Ärger mit der Justiz bekommt nicht der Schläger, sondern wahrscheinlich der Geschlagene. Der 34-Jährige hatte Fotos von Ermittlungsakten an einen Zeugen weitergeleitet und versucht, dessen Aussage vor Gericht zu beeinflussen.

Kein Zweifel besteht daran, dass es mindestens diesen einen Faustschlag gegeben hat, den der Angeklagte in seiner Aussage einräumte. Unstrittig sind auch die blutigen Folgen des Schlags, die die an jenem Abend im Juni 2024 herbeigerufene Polizei dokumentiert hat: eine Schnittwunde über dem Auge, ein blaues Auge und das gebrochene Nasenbein.

Opfer spricht von „Hagel von Schlägen und Tritten“

Über den Ablauf und den Hintergrund des Geschehens hörte das Gericht unterschiedliche bis widersprüchliche Versionen. Der vermeintliche Täter gab an, er habe sich nur verteidigt. Das vermeintliche Opfer berichtete, ein Hagel von Schlägen und Tritten sei auf ihn eingeprasselt, selbst dann noch, als er schon am Boden gelegen habe.

Die beiden Kontrahenten kennen einander. Sie verbindet eine längere Geschichte von Beleidigungen und Bedrohungen auf Instagram und per Nachricht aufs Mobiltelefon. Nach Darstellung des 28-Jährigen gingen diese verbalen Ausfälligkeiten ausschließlich vom 34-Jährigen aus. Als ihm nun an jenem Abend gegen 19.45 Uhr auf der Uhldinger Bahnhofstraße der 34-Jährige entgegenkam, habe er ihn zur Rede stellen wollen. Sein Kontrahent sei sogleich aggressiv zu geworden, habe sein T-Shirt zerfetzt und ihm seine Bauchtasche vom Leib gerissen. Mit dem Faustschlag habe er sich zur Wehr gesetzt.

Das könnte Sie auch interessieren

Opfer und Angeklagter schildern die Tat unterschiedlich

Aus Sicht des 34-Jährigen war der Hergang ein anderer. Sein Kontrahent habe ihm den Weg versperrt und zugeschlagen. Beim Versuch aufzustehen, habe er sich an das T-Shirt und die Tasche des anderen geklammert und sie dabei zerrissen.

Seine Darstellung, insbesondere die angeblichen Tritte, ging weit über das hinaus, was er bei der Polizei zu Protokoll gegeben hatte. Seiner Sache half nicht, dass er auf Nachfragen vor Gericht zunehmend aggressiv reagierte – wie ein „amtsbekannter Gewalttäter“, als den ihn Richter Alexander von Kennel vor seinem Auftritt im Zeugenstand eingeordnet hatte.

Freispruch wegen Notwehr

Dem Gericht lagen Screenshots seiner Internet-Beleidigungen vor, „wüste Beschimpfungen“ laut Anwalt Franz Dichgans, Verteidiger des Angeklagten. Auch die an einen Zeugen weitergeleiteten Ermittlungsakten hatten einen Weg zur Verteidigung und damit zum Gericht gefunden. Nicht zuletzt konnte kein Zeuge die Version des vermeintlichen Opfers bestätigen. Niemand hatte Tritte gesehen, auch nicht der Begleiter des 34-Jährigen an jenem Abend.

Das könnte Sie auch interessieren

Alexander von Kennel sah schließlich einen „durch Notwehr gerechtfertigten Faustschlag“ und darüber hinaus nichts Justiziables. Er sprach den Angeklagten frei. Die Staatsanwaltschaft wird sich jetzt mit den weitergeleiteten Fotografien von Ermittlungsakten befassen. Derartige Dokumente eines laufenden Strafverfahrens weiterzugeben, ist strafbar. Diese Regelung dient dem Schutz der Unbefangenheit der Verfahrensbeteiligten und der Persönlichkeitsrechte der Betroffenen.