Die Umsturzpläne, die in bestimmten Zirkeln der sogenannten Reichsbürger geschmiedet wurden, klingen naiv. Harmlos sind sie aus Sicht des Generalbundesanwaltes nicht. Er betrachtet die um Heinrich XIII. Prinz Reuß gebildete Gruppe als eine terroristische Vereinigung. Zu ihr soll auch die aus Frickingen stammende Johanna Findeisen zählen. Am Montag wurde sie festgenommen, mittlerweile wurde ihr Haftbefehl vom zuständigen Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs in Vollzug gesetzt.
Findeisen war Bundestagskandidatin der Partei Die Basis im Bodenseekreis. Ihre Partei äußerte sich trotz mehrfacher Anfrage bislang nicht zu der Verhaftung und den Vorwürfen der Bundesanwaltschaft. Öffentlich bekannt wurde Findeisen während der Corona-Pandemie als Rednerin bei verschieden Montagsdemonstrationen. Von 2016 bis 2018 war sie an der Waldorfschule Überlingen Mitglied der Elternkonferenz. „Seit ihrem Ausscheiden 2018 hat sie keinerlei weitere Tätigkeit oder Mitarbeit in der Schule ausgeübt“, teilte die Schule mit.
Suchte Findeisen Kontakt zum Kreml?
Nach einer Razzia in ihrem Wohnhaus im Dezember wurde Johanna Findeisen am Montag, 22. Mai in Frickingen festgenommen. Nach der Sicherung von Beweismaterial ist die Bundesanwaltschaft davon überzeugt, dass Findeisen zum engeren Kreis von Prinz Reuß zählte. Sie sei Mitglied eines sogenannten Rates gewesen, der nach dem geplanten Umsturz „mit den alliierten Siegermächten des Zweiten Weltkriegs über eine neue staatliche Ordnung verhandeln sollte“, so die bisherigen Ermittlungsergebnisse.
Laut Bundesanwaltschaft bestehe gegen Findeisen der dringende Tatverdacht, dass sie sich seit Mai 2022 mehrfach mit Führungsmitgliedern der Vereinigung getroffen hat. Zudem habe sie spätestens seit November 2022 Kontakt zur Russischen Föderation gesucht, sich zwei Mal mit einem Generalkonsul getroffen, mit dem Ziel, sich im Kreml Unterstützung für die Umsturzpläne zu holen. Wie Findeisen auf ihrer Homepage mitteilt, spricht sie Russisch.
SPD sieht in Verhaftung einen „Weckruf“
Die SPD Bodenseekreis äußert sich bestürzt über die Ermittlungsergebnisse „gegen eine politisch Aktive hier vom See“. Sie wertet es als einen Weckruf, wonach die Demokratie auch in kontroversen Zeiten „ständig neu verteidigt werden muss“. In einer vom SPD-Kreisvorsitzenden Leon Hahn versandten Pressetext heißt es: „Wir müssen anerkennen, dass auch bei uns nicht hinnehmbare, demokratiefeindliche Positionen in manchen Teilen gesellschaftsfähig sind.“
Es genüge nicht, darauf zu setzen, dass der politische Betrieb es selbst richten und die Justiz Schlimmeres verhindern werde. Leon Hahn: „Wir alle sind gefragt, zu widersprechen, wenn teils krude und offen verfassungsfeindliche Meinungen formuliert oder offenkundige Fake News verbreitet werden. Es mag anstrengend sein, im Kollegen-, Freundes- oder Familienkreis zu widersprechen, zu diskutieren und richtig zu stellen. Je mehr wir aber kopfschüttelnd schweigen, desto mehr Erfolg haben Demagogen, Populisten und Verfassungsfeinde.“
Bundesvorsitzender kritisiert Namensnennung
Sven Lingreen, Bundesvorsitzender der Partei Die Basis, betont in einem Schreiben an unsere Redaktion, dass für Findeisen die Unschuldsvermutung gelte. Eine Namensnennung sei deshalb nicht statthaft. Inhaltlich äußert er sich nicht zur Sache – er beschränkt sich stattdessen auf die Debatte um die Namensnennung. Johanna Findeisen steht aus freien Stücken in der Öffentlichkeit als Bundestagskandidatin der Partei, auf deren Homepage wird sie nach wie vor als Direktkandidatin geführt. Sie trat zigfach öffentlich in Erscheinung und erzählte bei einem so genannten Montagspaziergang im Januar in Ravensburg selbst von der Razzia Anfang Dezember. Bei einer Begegnung mit ihr, wenige Stunden nach dieser Razzia, sagte sie dem SÜDKURIER: „Alles ist gut.“ Zur Durchsuchung wolle sie sich öffentlich allerdings nicht äußern.
Aus all diesen Faktoren ergibt sich ein hohes öffentliches Interesse, das eine so genannte identifizierende Berichterstattung bei einer Person in herausgehobener Position in der Öffentlichkeit rechtfertigt. Zudem geht es hier um den Vorwurf der Bildung einer terroristischen Vereinigung. Auch besondere Umstände einer vorgeworfenen Straftat ergeben ein gewichtiges Informationsinteresse der Öffentlichkeit. Auch Heinrich Prinz Reuß wird namentlich genannt, ebenso die frühere AfD-Abgeordnete Birgit Malsack-Winkemann.
Der Landesverband der Partei sieht die Sache mit der Namensnennung offenbar anders als der Bundesvorsitzende. Im Dezember berichtete der Landesverband unter voller Namensnennung über die Razzia bei Findeisen, um klarzustellen, dass „Johanna Findeisen sich als überzeugte Demokratin“ gezeigt habe, „die fest auf dem Boden des Grundgesetzes steht“. Eine aktuelle Anfrage an den Landesverband blieb bislang unbeantwortet, ebenso eine schriftliche Anfrage an Findeisen vom Dezember.