Als sie im Krieg aus der Stadt gebracht wurde, hat ganz Säckingen geweint – als sie im Februar 1948 zurückkam, hat ganz Säckingen wieder geweint, aber diesmal aus Freude. Die Fridolinsglocke im Südturm des Bad Säckinger Münsters ist mehr als ein tönendes Stück Bronze. Sie ist ein Klangwunder, sie ist die tönende Seele der Stadt. Und dennoch sollte sie während des Dritten Reichs eingeschmolzen werden.

Hoch droben in der Glockenstube des rechts stehenden Südturms des St. Fridolinmünsters in Bad Säckigen ist sie Zuhause – die ...
Hoch droben in der Glockenstube des rechts stehenden Südturms des St. Fridolinmünsters in Bad Säckigen ist sie Zuhause – die einzigartige Fridolinsglocke aus dem Jahre 1753. | Bild: Alexander Jaser

Die Säckinger Glocke wurde von einem Waldshuter gegossen

Entstanden ist die Fridolinsglocke wohl im Zuge einer Erneuerung der Türme und des Langhauses des St. Fridolinmünsters, die bei einem Feuer 1751 schweren Schaden genommen hatten. Ein erster Guss der Glocke aus dem Jahr 1752 erhielt nach wenigen Monaten einen Sprung. So musste Glockengießer Franz Anton Grieshaber aus Waldshut 1753 die Bronzeglocke ein zweites Mal gießen. Angetrieben von einem darüber liegenden elektrischen Motor für das Schwungrad hängt das Meisterwerk mit dem stolzen Gewicht von 3500 Kilogramm bei einer Höhe von 1,40 Meter und einem Durchmesser von 1,72 Meter seither im historischen Holzglockenstuhl im Südturm des 1360 geweihten Münsters in seiner Glockenstube.

Der imposante Glockenstuhl der Fridolinsglocke mit dem Schwungrad, welches die Glocke an besonderen Tagen in Bewegung setzt.
Der imposante Glockenstuhl der Fridolinsglocke mit dem Schwungrad, welches die Glocke an besonderen Tagen in Bewegung setzt. | Bild: Alexander Jaser

Außer in den Jahren 1941/42 bis 1948, als sie mit tausenden weiteren Glocken im Glockensammellager in Hamburg ihrem traurigen Schicksal entgegensah. Wurde sie doch im Krieg abgehängt und zum Einschmelzen nach Hamburg gebracht. Das gewonnene Metall sollte als Rohstoff für Waffen und Munition in einem furchtbaren Krieg dienen.

Ein ganz besonderes Bild: Diese historische Aufnahme, vermutlich aus dem Dezember 1947, zeigt die Fridolinsglocke in Hamburg. In der ...
Ein ganz besonderes Bild: Diese historische Aufnahme, vermutlich aus dem Dezember 1947, zeigt die Fridolinsglocke in Hamburg. In der Mitte das Wappen der Äbtissin Maria Josepha von Liebenfels. Links auf dem Bild ist die Einordnung in die Kategorie C und das Kürzel Z zu erkennen. Letzteres stand wohl für „Zurückgestellt“ von der Einschmelzung. | Bild: Dr. Harald Fischer

Wie viele Glocken hängen in den beiden Türmen?

Im Südturm des Münsters hängt alleine die Fridolinsglocke – sechs weitere Bronzeglocken des Glockengießers Friedrich Wilhelm Schilling (1914-1971) aus dem Jahre 1952 hängen in einem Holzglockenstuhl im Nordturm. Sie tragen die Namen Hilarius, Pius, Wendelin, Maria und Josef sowie Franziskus. Ihr Gewicht reicht von 340 bis 1932 kg.

Ein kostbares spätgotisches Relief aus der Zeit um 1500 im Stiftsschatz des St. Fridolinmünsters zeigt Fridolin mit dem durch ihn von ...
Ein kostbares spätgotisches Relief aus der Zeit um 1500 im Stiftsschatz des St. Fridolinmünsters zeigt Fridolin mit dem durch ihn von den Toten aufgeweckten Urso vor Gericht. | Bild: Alexander Jaser

Wie kam die Fridolinsglocke nach Säckingen zurück?

Die weitaus größte Zahl der zur Einschmelzung abgehängten Kirchenglocken wurden durch die Kreishandwerkerschaften zu zwei Hüttenwerken nach Hamburg transportiert. Eingeteilt in die Kategorien A bis D wurden dort Kirchenglocken mit historischer oder künstlerischer Bedeutung vom Einschmelzen zurückgestellt – die wertvolle Fridolinsglocke erhielt die Kategorie C. Dies bedeutete wohl ihre Rettung.

Ausgerechnet der Glockengießer Friedrich Wilhelm Schilling, der 1952 nicht nur die Glocken für den Nordturm des Münsters goss, sondern 1966 auch die Glocken für die Heilig-Kreuz-Kirche in Bad Säckingen, war nach dem Krieg als Kustos des Glockensammellagers im Hamburger Freihafen für die Rückgabe von rund 13.000 erhaltenen Glocken mitverantwortlich – und damit auch für die Heimkehr der Fridolinsglocke nach Säckingen.

