst ihr eigenes Ende einläuten. Doch als sie dies bereuen, ist es schon zu spät. „Ich habe dich vergiftet“, gesteht Julia ihrem Gatten und Romeo staunt nicht schlecht: „Ich dich auch.“

Die drei Schauspieler Andreas Erfurth, Regina Gisbertz und Martin Radecke spielen mit eleganten Wechseln drei weitere Rollen: Die pubertierend aufmüpfige Tochter Lucretia, kurz „Luci“, die ihre Eltern nicht nur mit E-Gitarrenklängen zudröhnt, sondern nach ihrer Flucht noch Briefe an ihre „widerlichen Eltern“ schreibt. Die Amme, in die sich Romeo verliebt, und der Franziskanerpater Lorenzo, der Ophelia alias Julia ins Kloster schickt mit dem Hinweis: „Dort sind die jungen Männer schweigsam.“ Oder Shakespaere selbst, der Lucretia, die Tochter von Romeo und Julia anbaggert und dann mit ihr durchbrennt. Doch ist Julia überhaupt die Mutter? Ist Romeo der Vater? Auch das wird intensiv diskutiert, bleibt aber ungeklärt. Dem einen oder anderen Shakespeare-Fan mag die Fortsetzung des Dramas durch Kishon zu respektlos gewesen zu sein. Doch es war ein perfektes Sommertheater und höchst unterhaltsam.