Die Pannenserie im Schweizer Kernkraftwerk Leibstadt (KKL) reißt nicht ab. Nach einer Störung am Vordruckregler sei das Kraftwerk am Mittwochabend automatisch abgeschaltet worden. Dies teilte der Betreiber am Donnerstag mit.

Die schweizerische Atomaufsichtsbehörde Ensi (Eidgenössisches Nuklearsicherheitsinspektorat) stufte den Störfall auf der internationalen Ereignisskala (Ines) mit der Stufe 0 (geringste Stufe) ein. Laut Ensi habe es keine „erhöhten Abgaben von Radioaktivität an die Umwelt“ gegeben. Das Kernkraftwerk bemüht sich nach eigenen Angabe um ein baldiges Wiederanfahren des Reaktors.

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Aufgrund einer fehlerhaften Druckmessung sei es am Mittwochabend zu einer Störung am Vordruckregler gekommen, teilt das KKL mit. Die betroffene Druckmessung sei eines von mehrfach vorhandenen Signalen zur Druckregelung des Reaktors.

Die Mitteilung weiter: „Die Anlage schaltete sich um 18.09 Uhr auslegungsgemäß automatisch ab. Der abgeschaltete Reaktor ist in einem stabilen Zustand. Es gab keine erhöhten Abgaben von Radioaktivität an die Umwelt.“

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Der Fehler, so die Betreiber, sei in der Nacht zum Donnerstag behoben worden. Die Ursachenanalyse für die Abschaltung sei am Donnerstagvormittag „weit fortgeschritten“ gewesen.

Und weiter: „Das KKL plant, den Antrag zum Wiederanfahren noch im Verlaufe von heute (also gestern, Anm. d. Red.) bei der Aufsichtsbehörde (Ensi) einzureichen.“ Danach solle die Anlage schrittweise hochgefahren werden.

Eine Serie von Pannen

Wie erst im Februar dieses Jahres bekannt wurde, gab es bei der Jahresinspektion im September 2018 in einem der ältesten Atommeiler der Welt ein Ines-1-Vorkommnis bei der Lagerung des Wasserabscheiders.

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Das Ensi schreibt auf seiner Internetseite dazu: „Im Kernkraftwerk Leibstadt ist es am 20. September 2018 zu einer unerwarteten Erhöhung der Ortsdosisleistung am Abstellplatz des Wasserabscheiders gekommen. Dieses Vorkommnis wird vom Eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorat Ensi der Stufe 1 auf der internationalen Ereignisskala Ines zugeordnet. Die Aufsichtsbehörde stellt nun zwei Forderungen an das KKW Leibstadt.“

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Im Januar dieses Jahres wurde bekannt, dass ein Mitarbeiter des Kernkraftwerks seit 2016 Daten in Prüfprotokolle eingetragen habe, ohne die Prüfung durchgeführt zu haben.

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Der Vorfall, so die Atomaufsicht, habe zwar keine unmittelbaren Auswirkungen auf den sicheren Betrieb des Atomkraftwerks gehabt. „Weil es sich dabei aber um einen schweren Fall von menschlichem Fehlverhalten handelt“, verlangte das Ensi eine tiefgreifende Überprüfung der Sicherheitskultur.

Ja zu mehr Leistung

Seit gut zwei Jahren läuft das Atomkraftwerk am Schweizer Rheinufer lediglich mit gedrosselter Leistung. Nachdem im Jahr 2016 bei einer planmäßigen Revision „lokale Ablagerungen an den Hüllrohren einzelner Brennelemente im Reaktorkern entdeckt worden waren, musste das Kernkraftwerk Leibstadt“, so die Schweizer Aufsichtsbehörde, „für sieben Monate vom Netz genommen werden“.

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Nach aufwendigen Untersuchungen erlaubte die Schweizer Atomaufsicht dem Atomkraftwerk im Februar 2017, die Stromproduktion wieder aufzunehmen. Allerdings bis auf Weiteres nur mit reduzierter Leistung. Gut zwei Jahre später, genau im März dieses Jahres, bewilligte das Ensi eine leichte Leistungserhöhung und zwar um zwei Prozent. Zeitlich begrenzt bis zur Jahresrevision im Juni 2019. Das Ensi teilte am 19. März 2019 dazu weiter mit: „Wann das Kernkraftwerk Leibstadt wieder seine volle Leistung erbringen kann, bleibt derzeit offen.“

Das sagt der Kraftwerkschef: "Der Fehler wurde noch in der Nacht behoben"

Nach der jüngsten Störung im Kernkraftwerk Leibstadt nimmt dessen Leiter Michael Kessler Stellung zur aktuellen Situation.

Herr Kessler, in welchem Bereich des Kernkraftwerks befindet sich der Vordruckregler genau?

Der Vordruckregler ist ein elektrischer Regler, welcher den Solldruck und den Istdruck miteinander vergleicht. Die zu messenden Drücke werden elektrisch ausgewertet verglichen. Der eigentliche Regler befindet sich im Betriebsgebäude im nichtnuklearen Bereich, die leittechnischen Vorortkomponenten sind im Maschinenhaus (Druckmessungen).

Was waren die Ursachen für die automatische Abschaltung?

Eine fehlerhafte Übermittlung einer Druckmessung löste die Störung am Vordruckregler aus. Die Störung am Regler wurde detektiert und führte zur automatischen Abschaltung.

Was wären die Folgen gewesen, wäre es nicht zu der automatischen Abschaltung gekommen?

Die Anlage ist so ausgelegt, dass sie bei Erreichung bestimmter Parameter automatisch abschaltet. Dies hätte jederzeit auch von Hand erfolgen können.

Wann rechnen Sie mit einem Wiederanfahren des betroffenen Reaktors?

Wie in der Medienmitteilung vom Donnerstag erwähnt, wurde der Fehler noch während der Nacht behoben. Das KKL rechnet noch heute (am Donnerstag, Anm. d. Red.) damit, die Vorbereitungen zur Anlageninbetriebnahme abzuschließen und die Anlage voraussichtlich in der Nacht auf Freitag in Betrieb zu nehmen.

Welche Auswirkungen hat dieser Vorfall auf die vom Ensi im März 2019 erteilte Freigabe, die maximale Leistung der Brennelemente im Reaktorkern bis zur Jahresrevision 2019 um zwei Prozent anzuheben?

Die Abschaltung von gestern hat keine Auswirkungen auf die Leistungsparameter im Kernkraftwerk Leibstadt.

Der jüngste Störfall ist einer von vielen, halten Sie den Betrieb des KKL überhaupt noch für sicher beziehungsweise vertretbar?

Bei dem Ereignis handelte es sich um eine technische Störung (fehlerhafte Druckmessung), jedoch nicht um einen Störfall. Die automatische Abschaltung erfolgte erwartungsgemäß. Die Anlage ist so ausgelegt, dass Einzelfehler sicherheitsgerichtet eine Abschaltung auslösen können. Die Zuverlässigkeit dieser Abschaltungen wird dabei durch mehrfach vorhandene Systeme gewährleistet. Darüber hinaus folgen die Vorbereitungen zum Wiederanfahren der Anlage festgelegten und sicherheitsgerichteten Prozessen. Erst nach erfolgreichem Abschluss aller Tests wird die Anlage wieder schrittweise in Betrieb genommen.

Fragen: Kai Oldenburg