Ob als Hüter städtischer Geschichte und Pfleger regionaler Kunst im Museum oder als Schauspieler auf der Narrenbühne, ob als aktiver Feuerwehrmann oder Trommler bei den Spielleuten der Schwerttanzkompanie – alles, was Manfred Graubach anpackte, tat er leidenschaftlich und mit Begeisterung – dann war er nicht nur dabei, er war mittendrin.
Der langjährige Kustos des Museums im Reichlin von Meldegg‘schen Patrizierhaus war eine Überlinger Persönlichkeit, immer den Schalk im Nacken und irgendwie kannte ihn jeder, der der Stadt verbunden war. Jetzt ist Manfred „Manne“ Graubach gestorben. Er wurde 86 Jahre alt. Trotz schwerer letzter Monate verlor er dennoch eines bis zum Ende nicht, was ihn durch sein Leben getragen hatte: seinen Humor.
„Wir sind alle Holzwürmer. Mein Vater war Schreiner, mein Schwiegervater, mein Schwager ist Schreiner und auch mein Sohn Peter hat gerade den Meister gemacht.“Manfred Graubach, Museumskustos, im Gespräch mit dem SÜDKURIER 1990
Schon als Vierjähriger turnte er durch das Museum
Als Kustos des Museums wurde Manfred Graubach selbst zu einem Teil der Überlinger Geschichte. Er war gerade einmal vier Jahre alt, als er begann, den verwinkelten Renaissance-Bau mit seinen 26 Räumen zu erkunden. Denn schon sein Vater Fritz Graubach war Museumskustos, den Schreiner hatte es einst auf der Walze an den Bodensee und nach Überlingen verschlagen, ab 1938 arbeitete im Museum. Und weil die Kustoden dort mit ihren Familien auch wohnen, eröffnete sich dem 1935 in Überlingen geborenen kleinen Manfred bald eine wunderbare Welt. Schon als kleiner Junge turnte er durch die Gänge oder auch mal auf dem Dach herum, wie er später oft mit breitem Grinsen erzählte.

Manfreds Spielplatz war der Museumsgarten mit der bekannt schönsten Aussicht über Stadt und Überlinger See – in einer Anlage, die zurückgeht auf Andreas Reichlin von Meldegg (1402 bis 1477), Leibarzt Papst Pius II., der Garten wie Haus nach italienischen Vorbildern seiner Zeit gestalten ließ.
Erfahrungen in Konstanz, der Schweiz und bei Alno
Nach dem Schulabschluss absolvierte Manfred Graubach eine Schreinerlehre und sammelte dann Erfahrungen als Schreinermeister in Konstanz, in der Schweiz und bei der Firma Alno in Pfullendorf. In einem SÜDKURIER-Artikel über sich von 1990 beschrieb Manfred Graubach: „Wir sind alle Holzwürmer. Mein Vater war Schreiner, mein Schwiegervater, mein Schwager ist Schreiner und auch mein Sohn Peter hat gerade den Meister gemacht.“
Die Nachfolge des Vaters als Kustos trat er 1971 an
1971 trat Manfred Graubach als Kustos des Museums die Nachfolge seines Vaters Fritz Graubach an. In den folgenden 27 Jahren war Manne Graubach Mädchen für alles im Reichlin-von-Meldegg-Haus. Er und die Familie mit Frau Renate, Tochter Kerstin und Sohn Peter lebten rund um die Uhr mit und für das Haus mit seinen Pretiosen, 365 Tage im Jahr – das wird von der Familie des Kustos schon aus Sicherheitsgründen erwartet. Die Tochter pflegte zahllose Stunden die größte Puppenstubensammlung Deutschlands. Und der Sohn wuchs von Kindesbeinen in die Rolle, die ihm die Stadt dann 1998 übertrug. Peter Graubach bekleidet das Kustodenamt in der dritten Generation und entwickelt das Erbe von Vater und Großvater weiter – tatkräftig unterstützt von Ehefrau Bozena.

