Görwihl – Liebe und Tod – dieses uralte und ewig aktuelle Thema ist auch in einem 600 Jahre alten Text zu finden. Die faszinierten Zuschauer in der gut besetzten Kapelle in Rotzingen erlebten hautnah die Auseinandersetzung zwischen dem trostlosen Witwer (Martin Wangler) und dem Tod (Sybille Denker) in Johannes von Tepls Mysterienspiel „Der Ackermann und der Tod“. Inszeniert worden war es durch die Theaterwerkstatt Freiburg in der Bearbeitung von Regisseur Peter W. Hermanns.
Etliche kleine Scheinwerfer tauchen den Altarraum und die beiden Seitenaltäre in den scharfen Kontrast von Licht und Schatten. Aus dem Hintergrund erklang der vierstimmige Frauenchor unter der Leitung von Eva-Maria Jacober, unkörperlich, wie aus einer anderen Welt. Und auch als der Chor sichtbar wurde, ganz in körperlosem Weiß, blieb er im Grunde gestaltlos, dem gestalt- und wesenlosen Tod zugeordnet, dessen Aktionen er kommentierend begleitet – ungreifbar, beängstigend.
Ganz diesseitig hingegen war der Mann, der schweren Schrittes durch den Mittelgang auf den rechten Seitenaltar zuging, auf dem neben einer schlanken Vase ein Grablicht flackerte. Gramgebeugt ersetzte er den welken Blütenstiel durch einen frischen. In jähem Zorn brach es aus ihm heraus, er schleuderte seinen Hut zu Boden, verfluchte den Tod, der ihm seine geliebte Frau genommen hatte, im Kindbett, in der Blüte ihrer Jahre. Wie ein Hieb prasselte lautes Rätschenknattern als Antwort auf die Kapelle nieder, hohnlachend erschien der Tod in gleißendem Licht an der Balustrade der Empore.
Erneut beklagte der Ackermann die ihm widerfahrene Ungerechtigkeit, der Tod, inzwischen vorn am linken Seitenaltar, hielt dagegen, er hole alle ohne Unterschied, er halte Ordnung, die Erde sei ihm von Gott zum Vermächtnis gegeben. „Die Lebenden zu den Lebenden, die Toten zu den Toten, wie es bisher gewesen ist“, wie in Stein gemeißelt wurde dieser Satz wiederholt. Der Ackermann denke zu kurz, messe ohne Gottvertrauen, mit dem falschen Maß. Was ihm als Unrecht erscheine, sei in Wahrheit eine Gnade gegenüber der Frau, die in der Blüte ihrer Jahre habe gehen dürfen, in die nie endende Ruhe, ohne zuvor die Bürde und Last des Alters erfahren zu müssen.
Der Ackermann gab nicht auf, führte Kriege, Seuchen und Krankheiten an, der Tod zerstöre die Schöpfung, lasse immer mehr Böse als Gute übrig. Der Tod sagte, die Menschen seien es, die die Erde zerstören, ihre Eitelkeit, Ursache allen Übels, sei eine Krankheit der Seele. Der Anstand sei aus der Welt verschwunden. Wenn es zu spät sei, wollten alle fromm werden, keiner wisse, wann seine Zeit gekommen sei. Am Ende bleibe nur der Tod. Der Ackermann müsse begreifen, dass Liebe und Trauer eins sind. Dann aber, konterte dieser, könne der Tod nicht ohne das Leben existieren, sein Postulat, Alleinherrscher zu sein, gehe nicht auf.
Allerdings könnten die Machtverhältnisse nicht ungleicher sein. Zwar warf der kleine, unbedeutende Bauer von rechts Argument auf Argument in die Waagschale, aber von links kam im Gebieterton gleich die Widerlegung. Um die Positionen von Herr und Knecht zu verdeutlichen, schreckte der Tod auch nicht davor zurück, dem Ackermann über die Distanz des Kirchenschiffs hinweg mit einem Handgriff die Kehle zuzuschnüren, sodass dieser sich in Todesangst wand und gezeichnet, als Häufchen Elend, dastand. Geschmeidig wie eine Raubkatze schlich Sybille Denker umher, immer auf der Lauer, immer bereit, zuzuschlagen. Ihr Mienenspiel, mit dem sie alles Leben zu umgarnen schien, um es pfeilschnell zu packen, war sensationell. Aufreizend spielte sie mit ihrem überlangen Zopf, in den die Lebensfäden der ganzen Menschheit eingeflochten schienen.
Der Ackermann reichte dem Tod schließlich die zu Beginn seiner Frau mitgebrachte Blume und blieb weinend, die Kerze umklammernd, zurück, mit der Bitte an Jesus, die Seele seiner Frau gnädig aufzunehmen. Er, der Knecht Mensch, hatte seine Lektion gelernt, aber auch der überhebliche Herrscher Tod ging nicht ganz unbeschadet aus diesem Streitgespräch hervor. Für die Zeit, in der das Stück ursprünglich entstand, eine Sensation. Im Text Tepls spricht auch Gott selbst noch am Ende dieses Urteil.