Die medizinische Versorgung der Bevölkerung im ländlichen Raum ist ein Dauerthema, das im Landkreis Waldshut hohe Priorität genießt. 41 Prozent der Hausärzte im Kreis sind über 60 Jahre alt, die Bereitschaft junger Mediziner, sich „auf dem Land“ niederzulassen, ist bescheiden. Was tun?, lautet die große Frage, über die Landrat Martin Kistler mit Vertretern der Kommunen und Ärzten in der Gesundheitskonferenz 2018 in Grafenhausen diskutierte.
Hoffnung für die Zukunft
Um es gleich vorwegzunehmen: Ein Patentrezept wird sich nicht finden lassen. Über Kooperation und Vernetzung aller Beteiligten und mit Mut, in die Offensive zu gehen, sollte es aber gelingen, sowohl im stationären als auch im ambulanten medizinischen Bereich den Weg in eine gute Zukunft zu ebnen.
Anreize schaffen
Bereits vor einem Jahr, so Landrat Martin Kistler, wurden in der Gesundheitskonferenz in Bad Säckingen konkrete Handlungsempfehlungen formuliert. Diese lassen sich in vier Punkten zusammenfassen: Vernetzung in verschiedenen Bereichen und Dimensionen, Schaffung attraktiver Arbeitsbedingungen für junge Mediziner, gemeinsame aktive Nachwuchssuche und Stärkung der regionalen Weiterbildungsmöglichkeiten. Jetzt gelte es, diese Empfehlungen mit Inhalten zu füllen, sagte der Landrat.
Das Podium
Persönliche Erfahrungen und Meinungen wurden in einer Podiumsdiskussion gesammelt. Auf dem Podium saßen neben Landrat Martin Kistler Günter Straub (Facharzt für Innere Medizin, Wehr), Thomas Asael (Facharzt für Allgemeinmedizin, Jestetten), Bürgermeister Christian Behringer (Grafenhausen), Hans-Peter Schlaudt (Geschäftsführer Spitäler Hochrhein GmbH) und Bürgermeister Adrian Probst (St. Blasien). Moderiert wurde die Runde von Monika Studinger.
Der Sachstand
Die Problematik führte Günter Straub vor Augen, dem die ambulante Gesundheitsversorgung am Herzen liegt. Der Ärztemangel komme nicht von ungefähr. Zum Einen stimme die Vergütungsstruktur für Allgemeinmediziner nicht, was Ärzte in finanzielle Nöte bringe mit der Folge, dass sie ins Ausland abwandern. Zum Anderen sei der Numerus clausus ein falscher Ansatz bei der Studienzulassung. Hinzu komme noch eine überbordende Bürokratie durch Krankenkassen und die Kassenärztliche Vereinigung (KV).
Gemeinschaftspraxen als gutes Modell
Straub informierte weiter aus seiner Erfahrung, dass Ein-Arzt-Praxen keine Zukunft mehr hätten. Mehr Erfolg würden Gemeinschaftspraxen versprechen, in denen der einzelne Mediziner mehr oder weniger geregelte Arbeitszeiten habe. Dem stimmte auch Hans-Peter Schlaudt zu, der die Systeme als nicht gerade motivationsfördernd bezeichnete. Vor diesem Hintergrund appellierte er, auch die Politik, die Krankenkassen und die KV mit ins Boot zu holen, um gemeinsam Lösungen gegen den Ärztemangel zu finden.
„Wir brauchen Macher, sonst wird ärztliche Versorgung in der Region nicht mehr stattfinden“, mahnte auch Thomas Asael. Der Allgemeinmediziner sieht ebenfalls in Gemeinschaftspraxen eine Chance. Gemeinsam mit den Kommunen müsse man in neuen Dimensionen denken und etwas wagen. Grafenhausens Bürgermeister Christian Behringer und sein Amtskollege aus St. Blasien, Adrian Probst, zogen das Feld des Handlungsbedarfs noch etwas größer.
Infrastruktur muss stimmen
Wenn die Infrastruktur der Kommunen im ländlichen Raum allgemein stimmt – sprich Kinderbetreuung, schulisches Angebot, schnelles Internet und Ähnliches – seien schon gute Grundvoraussetzungen gegeben, Mediziner und Fachkräfte im Allgemeinen gewinnen zu können. „Wir müssen unsere Stärken hervorheben und nicht im Jammertal versinken“, appellierte Adrian Probst und machte sich dafür stark, eine positive Imagekampagne zu starten.
Anregungen aus dem Publikum
An die Ausführungen der Podiumsteilnehmer schloss sich eine Diskussion mit den Zuhörern an. Junge Ärzte schon im Studium abholen, regionale Weiterbildungsmöglichkeiten schaffen, die Strukturen innerhalb der Körperschaften verbessern, den Zugang zum Medizinstudium erleichtern – das waren die Anregungen, die auch aus dem Publikum kamen.
Eigentlich gelobtes Land
Der Landkreis Waldshut sei eigentlich ein gelobtes Land für Ärzte, sagte Landrat Martin Kistler. „Der Landkreis hat für jeden Arzt die passende Gemeinde und das passende Krankenhaus“, fügte der Kreischef an. Moderatorin Monika Studinger zog ein mutmachendes Fazit: Es gibt Lösungen für die flächendeckende Gesundheitsversorgung im Kreis, man muss die Sache anpacken und die Region als das verkaufen, was sie ist: wunderschön.