Auch das Raumreinigungsgeschäft gehörte zum Alltag der Familie und zu Manfreds. Einmal habe sich ein Besucher fürchterlich über Staubsaugergeräusche aufgeregt. Wenn er nicht aufhöre, beschwere er sich beim Chef. „Das können Sie gerne“, sagte der weiter staubsaugende Manne Graubach, „denn der bin ich hier...“
Charmanter, schlagfertiger Schreinermeister – und Künstler
Ja, im Museum war er – ungeachtet der Vorgesetzten im Kulturamt und Rathaus – sein eigener Chef. Eine Rolle, die dem ebenso charmanten wie schlagfertigen Schreinermeister niemand streitig gemacht hätte. Er war ja einerseits ein äußerst geschickter Handwerker, der mit so ziemlich jedem Werkstoff umgehen konnte. An der Hobelbank aber, wenn er mit Holz arbeitete, war der Handwerker auch Künstler. Restaurierte Biedermeier-Vitrinen, intarsierte Schränke oder er lüftete die Geheimnisse eines Empire-Kirschbaumsekretärs mit raffinierter Zentralverriegelung, bei dem der Schlüssel abhanden gekommen war.
Manfred Graubach war Kustos, lateinisch Wächter, und er war Kurator, Pfleger und Kümmerer in den Sammlungen, die mit Werken etwa eines Jörg Zürn oder Joseph Anton Feuchtmayer weit bedeutender sind, als es der lange gebrauchte Name „Heimatmuseum“ erahnen ließ, das auch nicht zu Werken von Meister Heinrich aus Konstanz passen mag – der auch im Louvre oder dem New Yorker Metropolitain Museum of Art ausgestellt ist. Inmitten in dieser Weltkunst wurde Manfred Graubach im Laufe der Jahre zu einem derartige Kenner, dass seine Meinung auch bei Kunsthistorikern und Restauratoren gefragt war.
Narrenpolizist und Schwertletänzer
Seiner Heimatstadt Überlingen war Manfred Graubach nicht nur durch das Museum eng verbunden. Er war auch Teil ihrer Traditionen und Bräuche. 1966 wurde er Mitglied der Narrenzunft und der Narrenrat verkörperte von 1970 bis 1993 einen von zwei Narrenpolizisten – auch in der Uniform übrigens trägt Sohn Peter das Erbe des Vaters mit demselben Mutterwitz weiter. Und man kannte Manne als Akteur auf der Narrenbühne, von 1971 bis 1990 wirkte er im Narrenkonzert mit.
Jahrzehnte lang hielt er auch als Trommler der Schwerttanz-Kompanie diese Überlinger Tradition lebendig. Musik machte er aber auch als der „Banjoman“ in der Dampfkapelle und im Kilt mit den Schotten. Bereits 1963 war er Gründungsmitglied des 1963 ins Leben gerufenen Spielmanns- und Fanfarenzugs der Freiwilligen Feuerwehr – und er diente der Allgemeinheit auch als aktiver Feuerwehrmann.
Fasnet, Musik und Sport hielten ihn bis ins hohe Alter fit
Mit Fasnet, Musik und Sport, seinem geliebten Tennis, hielt er sich bis ins hohe Alter fit. Das erzählte er 2019, mit fast 84, als er mit seiner Frau Renate diamantene Hochzeit feierte. Wie sich die beiden kennenlernten, ist bezeichnend für den geselligen Unterhalter. Renate Graubach ist in Beuthen/Oberschlesien geboren und kam als erwachsene Frau als Kurgast nach Überlingen, bei einem Tanzvergnügen fiel sie Manfred Graubach ins Auge.

Genüsslich bereitete er eine Pointe vor
Wenn Manfred Graubach an den Stammtisch einer Weinstube oder in eine Gasthausrunde kam, hatte er sich nach wenigen Sätzen in den Mittelpunkt gebracht und gerne gab er mit großem schauspielerischen Talent den Witzeerzähler, der stets einen frechen, nicht immer jugendfreien Spruch auf den Lippen hatte. Wer ihn kannte, vergisst dabei nicht, wie genüsslich er eine Pointe vorbereitete, Pausen setzte und immer wieder vergnügt und neugierig die Reaktion seines Gegenübers abwartete. Sein Repertoire an Anekdoten und Liedern, die er auch auf der Gitarre oder dem Banjo begleitete, schien unerschöpflich.
Die Trauerfeier für Manfred Graubach mit anschließenden Urnenbeisetzung findet am Donnerstag, 19. Mai, 14 Uhr, auf dem Überlinger Friedhof statt