Bonndorf – Fußball-WM in Katar, Deutschland spielt im ersten Gruppenspiel gegen Japan, und Bonndorf liegt im Weihnachtsfieber. Die Löwenstadt scheint die Weltmeisterschaft auszublenden: Fähnchen an Fahrzeugen sind rar, Deutschland-Fahnen an Häusern finden sich nicht öfters, keine Devotionalen in Schaufenstern der Ladengeschäfte. Die Gastronomie in der Kernstadt hält sich mit Außenwerbung für Public Viewing bedeckt – gibt es überhaupt jemanden, der die Gasträume für WM-Spiele öffnet? Ja, gibt es. Die „Sonne“ fragt schon am Eingang einladend: „Auch im WM-Fieber??“ Der Blick von „Sonne“-Wirt Wolfram Binkert hellt sich bei jedem Gast auf, der eintritt.

Fans diskutieren Vergabe der WM

Kurz vor 14 Uhr sitzen gerade mal vier Gäste im Nebenzimmer der „Sonne“, mit Wirt Wolfram Binkert ist es einer mehr. Nach einer guten halben Stunde sind es immerhin sechs Fußballbegeisterte, die den verwandelten Foulelfmeter von Ilkay Gündogan bejubeln. Fachsimpeln über die Vergabe der WM nach Katar und wie die Stadien dort auf angenehme Temperaturen gekühlt werden, ist angesagt. Ja und dann natürlich Wertungen über die deutsche Mannschaft, den Einsatz der Spieler.

Wolfram Binkert sieht das geringe Interesse am Public Viewing gelassen. In den ersten WM-Tagen sei er alleine vor der Leinwand gesessen, das verhaltene Interesse am ersten deutschen Spiel sei ein Anfang einer sicherlich heimischen Fußballbegeisterung, die sich bis zum Achtelfinale steigern werde. Wolfram Binkert sieht die schmale Fan-Besetzung in Bonndorf auch in der Zeitverschiebung und den daraus resultierenden unorthodoxen Anstoßzeiten begründet. Das heimische Sofa ersetze auf keinen Fall das Public Viewing, ist sich Binkert sicher. WM-Fußballspiele leben von Emotionen – und die gebe es halt, wenn sich Menschen zusammenfinden, die alle ein Interesse einigt – Fußball.

Das lässt sich mit Fug und Recht für den TuS sagen. So herrscht denn auch im Clubhaus am Waldstadion, wo Wirt Loke auf der Terrasse Platz für viele Fans geschaffen hat, deutlich mehr Betrieb. Charly Strauss ist gegen 13.30 Uhr der erste Gast. Zum Anpfiff haben sich rund 50 Fans versammelt – Aktive vom TuS, eine Bank voller Nachwuchskicker samt ihren Müttern. Die jungen Fans sind perfekt ausgestattet mit Fahnen, Trikots, Trommeln und Gesichtsbemalung in Deutschlandfarben. Das erste Tor für Deutschland bejubeln alle lautstark und in der Halbzeitpause stürmen die jungen TuS-Kicker auf den Platz, um ihr eigenes Pausenspiel zu machen – so sieht wahrer Sportsgeist aus.

Trotz der enttäuschenden 1:2-Niederlage wird der Clubhauswirt am Sonntag zum Spiel gegen Spanien den Grill anwerfen. Alternativen sind die Sportsbar „Fan Lok“ oder der Braukessel.