Juni 2016: In Waldshut tritt der Rhein über das Ufer und überschwemmt die Promenade. Die Minigolfanlage direkt am Rhein steht tagelang unter Wasser. Ein halbes Jahr später ist der europäische Strom so schmal wie seit Jahren nicht mehr. Die Ufer sind wieder weitläufig. Teile des Flussbettes liegen trocken. Der Pegel des Rheins schwankt, oftmals nicht nur innerhalb einer Jahreszeit, sondern im Verlauf eines Tages. Schuld an den Schwankungen ist das Wetter. Im Mai und Juni 2016 kam es mehrmals zu heftigem Starkregen, der Rhein trat über die Ufer. In den folgenden Monaten blieb es dann aber recht trocken. Je nach Monat fielen nur zwischen 56 und 77 Prozent des durchschnittlichen Niederschlags. Der Dezember war laut Deutschem Wetterdienst gar der trockenste Baden-Württembergs seit 1963, der Pegel des Rheins ist auf einem Tiefpunkt. Aktuell sieht man an vielen Stellen entlang des Ufers oder etwa am Dreispitz in Albbruck eindrucksvoll, dass sich der Rhein wieder zurückgezogen hat. Egal, ob mit viel oder wenig Wasser – der Rhein beeinflusst mehr denn je das Leben am Hochrhein.
Niedrige Pegelstände könnten negativen Einfluss auf das Grundwasser nehmen, warnt die baden-württembergische Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz: „Ausgeprägte Niedrigwasserperioden hinterlassen Spuren, die für viele Monate bis hin zu einigen Jahren spürbar sein können.“ Das könne die Wasserversorgung von Gebieten, die von kleinen Quellen mit kleinen Einzugsgebieten versorgt werden, beeinträchtigen.
Auch die Energieversorgung hängt vom Rhein ab. Wasserkraftwerke wandeln mit Hilfe von Turbinen die Bewegungsenergie des Wassers in elektrische Energie um. Fällt der Pegel, produzieren die Kraftwerke weniger Strom. Die Turbinen laufen bei Niedrigwasser nicht langsamer. Um eine optimale Drehzahl zu erreichen, wird die geringere Wassermenge auf eine reduzierte Anzahl von Turbinen geleitet. Die Branche ist also abhängig vom Flusspegel, erläutert Alexander Lennemann, Kommunikations-Leiter der Energiedienst Holding. Das Unternehmen betreibt die Kraftwerke in Laufenburg, Rheinfelden und Wyhlen zur Gewinnung von Strom durch die Fließkraft des Rheins. Um sich auf die Wassermengen vorzubereiten, steht das Unternehmen im engen Kontakt mit den Behörden des Schweizer Bundesamts für Energie, so Lennemann. Wenig Wasser ergibt wenig Strom, aber auch Hochwasser ist für die Rheinkraftwerke nicht lukrativ. Bei zu viel Wasser können die Turbinen nicht alles verarbeiten. Um eine Stauung zu verhindern, muss das Wehr geöffnet werden, dabei treibt Wasser flussabwärts, das zur Gewinnung von Strom hätte verwendet werden können. „Unsere Konzessionen verpflichten uns dazu, den Pegel auf der Oberwasserseite, also vor dem Kraftwerk, bis auf plus, minus einen Zentimeter stabil zu halten.“
Bernd Friebe, Ruderwart im Waldshuter Wassersportverein, ist die Bedeutung des Rheins bewusst: „Der Rhein ist Grundlage für unseren Sport.“ Ob er auf's Wasser kann, entscheidet nicht der Pegel, also die reine Wasserhöhe, sondern die Wassermenge und ihre Geschwindigkeit, gemessen in Kubikmeter pro Sekunde. Mit diesem Wert erkennt er, wie stark die Strömung ist. Im Januar lag der Wert laut Bernd Friebe bei etwa 500 bis 600 Kubikmeter Wasser pro Sekunde. „Das ist fast nichts“, sagt er, aber für die Wassersportler sei das kein Problem. Für sie gelte sowieso: je weniger Strömung, desto besser. Aufpassen müssen sie bei Niedrigwasser nur auf Höhe des Kernkraftwerks auf Schweizer Seite, da seien ein paar flach auslaufende Inseln. Problematischer ist es, wenn mehr Wasser fließt, wenn die Strömung stärker wird. Wenn der Wasserstand steigt, dann meist, weil es irgendwo regnet. Dadurch kommt dann Material mit. Wenn Äste und Stämme im Rhein treiben, kann das für die Boote gefährlich werden“, erklärt der Waldshuter Wassersportler.
Ulf Schumann von der DLRG Waldshut-Tiengen warnt ebenfalls vor Treibgut, das vor allem bei Hochwasser auch für Schwimmer gefährlich werden kann. Bei niedrigem Pegelstand sei die größte Gefahr, dass man sich die Knie an flachen Stellen aufschürfe. Bedenken solle man aber, dass der Rhein nicht beaufsichtigt wird. Für Rettungsaktionen seien unterschiedliche Pegelstände kein Problem: „Mit dem Boot kommen wir gut voran“, sagt Schumann.
Für Sven Schießel, Schiffsführer der Rheinfähre "Waldshut-Tiengen", spielt der Rheinpegel im Alltag keine entscheidende Rolle: „In Waldshut wird das Wasser vom Kraftwerk Albbruck/Dogern aufgestaut. Deshalb ist der Pegel recht konstant und wir können immer fahren.“ Allerdings nur zur anderen Rheinseite nach Koblenz. Rundfahrten seien hingegen problematischer: „Bei wenig Wasser können wir den Rhein nicht oberhalb der Aare-Mündung befahren. Dort gibt es zu viele flache Stellen. Jeder Meter wird schwieriger“, erklärt Schießel.
