Es war ein zäher Kampf, ein hartes Ringen gegen viele Widerstände, bis im Frühsommer 1996 das erste Haus der Tagespflege für alte, kranke Menschen in Grießen eingeweiht werden konnte. Entlang der Hochrheinschiene war dies die erste Einrichtung dieser Art. Dies dank kluger Weitsicht, die einen Meilenstein auf dem Lande, im Klettgauer Ortsteil Grießen, setzte.

Von montags bis samstags kommen die Gäste aus den sechs Mitgliedergemeinden – Klettgau, Küssaberg, Hohentengen, Dettighofen, Lottstetten und Jestetten. Sie werden vom Fahrdienst der Betreiberin, der Sozialstation Klettgau-Rheintal, geholt und gebracht. Es sind alte und kranke Menschen, Menschen mit Behinderung, oftmals einsam und isoliert.

Die Altentagespflegstätte am Grießener Markstplatz wurde 1996 eingeweiht.
Die Altentagespflegstätte am Grießener Markstplatz wurde 1996 eingeweiht. | Bild: Eva Baumgartner

Der Grundgedanke der Altentagespflege ist, diesen Menschen so lange wie möglich den Gang in ein Pflegeheim zu ersparen, ihnen ein möglichst langes Leben in den eigenen vier Wänden zu ermöglichen. Angesichts der Veränderungen sowie der Überalterung der Gesellschaft ein notwendiges Muss. Mittlerweile bietet die Sozialstation 52 Tagespflegeplätze, erst vor wenigen Jahren wurde ein zweites Haus gebaut. Die Gäste kommen gerne, die Häuser sind nach der pandemiebedingten Schließung, in der es nur eine Notgruppe für Härtefalle gab, wieder zu 90 Prozent belegt.

1970er: Vor dem Bau der Tagespflegestätte befand sich hier das Grießener Feuerwehrgerätehaus.
1970er: Vor dem Bau der Tagespflegestätte befand sich hier das Grießener Feuerwehrgerätehaus. | Bild: Heinz Sauter

Die treibenden Kräfte für den Bau des ersten Tagespflegehauses waren Uta Roth, die langjährige Pflegedienstleiterin der Sozialstation Klettgau-Rheintal, und ihr Ehemann, der damalige Bürgermeister Hubert Roth. Er hatte sich bereits in seiner Bewerbungsrede für das Amt des Bürgermeisters im Jahr 1993 für die Errichtung einer Altentagespflegestätte stark gemacht hat. So gesehen reichten sich soziales Engagement und Kommunalpolitik die Hand. „Aber der Weg bis zur Realisierung war ein steiniger“, erinnert sich das Ehepaar Roth.

Uta Roth
Uta Roth

„Ich habe viel Not bei alten und kranken Menschen gesehen. Überdies waren die pflegenden Angehörigen oft schrecklich überfordert, sodass sie beinahe selbst krank geworden sind“, erinnert sich Uta Roth.

Sie setzte alle Hebel in Bewegung, um die Unterstützung der entsprechenden Sozialverbände zu erhalten, ohne dabei auf allzu offene Ohren zu stoßen.

Hubert Roth
Hubert Roth

Ihr Mann Hubert Roth wandte sich an die zuständigen Ämter und Behörden. „Der Widerstand auf regionaler Ebene war enorm, alle haben auf die Bremse gedrückt, dagegen sind wir auf landespolitischer Ebene auf großes Wohlwollen gestoßen“, erinnert er sich. „Auch einige Mitgliedergemeinden der Sozialstation Klettgau-Rheintal waren alles andere als begeistert, sie störten sich am Standort in Klettgau-Grießen.“ Viel Überzeugungsarbeit war also notwendig, um die Skeptiker und Widerständler zu bekehren.

Letztlich wurde trotz vieler Hindernisse das ambitionierte Ziel einer Tagespflege in Grießen erreicht: Auf dem ehemaligen Viehmarktplatz in Grießen baute die Gemeinde Klettgau für rund 1,5 Millionen Mark die erste Tagespflegestätte mit zwölf Pflegeplätzen und verpachtete sie an die Sozialstation.

Im Juni 1996 war es endlich so weit und das Haus wurde feierlich eröffnet. Bärbel Blechinger, die bis zu ihrem Ruhestand 23 Jahre lang die Leitung der Tagespflege innehatte, erinnert sich genau an den ersten Tag. „Wir waren drei Kolleginnen und zwei Zivildienstleistende und haben gerade mal fünf Frauen als Gäste empfangen.“ Auch sie berichtet von großen Bedenken und Zweifeln, darüber ob die Tagespflege in Grießen Sinn macht. „Vor allem die Grießener Bevölkerung war oftmals äußerst skeptisch.“ Eine Frau habe beispielsweise erklärt: „Ich kann doch meine betagte Mutter nicht in die Tagespflege bringen, dann auf meiner Terrasse sitzen und Kaffee trinken. Was denken da die Leute?“

Die Anfänge verliefen recht schleppend, wenige Gäste, hauptsächlich Frauen. Doch das sollte sich jedoch im Laufe der Zeit ändern. „Peu à peu kamen auch Männer in die Tagespflege, mittlerweile dürfte der Männeranteil rund 25 Prozent ausmachen“, schätzt Bärbel Blechinger. „Es war viel Öffentlichkeitsarbeit notwendig, aber letztlich“, so vermutet sie, „war die Mund-zu-Mund-Propaganda am erfolgreichsten.“

Heute ist diese soziale Einrichtung in der Region nicht mehr wegzudenken. Für alte und kranke Menschen eine enorme Hilfe in vielerlei Hinsicht, genauso wie für die pflegenden Angehörigen.