Schweizer Kunden stehen an der Kasse, zücken ihre abgestempelten Ausfuhrscheine, lassen sich die Mehrwertsteuer vom vergangenen Einkauf erstatten, nehmen einen neuen „grünen Zettel“ mit. Klick: Die Verkäuferin heftet den Einkaufszettel dran. Und ab geht‘s damit zum nächsten Zollamt. Die Beamten dort stempeln fleißig.
Ärger über die Schlange an der Kasse und Staus am Zoll
Staus bilden sich an den Grenzübergängen am Hochrhein. Zum Ärger der übrigen Autofahrer, die nichts im Kofferraum haben, einfach nur weiter fahren wollen.

Das ist Alltag in den Städten und Gemeinden am Rhein, vor allem an den Wochenenden, wenn unsere Schweizer Nachbarn günstig einkaufen. Alles soll nun besser werden mit der Bagatellgrenze, die seit dem 1. Januar gilt. Heißt: Nur noch, wer für mehr als 50 Euro einkauft, bekommt auch die Mehrwertsteuer zurück. Damit sollen vor allem die Zollämter entlastet werden.
Viel und heftig wurde darüber diskutiert, vieles geschrieben. Entgegen der Befürchtungen hat die Einführung mit dem Jahreswechsel nahezu geräuschlos funktioniert. Die Einzelhändler haben ihre Kunden rechtzeitig informiert, Mitarbeiter geschult. Anfängliche Unsicherheiten sind geklärt.
„Alles hat sich eingespielt. schon seit Jahresbeginn hat es keine großen Rückfragen gegeben“, versichert Mark Eferl, Pressesprecher des Hauptzollamts Singen, „es ist recht ruhig, der Übergang ist fast geräuschlos gelaufen.“ Ob der Zoll seit dem 1. Januar weniger Ausfuhrscheine abstempelt, darüber könne noch nichts gesagt werden. „Dafür ist es noch zu früh. Der Januar ist erfahrungsgemäß ohnehin ein schwächerer Monat“, sagt Eferl.
Die Beteiligten haben sich alles viel schlimmer vorgestellt
Auch in den Geschäften in Waldshut und Bad Säckingen ist der Übergang offenbar reibungslos verlaufen. Jochen Seipp, Sprecher des Werbe- und Förderungskreises (W+F) Waldshut, bestätigt: „Die meisten Kunden, sind ziemlich gut informiert. Einzelne Rückfragen hat es gegeben. Im Großen und Ganzen ist es aber gut angekommen.“ Diesen Eindruck teilt Bertram Paganini von der Industrie- und Handelskammer Hochrhein-Bodensee (IHK): „Ich habe es mir schlimmer vorgestellt.“
Aldi Süd spricht auf Nachfrage von vereinzelten technischen Schwierigkeiten und punktuellen Beschwerden von Kunden, „die überrascht und verärgert waren“. Mittlerweile sei die Technik eingespielt, die neue Regelung weitgehend bekannt. Aldi habe ihre Mitarbeiter in Schulungen vorbereitet und die Kunden frühzeitig mit Plakaten informiert. Ähnlich lief es bei zwei anderen „Großen“, bei Lidl und Edeka.
Schweizer Kunden sind interessiert und wissen Bescheid
Auch in den kleinen Waldshuter Geschäften in der Kaiserstraße scheint es keine Probleme zu geben. Sandra Schlatter vom gleichnamigen Schreib- und Lederwarengeschäft sieht es gelassen: „Ich kann nur Lustiges berichten. Die Schweizer kaufen eher mehr ein. Wenn die Schachtel Zigarren 27 Euro kostet, nehmen sie eben zwei.“ Ihre Schweizer Kunden seien sehr interessiert und wüssten sehr gut Bescheid. Stefan Kaiser von Rümmele Haushaltswaren glaubt daran, dass es sich einspiele. „Die Kunden, die bei uns einkaufen akzeptieren es“, sagt er.
