Aus der historischen Altstadt von Bad Säckingen ragt es in seiner majestätischen Pracht heraus: das St. Fridolinsmünster mit seinen rund 56 Meter hohen Zwiebeltürmen. Einem Kirchenbrand im Jahre 1751 fielen auch die fünf Glocken in den einstmals frei stehenden Kirchtürmen zum Opfer. Heute beherbergen diese sieben Glocken, wobei der Südturm einen ganz besonderen Schatz hütet: dort hängt für sich die nach dem Brand von 1751 in Waldshut gegossene berühmte Fridolinsglocke.

Mit ihrem imposanten Gewicht von 3500 Kilogramm, einem Durchmesser von 1,72 Meter und einer Höhe von 1,40 Metern blieb die Fridolinsglocke als einzige der fünf Originalglocken aus dem Jahre 1752 bis heute erhalten. Die übrigen vier Glocken im Nordturm, zu denen sich 1889 eine kleine Glocke aus der 1883 abgerissenen Notkirche in der Austraße gesellte, mussten 1913 wegen Schäden komplett ersetzt werden.
Den Ausschlag hierfür gab damals der erzbischöfliche Orgelbauinspektors Gustav Schweitzer aus Freiburg im Breisgau. Erklärte er doch am 16. November 1912 gegenüber dem Katholischen Oberstiftungsrat in Karlsruhe, dass sich im St. Fridolinsmünster „nur eine brauchbare schöne Glocke“ befinde – die Fridolinsglocke. Ihren Klang hatte der evangelische Orgelbauinspektor Hermann Poppen aus Heidelberg kurz zuvor in einem Gutachten als „außerordentlich schön, warm, dunkel, satt und frei von störenden Nebengeräuschen“ beschrieben.
Einzig die Fridolinsglocke blieb bis heute erhalten
Fand somit die bis heute im Südturm des Münsters erklingende Fridolinsglocke das Wohlwollen der Orgelinspektoren beider Konfessionen, ließ Schweitzer an den Glocken im Nordturm kein gutes Haar – sie hätten es nicht einmal verdient, „den Namen eines Geläutes“ zu tragen. Es handele sich vielmehr um „ein Kauderwelsch von Musik darstellenden Glocken, ein musikalisches Ärgernis und ein Zerrbild, das stete Unzufriedenheit, Kritik und Spott herausfordern müsste.“
Ohne weitere Umschweife schlug Schweitzer vor: „Daher werde das ganze Geläute außer der Fridolinsglocke umgegossen“ – eine Empfehlung, der sich auch der damalige Stadtpfarrer Ludwig Herr gerne anschloss: Vom Eigentümer der Glocken, dem Großherzoglichen Forst- und Domänenamt in Karlsruhe, wünschte er sich am 25. November 1912 bis zum Fridolinsfest 1913 eine „vollständige Renovation“ dieser Glocken, um der „Karikatur“ des Geläutes im Nordturm ein Ende zu bereiten.

Eines Glockenwerkes, welches in der damaligen Zeit noch eine besondere Bedeutung hatte: „Die Glocken sind die Lieblinge des gebildeten, wie des einfachen Menschen. Wer möchte erschöpfend ihren Einfluss auf des Menschen Herz, Gemüt und Gewissen beschreiben. An ihnen freut sich Ohr und Herz, wenn sie wohllautend zusammenklingen“, hatte Schweitzer am 16. November 1912 geschrieben. Ferner seien die neuen Glocken auch eine „Ehrenpflicht“ – es gelte, „der nahen Schweiz gegenüber etwas Imponierendes zu schaffen. Dort erklängen in vielen kleinen Dörfern „mustergültige Geläute“ – das „Juwel“ des St. Fridolinsmünsters dürfe hier nicht zurückstehen.
Die Glocke wird als „nutzloses Inventarstück im Turm“ beschrieben
Nachdem der katholische Stiftungsrat Säckingen gegenüber dem Oberstiftungsrat in Karlsruhe am 10. Mai 1913 festgestellt hatte, dass die seinerzeit aus „milden Gaben für die Notkirche“ angeschaffte Glocke „als nutzloses Inventarstück im Turm hängt“, erklärte er sich damit einverstanden, „dass das ganze Geläute wieder aus fünf Glocken besteht (mit der großen Fridolinsglocke des Südturms), wie das von jeher gewesen ist.“ Umso größer mag die Erleichterung gewesen sein, als das Erzbischöfliche Ordinariat in Freiburg am 21. Mai 1913 den Guss von vier neuen Glocken mit einem Gewicht zwischen 400 und 1700 Kilogramm genehmigte.

Deren Guss gestaltete sich jedoch nicht ganz so einfach, wie erhofft. Schon am 28. August 1913 musste die Bezirksbauinspektion Waldshut der Kirchengemeinde in Säckingen mitteilen, dass sich die Lieferung verzögere, da der Guss für „die größere Glocke infolge einer Explosion in der Form misslungen ist.“ Ursache war laut einer späteren Auskunft Schweitzers gegenüber dem Stiftungsrat vom 20. Dezember, „dass beim Guss der großen Glocke durch einen Erdstoß die Form zerrissen wurde, sodass das glühende Metall zerrann.“ Nach der erlösenden Mitteilung der Glockengießerei Grüninger in Villingen vom 9. Oktober, „dass die Glocken in etwa 14 Tagen schon fertig seien“, erteilte das Erzbischöfliche Ordinariat Stadtpfarrer Herr eine Woche später „die Vollmacht zur feierlichen Einweihung der neuen Glocken (einschließlich Wasserweihe).“

Die Freude an den neuen Glocken im Nordturm des St. Fridolinsmünster schien jedoch nicht lange zu währen. Angesichts des Weltkrieges in Europa könne „jeder Gemeinde aus ihrem Geläute für die Bedürfnisse des Gottesdienstes nur eine Bronzeglocke belassen werden“, teilte die Bezirksbauinspektion der Kirchengemeinde in Säckingen am 17. April 1917 mit – die übrigen seien wie überall im Land als Rohstoff für die Waffenproduktion abzuliefern. Eine Ausnahme wurde einzig für die künstlerisch wertvolle Fridolinsglocke im Südturm gemacht.

Umso größer muss die Erleichterung gewesen sein, als am 5. Juli 1917 aus dem preußischen Kriegsministerium die Mitteilung kam, dass auch die vier Bronzeglocken im Nordturm des Münsters bis auf Weiteres von einer Ablieferung zurückgestellt seien. Sie blieben aufgrund ihrer „harmonischen Zusammenwirkung als hervorragendes Erzeugnis deutscher Gießerkunst“ zunächst erhalten, wie die Forst- und Domänendirektion dem Stiftungsrat in Säckingen am 7. August mitteilte. Einzig das Dachreiterglöckchen mit seinem Gewicht von nur 100 Kilogramm war von dieser Ausnahme ausgeschlossen – und wurde im Februar 1927 durch eine neue Glocke ersetzt.
Der Zweite Weltkrieg sollte jedoch das Ende der historischen Glocken im St. Fridolinsmünster bedeuten. Als Rohstoff für die Waffenproduktion wurden sie nach Hamburg gebracht – einzig die berühmte Fridolinsglocke kehrte 1948 in das Münster zurück.