Die Wiederauferstehung bemerkenswerter Volkslieder erlebten die Besucher der Sonderveranstaltung des Folktreffs am Samstagabend. Koch & Schimm mit Band brachten „Vergessene Lieder“ in Erinnerung – auf eine Art, welche das Publikum kaum vergessen dürfte. All diejenigen, die sich „reif für Bonndorf“ fühlen und eine der 100 von der Stadt spendierten Freikarten in Anspruch nahmen, aber auch einige Dutzend weitere Besucher ließen sich von den tief greifenden Texten in modernem Gewand gleichermaßen ergreifen und begeistern.
Weisheit, Lebenskunst und Mitgefühl finden sich in den Liedern, die zwar jeder Ü50er kennt, die aber kaum noch gehört und schon gar nicht mehr gesungen werden. „Wem Gott will rechte Gunst erweisen“, „Die Gedanken sind frei“, „Am Brunnen vor dem Tore“, „Der Mond ist aufgegangen“ – lange ist es für die meisten her, dass sie derlei Liedgut sangen oder deren Inhalt lauschten. Koch & Schimm präsentieren sie auf gut bekannte, aber dennoch neue Art und Weise.
Vertraute Melodien neu arrangiert
Thomas Koch arrangierte die vertrauten Melodien neu, machte sie gewissermaßen für das 21. Jahrhundert tauglich. Ohne sie ihres Charakters zu berauben. Damit bleiben die Lieder in ihrem Ursprung erhalten, frei von Kitsch, Volkstümelei oder Sentimentalität. Mit hohem Einfühlungsvermögen verleiht Koch jeder Strophe einen ureigenen Charakter, mal mit einem Hauch von Jazz, mal mit Blues oder Pop hinterlegt, dann wieder eher klassisch. Das Zuhören gerät zum spannenden Erlebnis, ist eine Zeitreise von der Gegenwart bis zurück ins 15. Jahrhundert.
Volkslieder sind aktueller denn je
Doch vonwegen veraltet: „Die verstaubten Volkslieder sind aktueller denn je, erzählen vom Leben, raten, dass wir aufeinander Acht geben sollten“, moderiert Thomas Schimm, der einem Teil des Publikums noch von seinem Gastspiel mit der A-cappella-Gruppe Viva Voce in sehr guter Erinnerung ist. Und verrät weiter, dass es für ihn und die Band wie das Graben in einer Schatzkiste war, als sie all die alten Lieder aussuchten und für ihr nagelneues Bühnenprogramm zusammenstellten.
Gefühle in text und Melodie
Wo Volkslieder ihren Platz haben, findet ihn auch Liedermacher Reinhard Mey. Gelingt es diesem doch wie kaum einem anderen, Gefühle, Lebenserfahrung und Zeittypisches in Texte und Melodien zu fassen. Mit ausgesuchten Titeln aus dessen Repertoire spannen Koch & Schimm den Bogen in die Moderne. Regen mit dem „Apfelbäumchen“ ebenso zum Nachdenken an wie mit „Zeit zu leben“, oder lassen bei „Viertel vor sieben“ sowie „51er Kapitän“ Erinnerungen an längst vergangene Zeiten aufleben.
Instrumentaleinlagen auf Reisen
Zwischendurch gehen die Gedanken der ergriffen lauschenden Zuhörer bei wunderbaren Instrumentaleinlagen auf Reisen. Reisen, die bildlich hinterlegt sind mit einzigartigen Aufnahmen des bekannten Luftbildfotografen Gerhard Launer. Wenn Thomas Koch zu den stimmungsvollen Fotografien einer Flusslandschaft in die Tasten greift, weckt das gar Assoziationen zu den Strauß’schen Meisterwerken über die Donau. Die Leichtigkeit des Fließgewässers ist förmlich greifbar. Egal ob Berge, Wolken, Seenlandschaften, das kongeniale Zusammenspiel exzellenter Musiker – Thomas Koch am Klavier, Stephan Goldhahn am Sopransaxophon, Norbert Meyer-Venus an Kontrabass und Bassgitarre sowie Ulrike Koch am Keyboard –haucht den prächtigen Bildern Leben ein.
Lieder wollen gesungen werden
„Die Lieder wollen gesungen werden“, appelliert Thomas Schimm an das Publikum und lässt zu „Hejo, spann den Wagen an“ alle einstimmen. Das Publikum ist textsicher, kennt die alten Lieder noch, singt am Ende beinahe ehrfürchtig bei Brahms Wiegenlied mit. Mit einem leisen „Guten Abend, Gut Nacht“ endet ein wunderbarer Liederabend, der all denen, die ihn miterlebten, in sehr guter Erinnerung bleiben dürfte. Auch dem Bürgermeister, der seitens der Stadt explizit die Ü60er Generation eingeladen hatte. „Wunderbar, schöne und besinnliche Lieder, die genau für diesen Abend gepasst haben“, würdigte Michael Scharf das Konzert.
Lob für den Folktreff
Die Wahl dieses außergewöhnlichen Programms war mutig, nicht umsonst lobte Thomas Schimm Folktreff-Vorsitzende Gudrun Deinzer für deren Vertrauensvorschuss. Immerhin hatte sie „die Katze im Sack“ gebucht. Denn erst am Vorabend des Bonndorfer Konzertes hatten Koch & Schimm mit Band in ihrer fränkischen Heimat Premiere mit „Vergessene Lieder“. Die Lieder indes haben es verdient, nicht in Vergessenheit zu geraten, sind sie doch unschätzbarer und ebenso unverzichtbarer Bestandteil unserer Musikkultur.