Wenn Menschen schildern, wie sie auf die schiefe Bahn kamen und es schließlich doch geschafft haben, sich in die Gesellschaft zu integrieren, ist das ein besonderer und vor allem authentischer Lehrstoff. Mit dieser Intention haben der Politikkurs der Constantin-Vanotti-Schule und Lehrer Fabian Ruther den ehemaligen Bandidos-Chef Janez Ekart aus Singen eingeladen. Ekart leitete eine lokale Ortsgruppe (Chapter) in Jena und saß für Gewalttaten im Gefängnis.
An dem Gespräch konnte die komplette Schulgemeinschaft teilnehmen. Die angekündigte „Aufklärung gegen Gewalt und Extremismus“ wurde eine aus pädagogischer Sicht zumindest ungewöhnliche Veranstaltung, geprägt von der drastischen Sprache sowie den recht speziellen Ansichten des Vortragenden.

Schüler bleiben auf Abstand
Zu Beginn umreißt Ekart mehr stichwortartig seinen Lebensweg. Der Ex-Rocker hat sich mittlerweile die meisten Gesichtstattoos weglasern lassen, trägt eine dunkle Windjacke, helle Jeans und Sneaker. Die Veranstalter haben ihn mit großem Abstand zu den Schülern platziert. Sie werden mit ihren mutigen und kritischen Fragen dafür sorgen, dass die Zuhörer in der gut gefüllten Sporthalle einige Details aus dem Leben des Gastes und seine heutige Sicht darauf erfahren.
Janez Ekart beziehungsweise seine Eltern stammen aus dem ehemaligen Jugoslawien. Er bezeichnet sich selbst als „Kanake“. Seinen ersten Diebstahl beging er seinen Ausführungen zufolge im Grundschulalter. Mit zwölf Jahren kam in er ins Kinderheim, wurde rausgeschmissen und landete in weiteren Einrichtungen. Von seiner Mutter spricht er als „Frau, die mich geboren hat“. Auf Nachfrage erläutert er später, dass er sich von ihr nie geliebt gefühlt habe. Wichtig ist ihm zu berichten, dass in den Einrichtungen sein Intelligenz-Quotient getestet wurde. „Ich bin nicht so blöd“, erzählt er grinsend. Die Schule brach er ab, legte aber später seine Mittlere Reife ab.

„Ich habe mich entschieden, Verbrecher zu werden. Die Konsequenzen interessierten mich nicht“, sagt Ekart. Mit 14 Jahren wurde er zu zehn Stunden Arbeitseinsatz verurteilt, die er absichtlich nicht ableistete, um in den Jugendvollzug zu kommen und damit zur Szene zu gehören. Heute kommentiert er das so: „Ich Vollidiot!“.
Als in Singen bekannter Schläger warb ihn der Chef der lokalen Rockergruppe an, wo er zügig Karriere machte. Es schwingt immer noch ein bisschen Stolz in der Stimme mit, wenn er berichtet, wie ihn seine brutalen Einsätze schnell in der Hierarchie aufsteigen ließen. Janez Ekart wechselte mehrmals den Standort, mischte bei verschiedenen Rockergruppen in Ulm, Bochum und Thüringen mit, wurde selbst Chef und landete zwischenzeitlich immer wieder im Gefängnis, insgesamt wurden es zehn Jahre. Zu den Delikten gehörten neben schwerer Körperverletzung auch Drogenhandel und Schutzgelderpressung. Nach dem letzten Aufenthalt – ein Mitglied der Gruppe hatte als Kronzeuge ausgesagt – beschloss Ekart, sein Leben zu ändern. Im Gefängnis hatte er sein erstes Buch geschrieben. Das verschaffte ihm Aufmerksamkeit, er gab Interviews und lernte, sich als Marke aufzubauen. Bei den Schülern wirbt er für seinen Instagram-Auftritt.
Janez Ekart verlangt das Du
Der Fragenteil nimmt den meisten Raum der Veranstaltung ein. Janez Ekart darf nicht, er muss geduzt werden. Jeder Jugendliche, dem versehentlich das „Sie“ rausrutscht, wird korrigiert. Ansonsten gibt er bereitwillig Auskunft. Nach seinen damaligen und heutigen Zielen gefragt, antwortet Ekart: „Ich wollte Verbrecherkönig werden. Heute will ich einen Gnadenhof für Tiere aufbauen, eine Frau kennenlernen und vielleicht doch noch Kinder haben.“ Den Sinneswandel begründet er vor allem mit der Tatsache, dass nach seinem letzten Gefängnisaufenthalt „keiner mehr da war“. Früher hätte er sich auf seine Rocker-Brüder verlassen können, heute nur noch auf sich selbst: „Der größte Teil der Menschen ist Dreck.“

Ein Schüler fragt nach den bislang nicht erwähnten Opfern des Ex-Rockers. „Die Opfer sind mir scheißegal. Die Leute, die ich abgestochen oder platt gehauen habe, haben sich alle wie ich für diesen Weg entschieden“, so Ekart. Lediglich sein Umgang mit Frauen tue ihm mittlerweile „unsagbar leid“. In seiner Rockerzeit habe er mit Prostituierten zusammengelebt, die er schlecht behandelt habe, er sei aber nie als Zuhälter tätig gewesen.
Eine Frage bezieht sich auf die Religiosität des Gastes. Er sei Christ, bete regelmäßig und bitte um Vergebung, aber er bereue nichts, lautet die Antwort. „Aber Christen sehen Menschen nicht als Dreck“, hakt der Schüler nach. „Ich sehe es aber so“, erwidert Janez Ekart. Für Kinderschänder und Frauenmörder fordert er die Todesstrafe, untermauert dies mit dem fünften Gebot: „Du sollst nicht töten“.
Emotional bei Tieren
Emotional wird der Ex-Rocker beim Thema Tiere. Er hat einen Tierschutzverein gegründet und möchte einen Gnadenhof aufbauen. Auf die Frage, warum er sich nicht für Frauen und Drogensüchtige einsetze, um etwas wiedergutzumachen, weicht er aus.
Mit der letzten Frage erkundigt sich Politiklehrer Fabian Ruther, was Ekart den Schülern mit auf den Weg geben möchte. „Macht die Schule fertig und versucht keine Straftat zu begehen. Mit Kriminalität wird man nicht glücklich im Leben“, sagt Janez Ekart. Dann fügt er noch seinen persönlichen Leitspruch an: „Entfernt euch niemals von euch selbst, um euch jemand anderem zu nähern.“ Die Schüler quittieren seine Offenheit mit viel Applaus.