Grenzach-Wyhlen – Ein Nachmittag in der Hausarztpraxis an der Gartenstraße in Wyhlen. Im Aufenthaltsraum haben sich alle Ärzte der Praxis mit der Presse versammelt, um eine gute Nachricht zu verkünden: Wegen des Ärztemangels haben Praxen in Grenzach-Wyhlen mithilfe der Gemeinde ein Projekt auf die Beine gestellt, um schnell mehr Ärzte zu finden. Nun gibt es ein positives Beispiel: Ute Heiler, Fachärztin für Orthopädie, Unfallchirurgie, Wirbelsäulenspezialistin, Notfallmedizinerin, Notärztin und jetzt in der Praxis in Wyhlen in Weiterbildung zur Allgemeinmedizinerin. So soll die 40-Jährige mit ihrer 50-Prozent-Stelle helfen, die Lücken in der Versorgung zu schließen.

Im neu gebauten Ärztezentrum in Wyhlen hat sich im Jahr 2022 eine Gruppe von Ärzten zusammengefunden, die neben ihrer eigentlichen Hausarzt-Tätigkeit auch junge Mediziner – sowohl Ärzte im obligatorischen Praktischen Jahr (PJ) als auch ausgebildete Fachärzte – zu Allgemeinmedizinern weiterbilden. Ihr Ziel ist es, zukünftige Hausärzte auszubilden und vor allem junge Ärzte für diesen Beruf zu begeistern.

Andreas Fluck und Martina Franke-Rothfuchs betreuen die akademische Lehrpraxis Wyhlen. Der große Vorteil einer Gemeinschaftspraxis: Es gibt ein breit gefächertes Fachärztewissen und eine gut ausgestattete Praxis mit über 400¦Quadratmetern, Notfallraum, ausgelegt für fünf Ärzte, fünf Behandlungszimmern, Labor, EKG, Ultraschall, Sonographie, Spirometrie und weiteren Geräten. Die Ärzte vereinen Weiterbildungen in den Bereichen Diabetologie, Dialyse und vieles mehr. Unterstützt werden die Ärzte durch zehn medizinische Fachangestellte. „Wir können hier sehr vieles machen, bevor wir eine Überweisung schreiben müssen“, sagt Andreas Fluck, Facharzt für Allgemein- und Notfallmedizin. Vor acht Jahren hatte er die Praxis seines Vaters Michael übernommen. 2022 gründete er dann mit seiner Kollegin Martina Franke-Rothfuchs die Hausarztpraxis Gartenstraße. Sie ist Fachärztin für Innere Medizin und Nephrologie – sprich Nierenkunde – sowie Palliativmedizin, bringt unter anderem Erfahrungen vom Kantonsspital Liestal ein. Die dritte im Bunde ist Allgemeinmedizinerin Anna Kristin Reifferscheid. Sie bringt unter anderem Erfahrungen aus dem Interdisziplinären Notfallzentrum des Universitätsspitals Basel.

Nun ist Ute Heiler mit dabei. Sie hat selber schon in Kliniken gearbeitet, erklärt die Ärztin, sie zöge die Arbeit in der Praxis vor und fände diese attraktiver. „Die Arbeit in einer Klinik in Basel ist nicht so golden, wie man denkt“, sagt sie. „Ich bin direkt nach der Elternzeit wieder in meinen Beruf eingestiegen, ohne Urlaub zwischendrin.“ Die Ärzte betonen an dieser Stelle die gute Zusammenarbeit mit dem Rathaus. Von der Gemeinde hat sich eine Sachbearbeiterin um alle Formalia gekümmert – Kita- und Schulplätze für die Kinder, Ummeldungen und mehr.

Einen eigenen Patientenstamm darf sie trotz ihres Wissens und ihrer Erfahrung aus rechtlichen Gründen noch nicht aufbauen. Es wäre daher ein Trugschluss zu glauben, die Praxis könne deshalb mehr Patienten aufnehmen. Das funktioniert nicht, solange sich die Fachärztin Heiler in der Weiterbildung befindet. Und das bei gut 4000¦Patienten in der Praxis mit 2,5¦Arztstellen und 300 bis 400¦Interaktionen pro Tag – und wenn es nur Rezepte oder telefonische Fragen sind. Vier Jahre lang wird das so sein, weil die junge Ärztin eben nur 50¦Prozent bekleidet. „Andreas“, – die zwei kennen sich schon sehr lange, stammen sie doch beide aus Grenzach-Wyhlen – „hat mir dann alles über den Quereinstieg mit der der Kassenärztlichen Vereinigung erklärt. Gesagt – getan“, erzählt sie. „Als Weiterbildungsassistentin muss ich zumindest nicht mehr durch alle Bereiche hoppeln“, sagt Heiler lachend. Aber weisungsbefugt seien dennoch die drei Ärzte des Teams in der Gemeinschaftspraxis. „Theoretisch müssten wir ihr bei allem über die Schulter schauen, auch beim Blut abnehmen“, lacht Fluck. „Wir könnten für etwaige Fehler haftbar gemacht werden.“

Von Haus aus ist Heiler Fachärztin in Orthopädie und Unfallchirurgie mit den Schwerpunkten Wirbelsäulenchirurgie, Notfallmedizin und Manuelle Therapie. Sie hat in Lörrach als Oberärztin gearbeitet. Auch in der Notfallmedizin war und ist sie in der Region als Notärztin unterwegs. Die neue Tätigkeit als Hausärztin bringt noch eine weitere Umstellung mit sich: „Wir haben sehr liebe Patienten, aber manchmal gibt es auch welche, die uns von der Seite anranzen“, sagt Andreas Fluck. „Wir sind der Prellbock für die Unzufriedenheit wegen des nicht funktionierenden Gesundheitssystems und wir leisten jeden Tag für dieses marode System unser Bestes.“ Alle nicken.