Die Ermittler rücken mit mehreren Limousinen und einem Mannschaftswagen an. Noch im Schutz der Dunkelheit umstellen sie das Wohnhaus von Johanna Findeisen im kleinen Frickingen am Bodensee. Dann brechen sie gewaltsam die Türe auf.
Es ist Mittwochmorgen, Deutschlands oberste Ermittler bündeln ihre Kräfte zur Verteidigung der Demokratie. 3000 Beamte des Bundeskriminalamts durchkämmen 150 Häuser auf der Suche nach Beweismaterial zu den mutmaßlichen Umsturzplänen einer als terroristisch eingestuften Gruppierung um den sogenannten Reichsbürger Heinrich XIII. Prinz Reuß. 25 Personen, darunter 23 Männer, werden vorläufig festgenommen.
Johanna Findeisen bleibt auf freiem Fuß. Sie sagte am Donnerstag auf Vorhalt des SÜDKURIER: „Alles ist gut.“ Zu der Razzia wolle sie sich öffentlich allerdings nicht äußern.

Zusammenhang zu Prinz Reuß unklar
Die bundesweiten Razzien am Mittwoch hatten einen Schwerpunkt in Baden-Württemberg. Auch das Wohnhaus der in Frickingen lebenden Johanna Findeisen wurde auf den Kopf gestellt. Es blieb der Dorfgemeinschaft natürlich nicht verborgen, dass die Ermittler stundenlang Beweismaterial sicherten. Vor dem Haus standen Karosserien mit Kennzeichen aus ganz Baden-Württemberg und ein Mannschaftswagen der Polizei. Ob es hier einen Zusammenhang zu den mutmaßlichen Umsturzplänen der Gruppierung um Prinz Reuß gibt, ist aber noch völlig offen.
Eine nahe Angehörige von Johanna Findeisen wurde nach der Razzia im Dorf gesehen, wie sie klarzustellen versuchte, dass es sich bei den Ermittlungen um ein Missverständnis handeln müsse und Findeisen nichts mit den angeblichen Terrorplänen zu tun habe.
Wer ist Johanna Findeisen?
Johanna Findeisen war Bundestagskandidatin der Partei ‚Die Basis‘, sie zeigte sich immer wieder in der Öffentlichkeit bei Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen. Ihren Beruf gibt sie als Coach für Persönlichkeitsentwicklung und Supervision an, außerdem als Dozentin für Teamentwicklung und Interkulturelle Kompetenz. Sie ist geschieden und Mutter von drei erwachsenen Kindern.
Auf ihrem Facebook-Profil verbreitet sie Verschwörungstheorien über Corona-Schutzimpfungen und setzte sich kritisch mit den staatlich verordneten Maßnahmen auseinander. So verbreitete sie die widerlegte Behauptung, dass vom Pfizer-Impfstoff „eine fast 100-prozentige Todesrate unter ungeborenen Kindern bei Schwangeren“ ausgehe. Diesen Bericht entnahm sie der rechtsgerichteten Plattform „Unser Mitteleuropa“, der einem Faktencheck nicht standhält.

Keine augenfällige Nähe zu Reichsbürgern
Von einer direkten Nähe zu den Reichsbürgern ist bei Findeisen öffentlich nichts erkennbar. Weder deuten ihre öffentlichen Äußerungen darauf hin, noch ist bei ihrem Wohnhaus in Frickingen ein Symbol erkennbar, das auf eine Unterstützung der Reichsbürger-Bewegung hindeuten würde. Eine Facebook-Nutzerin, die mit Findeisen in Kontakt steht, sie von der Parteiarbeit bei der „Basis“ kennt und die ihre Beiträge mit erhobenem Daumen fleißig gutheißt, sagte auf SÜDKURIER-Anfrage: „Sie ist ganz sicher keine Reichsbürgerin. Sie schürt keine Spaltung.“
Weitere Razzia, aber keine Festnahmen im Bodenseekreis
Die Ermittlungen laufen beim Generalbundesanwalt zusammen. Ein Sprecher der Karlsruher Behörde bestätigte lediglich, dass vier Objekte im Bodenseekreis durchsucht wurden. Zwei Objekte könnten einer beschuldigten Frau zugewiesen werden, „zwei weitere Objekte stehen in Zusammenhang mit einem Mann, der nicht als Tatverdächtiger geführt wird“. In den Fällen, in denen kein Haftbefehl erlassen wurde, könne es sich um Beschuldigte handeln, gegen die kein dringender Tatverdacht besteht, oder bei denen der Tatvorwurf nicht so gravierend ist. „Fakt ist, wir hatten keine Festnahmen im Bodenseekreis.“

Erst im Frühjahr 2021 politisiert
Die gelernte Krankenschwester Johanna Findeisen gibt an, dass sie erstmals im Frühjahr 2021 politisch aktiv geworden sei. Wie Frickingens Bürgermeister Jürgen Stukle auf Anfrage sagte, sei Findeisen in den vergangenen Jahren politisch in der Gemeinde nicht in Erscheinung getreten, auch nicht bei Bürgerbeteiligungsprozessen.
Ihre kritische Haltung gegen die staatliche Ordnung war in der Dorfgemeinschaft allerdings bekannt – und so machten Details zu der Razzia in der Gemeinde schnell die Runde. Nachdem die Ermittler ihre Arbeit getan, Findeisen befragt und Beweismaterial mitgenommen hatten, so hieß es, sei ein Handwerker angerückt: Er reparierte die Haustüre, die am frühen Morgen von der Polizei gewaltsam aufgebrochen wurde.