Auch für die Fische spielt das Sinken und Steigen des Rheinwasserstands eine Rolle: "Der Pegel beeinflusst die Laichgegebenheiten und somit das Vorkommen bestimmter Fischarten", sagt Sebastian Leithner, Pressewart des Sportfischervereins Waldshut und Umgebung. Manche Arten bevorzugen seichtes, ufernahes Gewässer, andere Kiesbänke. Forellen hingegen brauchen dafür schnelles Fließgewässer. "Im Grunde wird also sowohl Hoch- als auch Niedrigwasser gebraucht", sagt der Angler.

"Der Hochrhein hat enorm viel touristisches Potential"
Klaus Nieke, Tourismusbeauftragter im Landratsamt Waldshut, spricht über die Bedeutung des Rheins für den Landkreis Waldshut und die Bevölkerung.
Herr Nieke, welche Bedeutung hat der Rhein für die Region?
Die Region am Hochrhein verfügt über eine unverwechselbare Landschaft, ein reichhaltiges Angebot an kulturellen Veranstaltungen, an touristischen Attraktionen und abwechslungsreichen Freizeit- und Erholungsmöglichkeiten. Damit ist die Hochrheinregion sowohl für Touristen wie für Einheimische eine überaus attraktive Landschaft mit einem sehr hohen Freizeit- und Erholungswert. Für die Menschen in der Region ist der Tourismus ein wichtiger Wirtschaftsfaktor mit hohem Wertschöpfungspotenzial.
Der Rhein bildet in weiten Teilen die Grenze zwischen Deutschland und der Schweiz. Wie beeinflusst er die Verbindung zwischen den beiden Ländern?
Über 150 Kilometer fließt der Hochrhein vom Bodensee bis Basel durch unterschiedliche Landschaften. Der Hochrhein stellt zwar einen gemeinsamen Naturraum Deutschlands und der Schweiz dar, doch war die Region nur vergleichsweise kurze Zeiträume vereint, weshalb eine gemeinsame Identität – über nationale Grenzen hinweg – nur unzureichend ausgebildet ist. Die Schweizer Kantone und die deutschen Landkreise am Hochrhein haben sich deshalb zusammengetan, um im Rahmen der Fachgruppe Tourismus der Hochrheinkommission zusammen mit den Tourismusorten am Hochrhein wichtige Grundlagen für eine vertiefte Kooperation im Tourismus zu erarbeiten. Ziel ist es, die grenzüberschreitende Kommunikation zu intensivieren und die vielfältigen Angebote am Hochrhein besser aufzubereiten, aufeinander abzustimmen und miteinander zu vernetzen. Dazu gehören vor allem Angebote im Bereich Rad- und Wandertourismus.
Wie hat sich die Nutzung des Rheins im Verlauf der Zeit verändert?
Das Hochrheintal war stets eine wichtige Verkehrsachse, sowohl zu Wasser als auch zu Land. Mit der Erschließung durch die Eisenbahn ab Mitte des 19. Jahrhunderts kamen dann immer mehr Gäste in die Region. Warenverkehr per Schiff und die Fischerei sind spätestens durch den Bau der Rheinkraftwerke völlig verschwunden. Ab Mitte der 50er Jahre haben sich touristischen Schwerpunkte vom Hochrhein zunehmend weg vom Fluss in den Schwarzwald oder in den Jura hinauf verschoben. Dort haben sich früher ärmliche Bauerndörfer in schmucke Ferienorte verwandelt, während sich die Städte am Hochrhein schwerpunktmäßig mehr der industriellen Entwicklung zugewandt haben und damit der Zustrom an Feriengästen dort immer mehr abnahm. Ausnahme waren die Thermalorte Bad Säckingen oder Bad Zurzach, die ihr Potenzial der Heilquellen für einen florierenden Gesundheitstourismus genutzt haben. Inzwischen wird man sich in den Hochrheingemeinden des hohen touristischen Potenzials, das weiterhin vorhanden ist, wieder mehr bewusst.
Welche Rolle wird der Rhein in Zukunft spielen?
Die abwechslungsreiche und weitgehend noch naturnahe Flusslandschaft ist durchzogen von zahlreichen hervorragend ausgebauten und markierten Rad- und Wanderwegen. Gerade für Radtouristen bietet die Ferienregion Hochrhein ganz ausgezeichnete Voraussetzungen mit den internationalen Fernradwegen beiderseits des Flusses, mit 41 Möglichkeiten für Radler den Hochrhein zu queren und dabei die zahlreichen Sehenswürdigkeiten erfahren zu können. Ergänzt wird die Radinfrastruktur durch ausreichend Unterkünfte und Einkehrmöglichkeiten jeglichen Standards, oft direkt am Fluss gelegen. Entlang des Rheins reihen sich Burgen und mittelalterliche Orte sowie zahlreiche andere Sehenswürdigkeiten, Museen und Freizeitanlagen. Aufgrund der wachsenden Fülle der Angebote in den Bereichen Kanuwandern, Baden, Schifffahrt und Naturerlebnis liegen vor allem auch im Wassertourismus am Hochrhein große Chancen.(dru/jbo)