Herr Kistler, in zwölf bis 15 Jahren wird es, so der Beschluss des Kreistages, ein neues Zentralklinikum geben. Waren Sie mit dem Abstimmungsergebnis zufrieden?
Das Abstimmungsergebnis hat gezeigt, dass eine Mehrheit der Kreisrätinnen und Kreisräte, wie auch ich, die Notwendigkeit sehen, für eine nachhaltige hochwertige, stationäre medizinische Versorgung der gesamten Kreisbevölkerung jetzt die Weichen zu stellen. Dies gelingt aus heutiger Sicht nur, indem wir mit der Planung einer zentralen Ein-Haus-Lösung beginnen. Daher bin ich mit dem Abstimmungsergebnis zufrieden.
Welche Hoffnungen und Erwartungen verknüpfen Sie mit einem Neubau?
Da gibt es ganz verschiedene Aspekte, die ich nur beispielhaft aufzeigen möchte. Die Entwicklungen in der Medizin, einhergehend mit den hierzu bestehenden rechtlichen Vorgaben machen deutlich, dass zukünftig die Qualität des medizinischen Angebots massiv in den Vordergrund rückt. Eine wesentliche Rolle spielen hierbei Fallmengen, oder anders gesagt: Ich benötige zur Qualitätssicherung und damit zur Abrechnungsfähigkeit gewisse medizinische Leistungsmengen. Habe ich diese nicht, darf ich die Leistung entweder nicht erbringen oder nicht abrechnen. Diese Kriterien an zwei Standorten gleichermaßen zu erfüllen, ist nach Meinung aller Experten nicht möglich. Ein weiterer Aspekt ist in diesem Zusammenhang die Gewinnung qualifizierter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowohl im ärztlichen als auch im pflegerischen Bereich. Der Landkreis Waldshut ist hier für Medizinerinnen und Mediziner nicht erste Wahl.
Wir stehen in Konkurrenz zu Leistungsanbietern in den umliegenden Regionen und in der benachbarten Schweiz. Durch das Angebot hochwertiger Medizin in modernsten Strukturen, erhoffe ich mir für potenzielle Bewerberinnen und Bewerber weitaus attraktiver zu sein als heute. Schließlich als drittes Beispiel steht die wesentlich höhere betriebswirtschaftliche Leistungsfähigkeit in einem Haus. Das beginnt mit der optimalen Platzierung von Stationen über optimale Funktionsabläufe bis hin zu höheren Patientenzahlen. Das zentrale Haus muss so attraktiv werden, dass alle Patientinnen und Patienten, die uns heute in andere Landkreise verloren gehen, sich in ihrem zentralen Kreisspital behandeln lassen.
Die Standortfrage wird in nächster Zukunft eine große Rolle spielen. Da war ja schon einmal Albbruck im Gespräch.
Die Standortfrage spielt eine wichtige Rolle, wenn es um Erreichbarkeit und Einzugsgebiete für Patientinnen und Patienten geht. Ein möglicher Standort in Albbruck wurde vor knapp drei Jahren einmal ins Spiel gebracht, weil man den Verlauf der Alb als geeignete vertikale Verbindungslinie zwischen dem Westen und dem Osten des Landkreises gesehen hat. Es gibt hier keinerlei Vorfestlegungen. Die Standortwahl ist eine wichtige und wird im Rahmen des Planungsprozesses nach objektiven Kriterien zu bewerten sein. Es ist allerdings zu früh, darüber zu spekulieren.
Auch für das Waldshuter Spital sind damit die Tage gezählt. Warum gab es bisher fast nur Proteste aus Bad Säckingen?
Dass die Tage des Waldshuter Spitals – und das gilt ebenso für den Standort Bad Säckingen – gezählt sind, kann ich so nicht bestätigen. Im Falle der Realisierung eines neuen Zentralspitals werden beide Spitalstandorte weiterhin wichtige Funktionen in dem gesamten Spektrum der medizinischen Versorgung im Landkreis haben müssen. Ich kann so pauschal nicht wahrnehmen, dass die gesamte Raumschaft Bad Säckingen permanent protestiert hätte. Man muss hier sehr differenziert unterscheiden, gegen was sich eigentlich der Unmut, oder nennen Sie es Proteste, gerichtet hat. Die Sorge der Bevölkerung verstehe ich. Es geht um die Gesundheitsversorgung, die elementarer Bestandteil des Lebens ist. Diese zu sichern ist unsere Aufgabe, die wir sehr ernst nehmen. Der Kreistag hat sich mit einer Millionenschweren Investition klar zum Standort Bad Säckingen bekannt.
Trotzdem: Wäre es eine Option, das Waldshuter Spital entsprechend auszubauen?