Schon bald nach dem Krieg wurden die erhaltenen Kirchenglocken von Kunsthistorikern verzeichnet – die Detailaufnahme aus einem ...
Schon bald nach dem Krieg wurden die erhaltenen Kirchenglocken von Kunsthistorikern verzeichnet – die Detailaufnahme aus einem amtlichen Dokument zeigt Fridolin und Urso auf der Fridolinsglocke. | Bild: Alexander Jaser
Im Kirchenschiff des Fridolinmünsters glänzt dieses Gemälde mit dem Heiligen Fridolin und Urso (rechts oben im grauen und weißen Gewand) ...
Im Kirchenschiff des Fridolinmünsters glänzt dieses Gemälde mit dem Heiligen Fridolin und Urso (rechts oben im grauen und weißen Gewand) vor Gericht. | Bild: Alexander Jaser

Im Auftrag eines nach dem Krieg geschaffenen Ausschusses für die Rückführung der Glocken dokumentierten Kunsthistoriker exakt jede erhaltene Glocke. Per Schiff verließen dann die meisten dieser Kunstwerke Hamburg und kehrten in ihre Heimat zurück.

Der heutige Blick vom Turm des St. Fridolinmünsters auf den Münsterplatz.
Der heutige Blick vom Turm des St. Fridolinmünsters auf den Münsterplatz. | Bild: Alexander Jaser

Mit einem großen Festumzug kehrte somit die Fridolinsglocke in ihre Glockenstube im Münster zurück und läutete anlässlich der Fridolinsprozession 1948 wieder ein erstes Mal nach dem Krieg.

Der Reliquienschrein des Heiligen Fridolin in der Fridolinskapelle des Bad Säckinger Münsters.
Der Reliquienschrein des Heiligen Fridolin in der Fridolinskapelle des Bad Säckinger Münsters. | Bild: Alexander Jaser

Wo findet sich der Heilige im Münster noch?

Durch Maria Josepha von Liebenfels, 1734 bis 1753 Äbtissin des Damenstifts in Säckingen, ist der Heilige Fridolin im Münster nicht nur mit seiner Glocke gegenwärtig, sondern auch durch die prächtigen Stuckarbeiten und Gemälde von Johann Michael Feuchtmaier und Franz Joseph Spiegler aus den Jahren 1752 bis 1754 im Innenraum der Kirche. Ein ganz besonderer Schatz ist der silberne Reliquienschrein für den Heiligen aus den Jahren 1763/64 von Gottlieb Emanuel Oernster aus Augsburg. Begleitet von mehreren Statuen wird der Sarkophag mit seinem Gewicht von 300 Kilogramm bei der Fridolinsprozession durch Bad Säckingen getragen.

Dieses Deckengemälde zeigt den Schlaf des Fridolin auf der Rheininsel Säckingen – über ihm neigt sich der Zweig mit den Reliquien ...
Dieses Deckengemälde zeigt den Schlaf des Fridolin auf der Rheininsel Säckingen – über ihm neigt sich der Zweig mit den Reliquien des Heiligen Hilarius in einem kleinen Beutel. Ein himmlisches Zeichen dafür, dass Fridolin hier ein Kloster gründen solle. | Bild: Alexander Jaser

Auch der heute im Münster aufbewahrte Schatz des 1806 aufgehobenen Damenstiftes in Säckingen birgt manches wertvolle Kunstwerk zum Wirken des Missionars und Klostergründers – nicht zu vergessen die Kopie des Standbildes des Heiligen Fridolin mit Urso an seiner Seite über dem Kircheneingang und das größere Original aus dem Jahr 1727 auf der Rückseite des Gebäudes.

Weit oben im Portal des Bad Säckinger St. Fridolinmünsters wacht der Heilige Fridolin mit dem von ihm auferweckten Urso aus Glarus am ...
Weit oben im Portal des Bad Säckinger St. Fridolinmünsters wacht der Heilige Fridolin mit dem von ihm auferweckten Urso aus Glarus am Arm über die Stadt. | Bild: Alexander Jaser

Was sagt uns der Heilige Fridolin heute?

Der Name des Heiligen Fridolin kommt aus dem althochdeutschen und bedeutet „der Friedensreiche“. In unserer Zeit von Krieg und Gewalt in vielen Teilen der Erde mahnt sein im Fridolinsmünster sichtbares Wirken zu Frieden und Gerechtigkeit.

Der prächtige Innenraum des St. Fridolinmünsters in Bad Säckingen bezeugt die Geschichte des Heiligen Fridolin und seiner Botschaft des ...
Der prächtige Innenraum des St. Fridolinmünsters in Bad Säckingen bezeugt die Geschichte des Heiligen Fridolin und seiner Botschaft des Friedens. | Bild: Alexander Jaser

Vor allem jedoch das 6 Uhr-Geläut des Münsters am ersten Sonntag nach dem Fridolinstag des 6. März und die seit 1347 bezeugte Fridolinsprozession rufen uns zur Versöhnung auf. Ganz im Geiste der Friedenssehnsucht nach dem Zweiten Weltkrieg und der Freude der Menschen anlässlich der Heimkehr ihrer geliebten Fridolinsglocke im Jahre 1948.