Eine Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren verlangt das Strafgesetzbuch für den Tatbestand des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln – nur aufgrund der Einschätzung des Schöffengerichts als „minder schwerer Fall“ konnte ein 46-Jähriger für dieses Delikt zu einer Freiheitsstrafe von lediglich drei Jahren und sechs Monaten verurteilt werden. Im Zuge mehrerer Durchsuchungen waren bei ihm insgesamt fast 300 Gramm Kokain gefunden worden. „Die größte Menge an Drogen, die vor dem Schöffengericht jemals verhandelt wurde“, betonte Amtsrichterin Hauser.

Angeklagter zieht Messer, um Polizisten zu drohen

Zunächst nur zwölf, dann 130 und später 150 Gramm Kokain besorgte sich der Angeklagte im vergangenen Sommer, um einen Teil dieser Drogen selbst zu konsumieren und den Rest gewinnbringend zu verkaufen. Neben dem bewaffneten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln und dem Besitz und Konsum von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge wurde dem Angeklagten auch der Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte vorgeworfen.

Im September letzten Jahres hatte er gegenüber zwei Polizeibeamten ein Messer gezogen und auf Aufforderung nicht abgelegt. Gegen die anschließende Verhaftung durch die Polizei habe er sich gewehrt. Vor Gericht bestritt der Angeklagte, das Messer bewusst gezogen zu haben, um den Polizisten zu drohen. Eine als Zeugin geladene Beamtin bestätigte, dass der 46-Jährige unter anderem aufgrund seines vorangegangenen Drogenkonsums mit der Situation überfordert zu sein schien und das Messer nicht gezielt gegen die Anwesenden richtete. Dennoch betonte sie, dass er aggressiv gewesen sei und in der Situation aus ihrer subjektiven Perspektive eine Bedrohung von ihm ausging.

Kurios: Angeklagter bezeichnet eigene Verhaftung als „Segen Gottes“

Im Anschluss an die Festnahme zeigte sich der Angeklagte hingegen kooperativ und machte bereitwillig ein umfassendes Geständnis. Zudem leistete er wertvolle Aufklärungshilfe, indem er Informationen zu seinen Handelspartnern an die Polizeibeamten weitergab. Vor Gericht beschrieb der Angeklagte seine Verhaftung im Nachhinein als einen „Segen Gottes“, für den er jeden Tag dankbar sei. „Ich möchte mich bei der Polizei bedanken, die mich festgenommen und damit mein Leben gerettet hat“, erklärte er.

Seit vergangenem Oktober sitzt er bereits in Haft. „Die Zeit im Gefängnis war eine notwendige Zeit, in der ich mich wiedergefunden habe“, so der Angeklagte. In einer ausführlichen Einlassung erklärte er, welche Umstände zu seinem Verhalten geführt haben. In den vergangenen Jahren habe er seine Familienmitglieder verloren, zuletzt sei seine Mutter vor rund einem Jahr verstorben. Er habe daher unter schweren Depressionen gelitten und deswegen seinen gesicherten Beruf verloren. Um mit seiner Situation fertig zu werden, begann er Drogen zu konsumieren und mit ihnen zu handeln, damit er seine Frau und seine vier Kinder weiterhin ernähren kann.

„Minder schwerer Fall“: Staatsanwalt sieht Zuständigkeit bei Schöffengericht

Die gesamte Anklageschrift basierte auf den Geständnissen des Angeklagten, der diese vor Gericht wiederholte und sein Fehlverhalten eingestand. „Das frühzeitige und umfassende Geständnis ist außergewöhnlich“, bemerkte auch Staatsanwalt Fleiner, der den Fall unter anderem deswegen zugunsten des Angeklagten vor dem Schöffengericht angeklagt hatte, obwohl auch eine Zuständigkeit des Landgerichts denkbar gewesen wäre.

„Eigentlich dürften wir bei diesem Delikt gar nicht hier sitzen“, betonte er. Für ihn handle es sich allerdings um einen minder schweren Fall, weswegen er lediglich für eine Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren plädierte. Verteidiger Roger Strassberger betonte in seinen Ausführungen das außergewöhnliche Einlassungsverhalten des Angeklagten. „Ich glaube, wir haben hier selten einen so ehrlichen Mann sitzen gehabt“, so der Rechtsanwalt. Er forderte, die Freiheitsstrafe auf drei Jahre zu begrenzen.

„Das hatten wir hier noch nie“

Das Schöffengericht schloss sich den Forderungen der Staatsanwaltschaft an und bildete aus allen Anklagepunkten eine Gesamtfreiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren. Aus Sicht von Amtsrichterin Stefanie Hauser ein mildes Urteil. „Ihr Geständnis, ihre Aufklärungshilfe, ihre schwierige Lebenssituation und ihre Depression haben wir sehr zu Ihren Gunsten ausgelegt“, erklärte sie gegenüber dem Angeklagten. Dennoch betonte sie auch die erhebliche Menge der Drogen – ein Vielfaches der im Gesetz festgelegten „nicht geringen Menge“ von fünf Gramm. „Das hatten wir hier noch nie“, so Hauser. Auch eine Vorstrafe des Angeklagten wurde bei der Urteilsfindung berücksichtigt. Ebenfalls im Zusammenhang mit Drogenhandel hatte er zwischen 2007 und 2012 für fast fünf Jahre im italienischen Gefängnis gesessen.

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