Mathias Küng und Vivien Ebner

Der neue Fünfjahresvergleich des Kantons Aargau zeigt bei den Bibern eine deutliche Zunahme um ein Viertel auf 345 Tiere. Aktuell sei die Situation „im Vergleich zu anderen Kantonen wie Zürich oder Thurgau als nicht wahnsinnig konfliktträchtig“.

Alle fünf Jahre erhebt der Kanton zusammen mit freiwilligen Helfern den Biberbestand im Aargau. Diesen Winter fanden Christian Tesini, im Umweltdepartement unter anderem zuständig für den Biber, und seine Helfer heraus, dass der Bestand der Nager deutlich wächst. 2008 schätzte man ihn noch auf 272 Biber, 2013 waren es 276. Jetzt sind es mit 345 fast 70 Tiere mehr. Die meisten der 113 (plus 36) bekannten Biberreviere sind an Rhein, Aare, Reuss und Limmat sowie deren Seitengewässern.

Dammbauten führen zu Konflikten

Nehmen auch die Konflikte zu? Unlösbare Probleme sieht Tesini nicht. Große Konflikte ergeben sich aufgrund von Dammbauten. Wie etwa an der Alten Jone in Oberlunkhofen. Fraßschäden an Mais oder Zuckerrüben verursacht der Biber laut Tesini sehr wenig. Dafür muss der Kanton jährlich 2000 bis 3000 Franken Entschädigung zahlen. Ein Feld oder Bäume könne man mit einem einfachen Elektrozaun vor dem Biber schützen, sagt Tesini.

Umsiedlung keine Lösung

Weniger Konflikte sieht er bei tieferen Bächen, weil ein Biber dort ohne Damm seinen Bau unter Wasser errichten kann. Inzwischen besiedelt er vermehrt kleinere Bäche, gründet dort eine Familie: „Da nehmen die Konflikte zu“, sagt Tesini. Dennoch sieht er im Reusstal noch Ausbreitungspotenzial, mag aber keine Schätzung abgeben, wie viele Biber hier noch Platz haben könnten. Bisher wurde im Aargau offiziell noch nie ein Biber abgeschossen, beim Schweizer Bund wurde auch noch nie ein Begehren dafür gestellt. Und eine Umsiedlung? Tesini schüttelt erneut den Kopf: „Auch das machen wir nicht. Es nützt nichts. Wenn die Population wächst, wäre es eine Frage der Zeit, bis sich am selben Ort wieder ein Biber niederlässt. Und wohin sollten wir ihn auch umsiedeln?“

Besser Wege verlegen

Tesini favorisiert technische Lösungen. Wenn ein Weg an einem Bach entlang immer wieder unterhöhlt wird, könnte man den Weg verlegen. Oder am Bachbord Gitternetze einbauen: „Dann ist der Konflikt gelöst.“ Wichtig ist ihm ein Miteinander, nicht ein Gegeneinander von Naturschützern und Betroffenen.

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Auch Ralf Bucher, Geschäftsführer des Bauernverbands Aargau und CVP-Großrat, beurteilt die Fraßschäden durch Biber als klein: „Die Bauern melden solche Schäden meist nicht einmal.“ Problematisch werde es hingegen, wenn die Biber mit Dämmen einen Rückstau verursachen, Drainagen nicht mehr funktionieren, Land vernässt oder unterhöhlt wird. Auch den Bauern gehe es um ein konstruktives Miteinander, sagt Bucher, und er betont: „Der Biber darf hier leben.“ Doch machten „kantonale Umweltverbände immer wieder Einsprachen, wenn ein Damm abgerissen werden muss“.

Wichtig für die Akzeptanz der Biber

Wenn Land vernässt wird, bestehe aber dringender Handlungsbedarf. Die Akzeptanz der Biber leide bei den Bauern, wenn nötige Maßnahmen zu lange verzögert werden. Und wenn man vor Gericht recht bekomme, müsse der betroffene Bauer den Schaden selbst bezahlen. In einem Fall habe ein Bauer den Damm, den er von Gerichts wegen abreißen durfte, inzwischen neunmal entfernen und noch Ausgleichsmaßnahmen finanzieren müssen: „Das kann bis 10 000 oder gar bis 20 000 Franken kosten. Man müsste deshalb immer fragen, ob solche Maßnahmen wirklich nötig sind, und ob es nicht auch günstiger geht.“

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Sinnvoll findet Bucher Maßnahmen wie die Absenkung der Sohle oder die Erweiterung eines Bachbetts, besonders, wenn der Bach ohnehin renaturiert wird. Der Kanton kläre dies derzeit ab. Angesichts steigender Bestände müsse man sich um den Biber keine Sorgen machen, wohl aber die Akzeptanz gewährleisten, so Bucher.

Biber belebt die Gewässer

Große Freude herrscht indes bei Pro-Natura-Aargau-Präsident Matthias Betsche: „Dass wir deutlich mehr Biber haben, ist eine tolle Nachricht für den Wasserkanton. Der Biber belebt Gewässer, er gehört hierher, er tut der Natur gut.“ Gewiss gebe es Konflikte, wenn der Biber Lebensraum in Anspruch nehme, den Landwirte bewirtschaften. Den Vorwurf von Ralf Bucher weist er aber zurück: „Naturschutzverbände geben dem Biber eine Stimme. Das ist unabdingbar. Er kann sich nicht selbst wehren. Nur so kommt es zu einer korrekten Interessenabwägung.“

Für geschädigte Bauern hat Betsche Verständnis. Zu bedenken gibt er aber, dass der Biber sich etwa im Reusstal besonders wohlfühlt. Es sei langfristig besser, wenn Bauern in ehemaligen Sumpflandschaften und in Gewässerräumen die Bewirtschaftung umstellten, etwa auf Reisanbau, sodass ein Miteinander möglich ist.