Sowohl das Spital Waldshut, als auch das Spital Bad Säckingen sind aufgrund ihrer Nutzungsdauer in einer baulich schwierigen Situation. Dies hat ja auch der Kreistagsbeschluss für den Standort Bad Säckingen sehr deutlich gemacht. Einen Ausbau des Spitalstandortes Waldshut halte ich zumindest für sehr schwierig, auf der einen Seite der Rhein, auf der anderen Seite die Bundesstraße 34. Hinzu kommt, dass ausschließlich eine Erweiterung der Raumkapazitäten nicht hilfreich ist. Es fehlt dann immer noch an modernen zeitgemäßen Strukturen und anderen, von mir bereits beschriebenen Qualitätskriterien.
Wäre der Landkreis bereit, einen größeren Anteil am Spitalfond zu übernehmen?
Der Spitalfond Waldshut ist eine Jahrhunderte alte Stiftung mit großer Tradition. Stiftung und Landkreis tragen seit 2011 die gemeinsame Verantwortung für die stationäre Versorgung der Kreisbevölkerung. Ich bin dankbar für die gute Zusammenarbeit mit dem Spitalfond, beziehungsweise mit der Stadt Waldshut-Tiengen. Eine etwaige Änderung von Gesellschafteranteilen bliebe der Entscheidung der Gremien vorbehalten.
Muss ein Krankenhaus schwarze Zahlen schreiben?
Die duale Krankenhausfinanzierung in Deutschland hat zwei Finanzierungsquellen. Der Krankenhausbetrieb, das heißt die Bezahlung der medizinischen Leistungen ist Aufgabe der Kostenträger, insbesondere der Krankenkassen; die Investitionsfinanzierung obliegt dem Land. Das Finanzierungssystem geht grundsätzlich von einer Auskömmlichkeit aus. Diese ist aber seit Jahren sowohl hinsichtlich der Betriebskosten als auch der Investitionsmittel bei Weitem nicht gegeben. Dies ist die eine Seite. Die andere Seite ist, dass auch das baden-württembergische Krankenhausgesetz grundsätzlich vorsieht, dass die stationäre Krankenhausversorgung medizinisch zweckmäßig und wirtschaftlich zu betreiben ist. Hierin kommt zum Ausdruck: Ja, auch ein Krankenhaus sollte danach schwarze Zahlen schreiben.
Frau Jeitner, was könnte man in einem modernen Krankenhaus, in einem Zentralklinikum, besser machen?
Ein Zentralklinikum ist unter den Voraussetzungen, welche die Bundesgesundheitspolitik vorgibt, sicherlich besser geeignet, den notwendigen Spezialisierungsgrad und damit den medizinischen Fortschritt abzubilden. In den letzten Jahren und auch mit dem Krankenhausstrukturgesetz vom 1. Januar ist die Qualität mit der Definition von Qualitätsindikatoren und Mindestmengen zunehmend in den Fokus der Finanzierung von Krankenhausleistungen gerückt. Dies bedeutet, dass zunehmend Spezialisierungen erforderlich sind, die nur durch Konzentration der Versorgung einzelner Krankheitsbilder erreicht werden können. Durch diese Qualitätssteigerung werden deutliche Vorteile für die Patientenversorgung erreicht.
Die Spezialisierung der Medizin führt zu zusätzlichen Qualifikationsanforderungen für das ärztliche und pflegerische Personal.
Mit einem Zentralspital kann man nicht nur attraktiver Arbeitgeber für Fachkräfte sein, sondern Leistungen mit dem geforderten Qualitätsniveau anbieten. Diese zusätzliche Qualifikation unserer Mitarbeiter soll rund um die Uhr für unsere Patienten verfügbar sein. Dies ist nur möglich, wenn Krankheitsbilder in zentralen Versorgungsstrukturen versorgt werden und damit Patienten jeweils die Versorgung mit der besten Fachkompetenz erhalten.
In der Zwischenzeit wird mit Volldampf an einem tragfähigen Konzept für Bad Säckingen gearbeitet. Wie wird das aussehen?
Wir werden jetzt schnellstmöglich in die Umsetzung der Baumaßnahmen einsteigen und darauf achten, dass nach erfolgter Freigabe der Fördergelder die Arbeiten ausgeschrieben werden. Das endgültige medizinische Konzept für den Standort Bad Säckingen folgt dem Kreistagsbeschluss vom 11. November 2015.
Wie lange wird es dauern, bis der Betrieb in Bad Säckingen wieder normal läuft?
Für die Baumaßnahmen sind nach Aussage der Architekten und Fachplaner 21 bis 24 Monate vorgesehen.
Fragen: Manfred DinortZu den Personen
- Martin Kistler: Der promovierte Jurist wurde 2014 zum Landrat des Landkreises Waldshut gewählt. Zuvor war er Mitglied einer Rechtsanwalts-Societät in Waldshut-Tiengen und seit 2009 war parteiloses Mitglied des Kreistages, gewählt auf der Liste der FDP.
- Simone Jeitner: Die Betriebswirtin hat im Mai 2016 die Geschäftsführung der Spitäler Hochrhein GmbH übernommen. Zuvor war sie in Thüringen tätig.