Wenig verstanden, aber vieles begriffen – das ist das Fazit eines Rheinländers mit, eigentlich ein Widerspruch in sich, angeborener Karnevals-Skepsis, den es als Chronist in die Hödinger Turnhalle getragen hatte, am Ende des wahrlich Bunten Abends der Narrengesellschaft Hödingen.

Wenig verstanden deshalb, weil es mit dem Verstehen des hiesigen Idioms noch ein wenig hapert. Begriffen aber vieles von dem, was Lebensfreude, Zusammengehörigkeitsgefühl und Gemeinsinn hierzulande bedeuten und die Menschen so liebenswert werden lässt.

Drei Stunden Spielfreude

Das war ein bunter Abend, der rundum Freude bereitete und zur fröhlichen Ausgelassenheit verführte. Wolfram Niedermann, Präsident der Narrengesellschaft, und Fabienne Lotz führten gleichermaßen launig wie souverän durch ein dreistündiges Programm, das die rundum spielfreudigen Akteure gekonnt auf den närrischen Brettern umsetzten.

Mit dem donnernden Hödinger Narrenruf „Kilbe Goscht“ wurden verdiente Mitglieder der Narrengesellschaft mit Orden geehrt.
Mit dem donnernden Hödinger Narrenruf „Kilbe Goscht“ wurden verdiente Mitglieder der Narrengesellschaft mit Orden geehrt. | Bild: Peter Orthen-Rahner

Macken und Defizite der Bahn

Da waren etwa „Die fünf ???“, die in ihrem Baumgeflüster Hödinger Ortsgeschehen närrisch Revue passieren ließen. Oder eine Gruppe der Katholischen Landjugend, die in einem fiktiven ICE von Friedrichshafen nach Singen mit Halt in Hödingen die Macken und Defizite der Deutschen Bahn gekonnt und pointiert persiflierten.

Und was war das für ein Qualitätsnachweis für die engagierte Vorbereitung, als Fabienne Lotz und Timo Probst in ihrem Dating-Sketch, mit technisch leicht verzerrten Stimmen, vor lauter Lachen kurzfristig den Faden verloren! Einer von vielen Momenten der hellen Freude für das Publikum. Das war „Fasnet naturbelassen“ – ursprünglich, fröhlich ausgelassen, nichts Gekünsteltes – der Rheinländer sieht es mit Staunen und zunehmendem Vergnügen, ist er doch eher an staubtrockene sogenannte Prunksitzungen gewohnt.

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Von Physiotherapie bis Junggesellen-WG

Sylvia Keßler, Patricia Mokhardt, Manuela Vogler und Alexandra Gutemann heizten als „Närrische Wieber“ dem Saal ebenso ein wie etwa Angelika Wochner und Monika Herr mit ihrem „Kurg‘schwätz“ – mit einer gekonnten Parodie auf physiotherapeutische Anwendungen – oder Timo Probst und Carsten Zimmermann in ihrer Junggesellen-WG.

Wiederum Fabienne Lotz und Wolfram Niedermann begeisterten einmal mehr, glamourös, golden-glitzernd, mit ihrer von berühmten Vorbildern adaptieren Zauber-Show „Siegrid & Roy“, in der sie unter anderem dem verblüfften Ortsvorsteher Martin Keßler den Wein in seinem Becher verschwinden ließen.

64 Hödinger Beine begeistern das Publikum

Ein Höhepunkt war das von Anette Chirico einstudierte umwerfende Männerballett mit Clemens Mayer, Tobias Widenhorn, Gerhard Ott, Manfred Wollmann, Martin Pollock und Mike Kempter. Was braucht es da noch die Folies Bérgères in Paris oder die 64 Beine im Berliner Friedrichstadtpalast? Die schönsten Beine der Welt sind in Hödingen zu Hause! Stürmischer Applaus des Publikums, auch vom eingangs erwähnten Rheinländers.

Führten launig und eloquent durch den Abend: Wolfram Niedermann und Fabienne Lotz.
Führten launig und eloquent durch den Abend: Wolfram Niedermann und Fabienne Lotz. | Bild: Peter Orthen-Rahner

Narren packen kräftig mit an

Apropos: Der gemeine Rheinländer kennt ausschließlich Karnevalspräsidenten im Frack und mit gestärkter Hemdbrust und nicht einen Präsidenten, der am Abend in mehrere Rollen schlüpft und sich auch nicht zu schade ist, beim Bühnenauf- und -umbau tatkräftig mit anzupacken.

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Hut ab also für Wolfram Niedermann und seine unermüdlichen Mit-Narren, in der Vorbereitung und im Abend selbst steckte erkennbar viel Herzblut, das den närrischen Kreislauf auf Trab brachte, maßgeblich unterstützt vom Hödinger Musikverein unter Konrad Keßler mit zündender Musik, die die feierfreudigen Gäste zu einer ausgelassenen Polonaise animierte. Bleibt festzuhalten: Der Rheinländer kommt im nächsten Jahr gerne wieder.