Michael Baas

Zusammenhalt und Gemeinsinn: Diese zwei Begriffe zogen sich als roter Faden durch die Reden beim Neujahrsempfang der Industrie- und Handelskammer (IHK) Hochrhein-Bodensee am Donnerstag. „Gemeinsam gewinnt“, appellierte zum Beispiel IHK-Präsident Thomas Conrady am Ende seiner Rede an die rund 500 Gäste in der Stadthalle Schopfheim.

Leidenschaftliche Rede für die EU

Auch der Festredner, der Europaabgeordnete Elmar Brok (CDU), rief in einer leidenschaftlichen Rede die Vorteile der europäischen Gemeinschaft (EU) ins Bewusstsein und forderte dazu auf, die Ende Mai anstehenden Europawahl zu nutzen und tatsächlich zu wählen. Denn von Wahlabstinenz profitierten nur die EU-Gegner, betonte der 72-Jährige, der sich mit Ablauf der Legislaturperiode nach fast 40 Jahren aus dem EU-Parlament zurückzieht – auch, um der CDU dort den Generationswechsel zu erleichtern.

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Die Wirtschaft schwebt dieser Tage auf „Wolke neun“: Seit neun Jahren brummt die Konjunktur. Inzwischen aber „verdunkeln sich die Wolken“, beobachtet Conrady. Während die Zeichen auf Abkühlung stehen, bleiben die Probleme oder vergrößern sich. Tatsächlich stehe die Welt „vor notorisch großen Aufgaben“, befand der IHK-Präsident – sei es der Erhalt des Friedens, der Kampf gegen Terror, die Organisation fairen Handels, der Klimawandel, die Vermüllung der Meere.

Aufgaben kann niemand mehr alleine lösen

All das seien Aufgaben, die niemand mehr allein lösen könne. Zwar werde der Multilateralismus, also der Versuch, Einzelinteressen auf gemeinsame Nenner zu bringen, „offen herausgefordert“. Das so unerbittlich wie gebetsmühlenhaft vertretene „America first“ des US-Präsidenten Donald Trump ist da nur ein Beispiel. Auch der Brexit gehört in diese Schublade oder die Daueranfeindungen der EU. „Das Prinzip zusammen hat keine Konjunktur“, analysiert Conrady. Indes brauche es genau das.

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Auflösungserscheinungen des Gemeinschaftsgeistes beobachtet der IHK-Präsident nicht zuletzt im Bereich der Ausbildung. Von 40 000 Mitgliedsunternehmen der IHK zwischen Konstanz und Weil am Rhein bildeten nicht mal 2000 aus. Allein diese speisten den „Pool an qualifizierten Fachkräften“, aus dem sich in der Region alle bedienten, samt der Schweizer Nachbarn. Faktisch aber sei diese duale Ausbildung in den „historisch gewachsenen Strukturen“ eine „Gemeinschaftsaufgabe“.

Appell als Neujahrsbotschaft

Solche aber gehörten nicht nur gemeinsam gelöst, sondern solidarisch finanziert. Das sei eines der Geheimnisse einer erfolgreichen Wirtschaftsordnung, aber auch einer intakten Gesellschaft. Deshalb plädiere er – als Neujahrsbotschaft – dafür, „dass alle, jeder an seiner Stelle und nach seinen Möglichkeiten, engagiert dafür eintreten, dass das Prinzip der Gemeinsamkeit Stand hält – gegenüber Angriffen auf allen Ebenen“.

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Das war ein Steilpass für Elmar Brok, den EU-Parlamentarier und Brexit-Beauftragten des Gremiums. An aktuellen Themen – vom Brexit und den EU-Binnenmarkt über das globale und im globalen Maßstab nach wie vor virulente Flüchtlingsthema bis zur Handelspolitik – rief er die im täglichen Kleinklein oft aus dem Blick geratenden Vorteile eines Gemeinschaftsprojektes wie der EU in Erinnerung. Der Binnenmarkt etwa sei „ein riesiges Erfolgsmodell“ nicht zuletzt aus deutscher Sicht. Indes funktionierten solche Gemeinschaftsprojekte nur als Win-win-Modell, das allen Vorteile bringe.

Kompromisse gehören dazu

Deshalb müssten nationale Spielreglen stets in Kompromissen verbunden werden. Diese auszuhandeln erscheine von außen mitunter zwar zäh, gelinge auch nicht immer fehlerfrei und böte insofern Ansatzpunkte für populistische Kritik. Gleichwohl gelte es, positiv über die EU zu reden und Zerrbildern entgegenzutreten. So sei die EU als Bürokratiemonster verschrieen. De facto aber sei sie das Gegenteil. So seien 28 nationale Normkataloge mit dem Binnenmarkt auf einen EU-weiten reduziert worden.