Zahl der Ausfuhrscheine sinkt von 2015 bis 2018 um zwei Millionen
Mehr Sorgen machen sich die Einzelhändler um die Umsätze. Manche befürchten, dass künftig weniger Schweizer nach Deutschland kommen, um einzukaufen. Auch hierzu gibt es noch keine Zahlen. „Die Zahl der Ausfuhrscheine ist generell gesunken“, sagt Paganini. Laut seiner Aussage ist die Zahl im Gebiet der IHK von 17,8 Millionen Ausfuhrscheinen im Jahr 2015 auf 15,6 Millionen 2018 zurückgefallen. Paganini: „Wir sind gespannt auf die Zahlen von 2019.“ Die Händler hätten ihre hausinternen Budgets etwas tiefer angesetzt. Im Einzelfall sei mit Umsatzrückgängen zu rechnen. Doch er weiß: „Kleinere Geschäfte in der Lebensmittelbranche haben vorsichtiger kalkuliert.“
Alexander Honegg von der Metzgerei Mülhaupt in Waldshut hätte sich einen niedrigeren Betrag gewünscht. „50 Euro beim Metzger? Das ist eine Hausnummer.“ Er schildert ein weiteres Problem in seiner Branche: „Für viele ist es nicht möglich, für 50 Euro Fleisch einzukaufen, weil sie nicht mehr als ein Kilo mitnehmen dürfen.“
Händler mit vielen günstigen Artikeln trifft es am ehesten
Elisabeth Vogt, Vorsitzende des Gewerbevereins Pro Bad Säckingen, sagt zur Bagatellgrenze: „Ich persönlich hätte es gerne verhindert.“ Es gebe in der Trompeterstadt viele Händler, bei denen es viele günstige Artikel gibt. „Solche Geschäfte, die mit vielen kleinen Beträgen Umsatz machen müssen, trifft es schon“, so Vogt.
Noch könne sie nicht sagen, ob dadurch in Bad Säckingen Schweizer Kunden weg bleiben. „Aber man kann sagen, dass Kunden, die etwas, zum Beispiel, für 47 Euro kaufen, dann noch etwas für ein paar Euro dazu kaufen, nur damit sie über die Grenze von 50 Euro kommen und somit ihre Steuern erstattet bekommen“, erklärt sie.

In Bad Säckingen habe der Gewerbeverein Unterschriften gegen die Einführung der Bagatellgrenze gesammelt. Nun sei man dankbar, dass es immerhin nicht die zuerst geplante Grenze von 175 Euro geworden ist.
Einer von zehn Bons im Schnitt über 50 Euro
Auch Irene Schwarz, Betreiberin eines Bastelfachhandels in der Innenstadt von Bad Säckingen, ist von der Bagatellgrenze nicht begeistert. „Für mich als kleinen Ladenbetreiber ist das schlecht, da ich sehr viele Kunden habe, die für unter 50 Euro einkaufen“, sagt Schwarz, „bisher hatte ich von zehn Mehrwertsteuer-Scheinen im Schnitt einen, der über 50 Euro war.“ Die Verkäuferin befürchtet, dass ihr dadurch Schweizer Kunden ausbleiben.
Ganz anders sieht das Cordula Zimmermann, Verkäuferin im Schuhhaus Klever in Bad Säckingen: „Wir hatten bisher nur positive Resonanz auf die Bagatellgrenze, sogar von Schweizer Kunden.“ Die Bagatellgrenze mache sich in diesem Geschäft bisher kaum bemerkbar.
Schweizer Kundin aus Oberfrick sieht die neue Regelung positiv
Eine ihrer Schweizer Kundinnen ist Mathilde Fischer aus Oberfrick. Sie sagt: „Ich finde das gut. Als die Schweizer noch wegen kleinen Beträgen die Mehrwertsteuer zurückerstattet haben wollten, war das für die Deutschen furchtbar. Außerdem gab es dann enorm viel Verkehr beim Zoll.“ Die Schweizerin macht auch klar, welche positive Auswirkungen die Regelung für ihr Heimatland habe: „Es wird dann auch wieder mehr in der Schweiz eingekauft, von mir aus hätten sie die Grenze sogar höher setzen können.“
Die Hoffnungen ruhen auf einem digitalen System bei der Abwicklung der Mehrwertsteuerrückerstattung. „Dann fällt die Bagatellgrenze wieder weg“, sagt Bertram Paganini von der IHK und ergänzt, „wir haben den Ehrgeiz, dass es so schnell wie möglich kommt.“ Noch gebe es vom Bundesrechnungshof aber keine Signale, wann die Gelder freigegeben werden würden.