Männer als Opfer häuslicher Gewalt, sind in der Forschung bislang kaum berücksichtigt. Eine nicht-repräsentative Pilotstudie „Gewalt gegen Männer“, die das Bundesfamilienministerium im Juli 2004 veröffentlichte, zeigte jedoch, dass jeder vierte der 200 befragten Männer in seiner aktuellen oder der vorhergehenden Partnerschaft mindestens einmal Opfer von körperlicher Gewalt war.
Die Zahlen
Auch die Statistik ist eindeutig, wie Dominic Schreiner vom Opferhilfeverein Weißer Ring erläutert: "Während das Verhältnis der Opfer von etwa 80 Prozent Frauen zu ungefähr 20 Prozent Männern seit 2012 etwa gleichbleibend ist, sind die absoluten Fallzahlen deutlich gestiegen. 2012 waren es rund 20 000 männliche Opfer, 2017 mehr als 25 000, das ist eine Zunahme von etwa 25 Prozent in fünf Jahren." Es wird von einer sehr hohen Dunkelziffer ausgegangen. Bei männlichen Opfern wahrscheinlich sogar von einer sehr viel höheren.
Am Hochrhein wurden 2018 beim Polizeirevier Waldshut-Tiengen 66 Einsätze wegen häuslicher Gewalt registriert. Im Bereich des Polizeireviers Bad Säckingen waren es 51 solcher Einsätze. 2017 gab es im gesamten Landkreis Waldshut 114 Fälle der häuslichen Gewalt, wobei in 20 Fällen Männer geschädigt waren.
Die Gründe
Warum fällt es Männern so schwer, über Gewalt zu sprechen, die sie in häuslichem Umfeld erfahren haben? Sich einzugestehen, Opfer geworden zu sein und sich Hilfe zu suchen?

Scham und Angst vor der Reaktion des Umfelds sind grundlegende Schwierigkeiten, die auch Dominic Schreiner vom Weißen Ring hervorhebt: "Das größte Problem ist die gesellschaftliche Akzeptanz, die vorherrschenden Rollenbilder von Mann und Frau." Dem biologischen Geschlecht werden bestimmte Eigenschaften und Verhaltensweisen zugeschrieben: "Stärke, Überlegenheit und Wehrhaftigkeit beispielsweise, gelten als männliche Tugenden." Schwäche und Unterordnung seien Eigenschaften, die als eher weiblich gelten.
Schreiner erklärt: "Wird der Mann zum Opfer, die Frau zur Täterin, ist das ist sehr schwer zu fassen, für Menschen in unserem Kulturkreis. Es ist praktisch ein Tabu, dass der Mann Opfer einer Frau wird." Das erkläre, dass die Schamgrenze ist extrem hoch sei, dass es Männern sehr schwer falle, über Gewalt zu sprechen, die sie in häuslichem Umfeld erfahren haben.
Hinzu kommt ein weiteres Problem: "Die Glaubhaftmachung ist ein großes Problem, wenn der Mann zum Opfer in einer Beziehung wird", sagt Dominic Schreiner. Das liege auch daran, dass zu wenig Fälle öffentlich bekannt werden und eine Auseinandersetzung mit dem Thema fehlen würde. Er bemängelt: "Es gibt keine wissenschaftlichen Studien über häusliche Gewalt gegen Männer. Das wäre aber wichtig, denn aufgrund wissenschaftlicher Erkenntnisse ließen sich Maßnahmen ableiten."
Das rät die Polizei
Die polizeiliche Kriminalprävention rät Menschen, die zu Opfern häuslicher Gewalt wurden, sich in jedem Fall Einzelheiten zu den Vorfällen zu notieren. Außerdem sollte ein Arzt aufgesucht werden, damit Verletzungen attestiert und dokumentiert werden können. Dies sei beweissicher, auch wenn vielleicht erst viel später Strafanzeige gestellt werden sollte.
Wo männliche Opfer Hilfe bekommen
Hilfsangebote und Anlaufstellen für Männer gibt es nur wenige.
- Weißer Ring: Das Opfer-Telefon des Weißen Rings ist bundesweit kostenlos und anonym unter der Nummer 116 006 zu erreichen. Dominic Schreiner erklärt: "Unser niederschwelligstes Angebot ist die anonyme Onlineberatung. Hier und am Telefon können sich Menschen melden, die erst einmal klären wollen, ob sie überhaupt ernst genommen werden." Ziel sei es, sie in eine der Außenstellen zu vermitteln, so Schreiner: "Dort gibt es materielle Hilfen, wie beispielsweise einen Berechtigungsschein für eine juristische Erstberatung bei einem Anwalt." 2018 unterstützte der Weiße Ring im Kreis Waldshut 57 Opfer von Straftaten, darunter fünf Opfer von häuslicher Gewalt.
- Die Telefonseelsorge Lörrach-Waldshut unter den Rufnummern 0800/1110111 und 0800/1110222 erreichbar.
- Bei akuter Bedrohung wird die Notfallnummer 110 empfohlen.
- Geschützte Unterbringungsmöglichkeiten, ähnlich der bekannten Frauenhäuser, gibt es für männliche Opfer nur sehr vereinzelt in Großstädten. Ein Aspekt, den Dominic Schreiner kritisiert: "Wenn der Mann nicht bei Freunden unterkommt, eine Fluchtwohnung nicht zur Verfügung steht und ein Hotel keine Option ist, bleibt oft nur der Gang in eine Obdachlosenunterkunft."