2017 gab es im Landkreis Waldshut 674 Fälle von angezeigten Körperverletzungen. Mit 248 waren in fast der Hälfte aller Fälle Frauen die Opfer. Die Zahl ist laut Polizei leicht steigend. 2015 waren es noch 600 (241 Frauen) und 2016 sogar 695 Fälle (247). Mit der zunehmenden Gewaltbereitschaft wächst auch der Wunsch, sich verteidigen zu können. Aber wie? Für immer mehr Männer, Frauen, Kinder und Jugendliche sowie Mitarbeiter von Helferdiensten lautet die Antwort Krav Maga, ein israelisches Selbstverteidigungssystem. Eine von ihnen ist Elena Ruf.

"Ich finde es auf der Straße nicht mehr sicher", sagt die 19-jährige Auszubildende aus Wutöschingen. Wie die meisten Frauen möchte sie auch alleine unterwegs sein können – ohne den Begleiter des Unbehagens vor körperlicher Unterlegenheit. In einer prekären Situation war sie selbst zwar noch nie, im Bekanntenkreis aber sei es aber bereits zu versuchten Gewalttaten gekommen.

"Ich habe verschiedene Kampfsportarten ausprobiert, aber in den meisten Fällen hat mir das Haudrauf im Training nicht gefallen", sagt Ruf, die für mögliche Gefahrensituationen gewappnet sein will. Vergangenen Mai hat sie schließlich Krav Maga in Schwerzen ausprobiert. Ein Bekannter hatte es ihr empfohlen. Seither trainiert sie regelmäßig mit anderen Teilnehmern, wie man sich aus Würgegriffen, Umklammerungen und Haar-Reißern befreit, wie man Messerangriffen ausweicht und wie man einen Angreifer zur Not auch selbst außer Gefecht setzt. Und das dank detaillierter Instruktionen und dem Einsatz von Tiefschutz zum Teil auch unter realistischen Bedingungen.
"Wer Krav Maga trainiert, ist kein Kampfkünstler, aber er oder sie wird schnell in die Lage versetzt, sich effektiv verteidigen zu können", erklärt Jürgen Wiener, Krav Maga-Instruktor und Leiter der Ortspolizeibehörde Waldshut-Tiengen. Das bedeutet: Hinhauen, wo es wehtut. Dazu gehören auch die Weichteile, Augen, Hals und andere empfindliche Stellen. Viele der Techniken basieren auf natürlichen körperlichen Reflexen und ihr effektiver Einsatz ist relativ schnell erlernbar.

Aber: "Wir lehren auch die Verhältnismäßigkeit", versichert Wiener. Denn zu Krav Maga gehören ebenso verbale Deeskalation, das richtige Verhalten in Stresssituationen und Fluchttaktiken. Dies gelte besonders für Situationen, wo eine Waffe, zum Beispiel ein Messer im Spiel ist. Erst wenn diese Möglichkeiten ausgeschöpft sind, kommen Kampf-, Wurf- und Schlagtechniken zum Einsatz. Gleichzeitig wirken die aufeinander aufbauenden Techniken oft schon vor der Konfrontation.

Für Elena Ruf ist es wichtig, sich im Notfall verteidigen zu können, gleichzeitig aber auch, fit zu sein. Denn zu den Trainingseinheiten gehören neben der Theorie und der Technik auch Ausdauer- und Kraftübungen. "Ich fühle mich im Alltag grundsätzlich sicherer und habe dadurch auch mehr Selbstbewusstsein", sagt sie. Allein das sei laut Trainer Wiener bereits ein großer Faktor der Selbstverteidigung, welchen er besonders bei Kindern und Jugendlichen immer wieder erlebt. "Man strahlt eine Sicherheit aus", so Wiener. Einem potenziellen Angreifer vermittle dies: "Ich bin alles andere als ein leichtes Opfer."

Zusätzlich beinhaltet das Training sogenannte "Mattengespräche", in denen sich die Kinder- und Jugendgruppen über Situationen aussprechen können, die sie erlebt haben. Mobbing sei hier ebenso ein Thema wie Auseinandersetzungen auf dem Schulhof. Und Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten schaffe Selbstsicherheit, die sich auch auf alle anderen Lebenslagen überträgt. Gelehrt wird Krav Maga in Schwerzen und in Bad Säckingen.
Ursprung in Israel
Krav Maga ist ein modernes Selbstverteidigungssystem, das Schlag- und Tritt-, Griff- und Hebeltechniken nutzt, sowie Elemente des Bodenkampfs beinhaltet. Krav Maga stammt aus Israel und bedeutet übersetzt "Kontaktkampf". Seine Ursprünge gehen auf den in Budapest geborenen Boxer und Ringer Imrich Lichtenfeld zurück. Heute wird Krav Maga für die drei Zielgruppen Privatpersonen (Selbstverteidigung/Fitness), Sicherheitspersonal und Polizei, sowie Militär gelehrt. Im Mittelpunkt stehen einfache und effektive Techniken, die die körperlichen Instinkte berücksichtigen, und das richtige Verhalten in Stresssituationen.