Nach dem Narrentreiben von Hänsele und Besuchern am Samstagabend in der Überlinger Innenstadt wird die Aktion bei den Bürgern rege diskutiert. Einige stellen das Verhalten der Menschen in Frage, die sich zwischen Hänselebrunnen, Franziskanertor und Hofstatt ansammelten. Wieder andere bezeichnen den Einsatz der Polizei an diesem Abend als „unverhältnismäßig“.
Hänsele Herbert Künst kritisiert Verhalten der Polizei
So auch Herbert Künst, der am Samstagabend als Hänsele in der Überlinger Innenstadt unterwegs war. „Ich war nicht lange in der Stadt, wollte aber ein Bild von mir auf der Hofstatt am Narrenbaum machen“, erzählt der 56-Jährige im Gespräch mit dem SÜDKURIER. Seit mehr als 40 Jahren ist Künst Mitglied der Überlinger Narrenzunft. Die Fasnet sei ihm wichtig, betont er.
Umso weniger Verständnis hat Herbert Künst für den Einsatz der Polizei am Fasnetssamstag. „Nach nur wenigen Minuten auf der Hofstatt kamen zwei Polizisten zu mir, fragten nach meinem Ausweis und erteilten mir einen Platzverweis“, berichtet er. Dabei habe er sich, so sagt er, an die geltenden Corona-Regeln gehalten und keinen Kontakt zu Menschen gehabt.

„Wieso konnte die Polizei nicht einfach eine Durchsage machen und uns bitten, nach Hause zu gehen? Ich wäre ohnehin nicht mehr lange geblieben und war quasi schon fast auf dem Heimweg“, sagt der 56-Jährige. „So wurden meine Personalien aufgenommen und ich werde wohl abwarten müssen, ob ich eine Anzeige bekomme oder nicht.“
Polizei löste Narretei in der Innenstadt auf
Während die Polizei das Treiben der Narren in der Fasnetshochburg Villingen duldete, lösten die Beamten in Überlingen die Narretei auf, indem sie Platzverweise an Hänsele erteilten und Anzeigen wegen Ordnungswidrigkeiten erstatteten.
Dass den Überlinger Polizisten, die in Zusammenarbeit mit Beamten aus Göppingen im Einsatz waren, „unverhältnismäßiges Handeln“ vorgeworfen wird, nimmt das Polizeipräsidium Ravensburg „mit Befremden zur Kenntnis“.

Bereits im Vorfeld der närrischen Tage habe es zwischen dem Landkreis, den Gemeinden, den großen Narrenzünften im Bodenseekreis und der Polizei die Einigung gegeben, „dass es in diesem Jahr keine Fasnet in Präsenzform geben kann“. Denn der Gesundheitsschutz stehe an oberster Stelle.
„Fakt ist, dass sich eine nicht unwesentliche Anzahl an Narren am Samstagabend in Überlingen zusammengefunden und damit gegen die geltende Rechtslage der Corona-Verordnung verstoßen hat.“Oliver Weißflog, Pressesprecher Polizeipräsidium Ravensburg
Die Polizei weist darauf hin, dass nach wie vor – auch tagsüber – eine Ausgangsbeschränkung gilt, die den Aufenthalt im öffentlichen Raum nur mit Menschen des eigenen Hausstands und einer weiteren Person, zudem aus einem triftigen Grund, zulässt. „Hierzu gehört explizit nicht der Besuch von Brauchtumsveranstaltungen.“
Um die Ansammlung in der Überlinger Innenstadt zu unterbinden, habe die Polizei „gemäß ihres gesetzlichen Auftrags zur Durchsetzung von Recht und Gesetz gehandelt“. Die Beamten seien mit notwendiger Objektivität vorgegangen und hätten zunächst im Gespräch darauf hingewiesen, dass die Teilnehmer die Örtlichkeit verlassen sollen.
Nach Diskussionen etwa 20 Platzverweise
„Während ein Großteil den Anweisungen Folge leistete, kam es in mehreren Fällen jedoch auch zu Diskussionen, die sich teilweise in lautstarker Ablehnung entluden. So mussten etwa 20 Platzverweise ausgesprochen und teils auch mit der nötigen Konsequenz artikuliert werden, um die Uneinsichtigen davon zu überzeugen, dass das Zusammentreffen nun beendet ist“, erklärt Polizeisprecher Oliver Weißflog.
Weiterhin seien die Beamten mit Unmutsbekundungen durch umherstehende Menschen in Form von Buh-Rufen und ähnlichem konfrontiert worden. „Hier wurde offenbar Ursache und Wirkung verwechselt. Nicht die Polizei hat den Grund für den Einsatz gesetzt, sondern die Unvernünftigen, die offenbar trotz der aktuell bestehenden Pandemielage nicht auf ihr individuelles Fasnetserlebnis verzichten wollten.“
Thema wird in Facebook-Gruppe diskutiert
Auch in den Sozialen Medien wird der Samstagabend rege diskutiert. So etwa in der Facebook-Gruppe „Du bisch von Überlingen wenn…“. Für einige ist es unverständlich, wieso sich die Bürger in der Innenstadt aufgehalten haben. „Ist es denn so schwer, dass man nicht ein Jahr mal auf die Fastnacht verzichten kann? Ist es denn so schwer, Vernunft walten zu lassen? […] Manche haben die Ernsthaftigkeit einfach noch nicht begriffen“, schreibt beispielsweise ein Nutzer.

Andere dagegen rechtfertigen das Verhalten der Narren und Besucher. So schreibt ein Nutzer etwa: „Es hatte keiner Kontakt mit niemandem. Und falls es nicht bekannt ist: ein Hänsele hat eine Maske auf. Und es waren keine 50.“
Dass an dem Abend deutlich weniger Hänsele unterwegs gewesen sein sollen als die von der Polizei angegeben 55 Hästräger, wird in der Facebook-Gruppe häufig betont. Auf Nachfrage heißt es seitens des Polizeipräsidiums, dass die Anzahl von den Beamten vor Ort geschätzt worden sei.
Gegenüber dem SÜDKURIER gab es nach der Berichterstattung über den Verlauf des Samstagabends ebenfalls einige Rückmeldungen von Lesern. Markus Schmidt aus Überlingen bezeichnet den Einsatz der Polizei als „überzogen“. „Die Hänsele haben sich coronakonform verhalten“, schreibt er. „Es war ein überzogener Polizeieinsatz.“
Ob der Abend anders hätte enden können, wenn die Polizisten anders gehandelt hätten? Das beantworteten die Beamten Andreas Rieß und Stephan Stitzenberger noch am Samstag. „Je nachdem, wie wir vor Ort reagieren, reagieren auch die Menschen uns gegenüber. Wir können im Voraus noch nicht sagen, was richtig ist. Wir müssen die Situation an Ort und Stelle einschätzen und dann reagieren“, erklärte Stitzenberger. Da das närrische Treiben in der Innenstadt für die Beamten wie eine geplante gemeinsame Aktion der Hästräger wirkte, sahen sich die Polizisten in der Pflicht, die Ansammlung aufzulösen.