Die Dimensionen, um die es bei der langen kontroversen Diskussion ging, machte Stadtrat Walter Sorms (LBU/Grüne) kurz vor der Abstimmung noch einmal deutlich. Bei anderen aktuellen Baumaßnahmen rede man schnell mal über Mehrkosten von 500.000 Euro, denen das Gremium bisweilen zähneknirschend zustimmen müsse, sagte er.
Hier gehe es gerade mal um einen Betrag von 30.000 Euro, den die Stadt den Sozialpassinhabern beim Erwerb eines Deutschlandtickets höchstens zur Verfügung stellen solle. Umso intensiver diskutierte der Rat darüber. Am Ende votierte das Gremium bei sieben Gegenstimmen für eine einjährige Testphase mit einem Zuschuss von 25 Euro pro Ticket.
Gremium will keine Begehrlichkeiten wecken
Mit dem Antrag der Fraktion LBU/Grüne hatte Sprecher Ulf Janicke vorgerechnet, dass die Stadt Inhabern eines Sozialpasses auf Wunsch eine Monatskarte für den Stadtbus finanzieren würde, um den ÖPNV zu stärken. Schon bei einer Zwei-Zonen-Karte sei dies allerdings teurer als das von Bund und Land subventionierte Deutschlandticket, das jetzt mit 58 Euro zu Buche schlägt.
Janicke: „Für etwa den gleichen Preis bekommt man eine viel bessere Leistung.“ Um keine zu großen Begehrlichkeiten zu wecken und teure Mitnahmeeffekte auszulösen, hatte sich das Gremium bereits bei der ersten Beratung im Dezember darauf verständigt, lediglich einen Zuschuss von 25 Euro zu gewähren. „Wenn sich Berechtigte statt einer Stadtbusmonatskarte den Zuschuss zum Deutschlandticket“, sagte Janicke anschließend, „dann kommt dies die Stadt sogar billiger.“
Warum Asylbewerber keine Vergünstigung bekommen
Unklar war den Räten, inwieweit dieser Zuschuss auf andere Leistungen des Staates angerechnet werden müsste. Dies gelte allerdings nur bei Asylbewerbern, stellte Michael Moser von der Abteilung Bürgerservice jetzt klar. Diese müssten den Zuschuss beim Landratsamt selbst melden, damit dieser bei den Zuwendungen des Bodenseekreises in Abzug gebracht werden könne. Zum einen werde dieser Personenkreis damit möglicherweise zum Betrug verleitet, mutmaßte Stadtrat Franz Dichgans (CDU).
Diese Verlockung wollte er den Asylbewerbern ersparen. Selbst bei korrekter Anrechnung entlaste die Stadt den Bodenseekreis mit Mitteln aus dem eigenen Haushalt. Als Konsequenz verständigte sich das Gremium darauf, die Gruppe der Leistungsbezieher nach dem Asylbewerbergesetz bei dem Zuschuss nicht zu berücksichtigen.
Hitzige Debatte um Ticketzuschuss
Sehr unterschiedlich waren die Positionen auch abgesehen von Dichgans bei der CDU. Fraktionssprecher Günter Hornstein befürwortete die vorgeschlagene Testphase, legte allerdings Wert darauf, dass die für die Sozialpassinhaber eine Wahlfreiheit bestehen bleibe, ob sie lieber das Stadtbusticket komplett kostenlos wollten. Alexander Bruns hatte die Sorge, dass einzelne Interessenten den Zuschuss gleich für ein ganzes Jahr abräumen könnten – zulasten anderer.
Überhaupt bereitete das Prinzip, dass die Schnelleren den Bedürftigeren den Rang abliefen, einigen Räten mehr Sorge als das eigentliche Ziel der Unterstützung. Sonja Straub (CDU) fürchtete bereits zu viel „Gutmenschentum“, von dem in ihren Augen „arbeitsunwillige“ Menschen profitierten. Was ihren Fraktionskollegen Hornstein später zu dem Hinweis veranlasste, auch arbeitende Geringverdiener profitierten vom Sozialpass und hätten so Anspruch auf die beantragte Unterstützung. Der Sozialpass sei vor knapp zehn Jahren nicht ohne Grund und auf Empfehlung der Liga der freien Wohlfahrtsverbände eingeführt worden, der unter anderem die Caritas und die Diakonie angehörten, ergänzte Ulf Janicke.
OB Zeitler in Sorge um den Haushalt
Die größte Sorge von Oberbürgermeister Jan Zeitler war, dass die 30.000 Euro nicht dezidiert im Haushalt für diesen Zweck ausgewiesen seien und gegebenenfalls aus der Deckungsreserve mobilisiert werden müssten. „Ich würde das lieber um ein Jahr schieben“, sagte Zeitler deshalb und versuchte das Gremium von einem positiven Beschluss abzubringen. Nach wie vor skeptisch blieb auch Christian Sellerbeck (FWV/ÜfA) und glaubte eine Dreifach-Subventionierung des Deutschlandtickets zu erkennen.
Mit einer Testphase leben zu können, glaubte hingegen sein Fraktionskollege Robert Dreher. „Befremdet“ zeigte sich Rainer Röver (SPD) über den Verlauf der Diskussion. Er wolle ja nicht von „Peanuts“ sprechen, aber die Verhältnismäßigkeit scheine dennoch verloren gegangen, sagte Röver und witterte den Wind des Wahlkampfes.