Wenn Andreas und Ralph Hilbert an diesen Sommer zurückdenken, werden sie sich kneifen müssen, um sich zu vergewissern: Haben wir das alles tatsächlich erlebt? Die Künstlerbrüder aus Lottstetten – Künstlername Anra aus den Anfangsbuchstaben der Vornamen – reisten zum ersten Mal in die USA, arbeiten dort und zeigen ihre Werke noch bis 25. August in einer Ausstellung. In Detroit trafen sie Jeremy Hansen von der River‘s Edge Gallery wieder, einen Freund, den sie vor fünf Jahren in Berlin bei einer gemeinsamen Ausstellung kennengelernt hatten. Er hat sie eingeladen.

Anra sammelten im Juli Müll in der Motorcity und machten neue Bilder und Objekte daraus. Ein US-Fernsehsender filmte die beiden während einer rasanten Tour auf dem Rouge River, natürlich ein Arbeitsausflug, bei der Anra Material für ihre Kunstwerke einsammelten. Abfälle und Müll haben sie in einer Säuberungsaktion aus dem Rouge River gefischt. „Ganz Erstaunliches kam zum Vorschein, zum Beispiel ein Baseball-Schläger und eine zerbrochene Bowlingkugel“, wie die Brüder in einer Mail an diese Zeitung schrieben. Sie hätten auch sehr viele kleine Gegenstände gefunden, die sie schon teilweise in neue Arbeiten integriert hätten.
Eine Straße voller Kunst
Die Brüder präsentierten ihre Arbeiten zunächst ein paar Tage auf einem Kunstmarkt in Wyandotte. „Die ganze Straße, die Biddle Avenue, war für Autos gesperrt und vollgepackt mit unzähligen Ständen von Künstlern aus Detroit, dem Bundesstaat Michigan und Umgebung.“ Im zweiten Stock der Rivers Edge Gallery in derselben Straße zeigen sie im August in einer Ausstellung ihre Arbeiten. „Viele Menschen freuten sich, in Wyandotte auf zwei deutsche Künstler zu treffen“, schreiben sie. Im Gegenzug hätten sie viele interessante Begegnungen gehabt, berichten Anra, zum Beispiel mit Nora Mendoza, die schon mit Diego Rivera zusammengearbeitet hat. „Auch sie stellt in der River‘s Edge Gallery aus.“ Galerist Jeremy Hansen brachte die beiden Lottstetter mit vielen interessanten Menschen zusammen. „Wir werden immer herzlich empfangen und auch eingeladen.“

Auf der Homepage der Galerie wird die Arbeit der Brüder so beschrieben: Sie nennen ihre Kunst „Eco-Trash“, benutzen die Überbleibsel der Konsumgesellschaft, um neue Objekte und Installationen zu schaffen. Sie transformieren Materialien und setzen wieder zusammen, was weggeworfen und als wertlos angesehen wurde. Damit kommentieren sie die unausweichliche Verschwendung und Zerstörung, die mit der einer auf Konsum ausgerichteten Gesellschaft einhergehen.
Für die Ausstellung in der Galerie hatten Anra übermalte und bedruckte Schallplatten und -hüllen mit in die USA genommen. Die Hüllen wurden mit Collagen überklebt. „Mit zeitgenössischen Themen oder einfach nur witzig“, wie sie vor ihrer Reise erzählten. Ein weiteres Ziel für den Aufenthalt in der Autostadt Detroit war das Bemalen eines alten amerikanischen Autos. Am liebsten wäre ihnen ein Ford Mustang gewesen. Das Wunschauto fanden sie bisher nicht, doch geben sie nicht auf. „Vielleicht wird es ein Lincoln, den wir verlassen und ausgeräumt in den Straßen von Detroit gesehen haben.“ Was daraus geworden ist, werden wir sie nach ihrer Rückkehr fragen.
Die Künstler
Die Anra-Zwillingsbrüder Andreas und Ralph Hilbert (43) sind in Waldshut geboren und leben in Lottstetten. Sie stellen regelmäßig im dortigen Künstlerhaus aus. Künstlerisch arbeiten sie mit Abfall und Schrott, mit dem sie sich engagiert zu zeitkritischen Themen wie Klimawandel, Konsum oder Vermüllung des Planeten äußern. Sie nennen diese Kunstrichtung „Eco-Trash“.