Es ist wie ein Sechser im Lotto. Das kleine Albbruck mit seinen nicht einmal 8000 Einwohnern wird Standort des neuen Zentralklinikums. Für die Gemeinde, die 2011 das Ende der Papierfabrik verkraften musste und plötzlich einer 400-jährigen Industriegeschichte beraubt war, ein Glücksfall.

„Wir werden uns in nicht einmal 20 Jahren vom Industriestandort zum Gesundheitsstandort entwickeln“, sagt Stefan Kaiser, Bürgermeister von Albbruck. Ein Stück weit habe sich die Gemeinde neu erfinden müssen, nachdem das Aus der Fabrik quasi für einen Identitätsverlust gesorgt habe. 2026 soll die Erschließung des Zentralklinikums beginnen, 2027 sollen der Hochbau, das Parkhaus und eine Pflegeschule.

Es seien harte, aber auch spannende Zeiten gewesen. „Wer etwas will, findet Wege. Wer etwas nicht will, findet Gründe“, sagt Kaiser. Anfangs habe niemand damit gerechnet, dass Albbruck sich so schnell vom Aus der Papierfabrik erholen werde. „Sie war immer da und sie sollte immer da sein“, sagt der Bürgermeister.

Doch es kam anders und Albbruck musste nicht nur damit zurechtkommen, dass auf einen Schlag viele Menschen ihre Arbeit verloren hatten und ganze Familien davon betroffen waren, sondern auch der größte Arbeitgeber, die den Ort so lange Zeit geprägt hat, war plötzlich verschwunden. Kaisers Motto: nicht den Kopf in den Sand zu stecken, sondern anzupacken. „Und es braucht auch ein bisschen Glück.“

Kleines Albbruck mit drei Großprojekten

So spricht er nun gerne von Albbruck, womit wohl nach dem Ende der Papierfabrik kaum eine gerechnet hatte, davon, dass sich wie der Phönix aus der Asche erhebt. Das Zentralklinikum wird hier gebaut, auf den 12,8 Hektar, die ehemals das Firmengelände der Papierfabrik bildeten, entsteht ein neues Stadtviertel mit reichlich Wohnraum und RWE plant neben dem Wasser-Kraftwerk eine Fabrikanlage, in der grüner Wasserstoff produziert werden soll. Mit einer Leistung von 50 Megawatt würde sie zu den derzeit größten in Deutschland gehören und soll aus Wasserkraft gewonnenen Strom in jährlich bis zu 8000 Tonnen grünen Wasserstoff umwandeln, so Badenova und RWE 2023 bei der Vorstellung des Projekts. Die beiden Partner bezifferten damals das Investitionsvolumen auf über 100 Millionen Euro.

Es braucht nicht nur jemanden, der die Ärmel hochkrempelt und ein bisschen Glück, es braucht auch Vertrauen. „Es spricht von einem großen Vertrauen, das der Landkreis sich für Albbruck entschieden hat. Normalerweise entstehen solche Projekte in Großstädten.“

Das Zentralklinikum, das in Albbruck entstehen soll, ist zwar eine Sache des Kreises. Aber im Rathaus Albbruck fällt dazu zusätzliche ...
Das Zentralklinikum, das in Albbruck entstehen soll, ist zwar eine Sache des Kreises. Aber im Rathaus Albbruck fällt dazu zusätzliche Arbeit an. | Bild: Visualisierung: ATP architekten ingenieure / Baumschlager Eberle Architekten/Doris Dehmel

Läuft alles nach Plan, werden im Jahr 2029 die ersten Patienten im neuen Zentralklinikum behandelt. Bis dahin gibt es noch einiges zu tun – nicht nur für den Kreis, die Planer und dann die Baufirmen, sondern auch für die kleine Gemeinde Albbruck, denn dort fällt auch eine Menge Arbeit an – an verschiedenen Stellen.

1. Der Bebauungsplan

Zwar wird das Klinikum vom Kreis Waldshut gebaut, doch rechtlich ist es auch nicht anders, als bei jedem anderen Häusle-Bauer. Damit überhaupt erst einmal gebaut werden kann, braucht es die Grundlagen dazu – einen Bebauungsplan und für den ist nicht der Kreis verantwortlich. „Albbruck liefert den Bebauungsplan, der Kreis zahlt die Planungskosten“, sagte Bürgermeister Stefan Kaiser zu Beginn des Verfahrens Ende April 2020.

Dabei gilt es im Rahmen des „Gesundheitsparks Hochrhein“, wie der Bebauungsplan heißt, auch naturschutzrechtliche und ökologische Maßnahmen umzusetzen. Man ahnt es schon – es wurde eine schützenswerte Tierart gefunden. Ein Thema, das bei Bürgermeister Kaiser für Stirnrunzeln sorgt. Nicht dass er etwas gegen Umwelt- oder Artenschutz habe, solang „es nicht völlig überzogen“ ist.

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In diesem Fall wurden Eidechsen gefunden. „Was ist wichtiger: 20 oder 30 Eidechsen oder die Gesundheit von hunderttausenden Menschen?“ Eine Frage, die Kaiser sich stellt – beim Seniorennachmittag in Albbruck hat er eine eindeutige Antwort gefunden. Geholfen hat es nichts. Die Eidechsen mussten umgesiedelt werden. „Es ist ja nicht so, dass diese Tiere warten würden, bis ihnen ein Stein auf den Kopf gefallen wäre“, sagt Kaiser.

Allerdings wohnen die Eidechsen auf der anderen Seite der Bundesstraße. Es wurde ihnen ein schönes Habitat gebaut. Manche nehmen es mit Humor. So wirbt die Albbrucker Gartenbaufirma nun mit „Schlachter – wo auch Eidechsen sicher wohnen!“

2. Die Kläranlage

Ein neues Klinikum braucht nicht nur ein geeignetes Grundstück, es braucht auch die entsprechende Infrastruktur. Straßen sind das eine oder auch eine Wasserver- und Abwasserentsorgung braucht es.

„Wir rechnen damit, dass das Klinikum 1000 Kubikmeter Wasser pro Tag benötigen wird – so viel aktuell die ganze Gemeinde“, erklärt Kaiser. Die Menge ist dabei nicht so sehr das Problem. Schließlich wird Albbruck über zwei Tiefbrunnen versorgt, die den zusätzlichen Bedarf auch decken könnten. Es geht um die Infrastruktur: „Wir werden Millionen in die Wasserversorgung stecken müssen“, erklärt Kaiser.

3. Das Standesamt

Mehr Personal braucht es durch das Klinikum im Standesamt. Wie das? „Verwaltungstechnisch werden wir voraussichtlich 600 Geburten und Todesfälle pro Jahr hinzubekommen“, erklärt Stefan Kaiser. Denn was im Zentralklinikum geschieht, das findet auf Albbrucker Gemarkung statt und landet dort auch im Rathaus.

So werden zwar Albbrucker Bürger aktuell auch Eltern, die Geburten werden aber nur in den seltensten Fällen im örtlichen Rathaus erfasst. Dies geschieht dort, wo das Kind auf die Welt kommt – beispielsweise in Waldshut oder in Lörrach.

Der Großteil der Mehrarbeit werde die Geburten erfassen, doch Kaiser geht auch von 80 Todesfällen pro Jahr hinzu. Erfahrungsgemäß würden darunter auch einige Sozialtodesfälle befinden. Dann fällt auch die Bestattung in die Zuständigkeit von Albbruck.