Über 20 Jahre war sie die Trachtenmutter, jetzt hat Renate Lohr die Leitung des Überlinger Traditionsvereins an ihre Nachfolgerin Ute Schröder übergeben. Wie ist die Gemütslage nach so einem Schritt? „Sehr gut!“, antwortet Renate Lohr aufgeräumt. Der Schritt, sich nach dem Jubiläumsjahr zurückzuziehen und die Verantwortung an die nächste Generation zu übergeben, wäre gut geplant gewesen. So wurden die Feierlichkeiten zum 100. Geburtstag zum „krönenden Abschluss“, wie sie sagt. Den Auftakt dazu bildete im Sommer 2023 die Einweihung der Bronzestatue im Rathausgarten.
Nach den Höhepunkten des Jubiläumsjahres gefragt, fällt ihr zuerst das „besonders schöne Serenadenkonzert“ der Stadtkapelle ein. Dazu erinnert sie sich gern an die Vernissage der Ausstellung im Rathaus und die „grandiose Festmesse zum Jubiläumstag“ im Münster. Wehmut überkam Renate Lohr im Moment, als sie am Patrozinium im Dezember durch die Münsterpforte ging. „Das war ein bewegender Moment. Ich dachte, das ist jetzt das letzte Mal als Trachtenmutter.“ Das Amt war 24 Jahre lang ihre Lebensaufgabe.
Das Erscheinungsbild der Trachtenträgerinnen ist ihr wichtig
Doch lange Sentimentalitäten nachzuhängen, ist nicht ihre Sache. Renate Lohr hat bei ihrer Vereinsführung immer eine klare Linie verfolgt und besonders auf die Regeln geachtet. „Wir fallen überall auf, weil wir so korrekt gekleidet sind“, betont sie. Damit ist das komplette Erscheinungsbild der Trachtenfrauen von der Haube über das Mailändertuch bis zu den schwarzen Spangenschuhen gemeint. Die Frauen sollten keine Sonnenbrillen tragen, nicht in der Öffentlichkeit rauchen oder das Handy in der Hand oder am Ohr haben. Vorgaben, die immer schwerer beizubehalten sind. „Das ist jetzt Aufgabe meiner Nachfolgerin“, meint Renate Lohr ein wenig erleichtert.

Keine Nachwuchssorgen im Verein
Sie übergibt einen bestens aufgestellten Verein an die neue Leitung. Mit 171 Mitgliedern, darunter rund 30 Kinder, haben die Überlinger Trachtenfrauen geschafft, was anderen Gruppen nicht gelungen ist. Der Uhldinger Trachtenverein hat sich gerade wegen Nachwuchsmangel aufgelöst. „Ich habe den Erfolg von meiner Vorgängerin übernommen“, so Renate Lohr. Die habe dafür gesorgt, dass die Mitgliedschaft im Trachtenverein eine generationsübergreifende Familientradition wurde. Dazu verleihen die Schwedenprozessionen den festlich gekleideten Überlingerinnen stets viel Aufmerksamkeit.
Renate Lohr ist seit 62 Jahren bei den Trachtenfrauen. Als sie elf Jahre alt war, setzten ihr die Eltern die Haube auf. Die war eigentlich für die ältere Schwester bestimmt, aber die entschied sich kurzfristig um. „Damals wurde man nicht gefragt“, sagt Lohr schulterzuckend. Unter ihrer Vorgängerin Gertrud Manok war sie ab 1989 Schatzmeisterin und übernahm die Leitung 2001.
Nun sei es an der Zeit, eine jüngere Generation ans Ruder zu lassen. Ein Grund sei die zunehmende Digitalisierung, in die sie sich nicht mehr neu einarbeiten möchte. „Ich spreche lieber direkt mit den Menschen“, so Renate Lohr. „Außerdem soll man aufhören, wenn man eine geeignete Nachfolgerin hat.“ Im neuen Vorstand wären die Generationen gut verteilt vertreten. „Das muss ja 25 Jahre halten“, fügt sie lachend hinzu.
Mehr Freiheit für die Urlaubsplanung
Den Trachtenfrauen bleibt sie selbstverständlich weiter erhalten. Schließlich hat sich Renate Lohr im letzten Jahr erst eine neue Tracht nähen lassen. Die will sie bei Empfängen der Stadt, bei welchen die Trachtenfrauen für stilvolle Tradition und Getränke sorgen, tragen. Und natürlich bei den Schwedenprozessionen, die sie jetzt nicht mehr organisieren und stets präsent sein muss. „Ich darf, ich kann, muss aber nicht mehr“, freut sich Lohr über die neue Freiheit bei der künftigen Urlaubsplanung.
Wie ernst es ihr mit der weiteren Präsenz im Verein ist, machte sie bei der Hauptversammlung deutlich: „Natürlich bleibe ich dem Trachtenbund treu, schließlich will ich noch für 70 Jahre Mitgliedschaft geehrt werden. Da wäre ich 81 – das könnte ich schaffen!“.