Eva Berger

Die SVP-Regierungsrätin Franziska Roth will den Fall neu aufrollen. Zwei der drängendsten Fragen: Warum darf der inzwischen verurteilte Mann noch immer seinen Beruf ausüben? Und warum hat der Kanton als Aufsichtsbehörde nicht gehandelt?

Scharfe Kritik am Kantonsarzt

SVP-Fraktionschef Jean-Pierre Gallati aus dem Kantonsparlament kritisiert das Verhalten des Kantonsarztes und des Gesundheitsdepartements (DGS) scharf: "Wenn der Kantonsarzt in einem solch eindeutigen Fall gar keine Maßnahmen anordnet und nicht einmal die betroffene Patientin anhört, ist das sehr bedenklich", sagt er. Es sei die Aufgabe des Kantonsarztes, die "schwarzen Schafe" auszufiltern. Das DGS müsse sich die Frage stellen, ob es seine gesetzliche Aufsichtspflicht über die Ärzteschaft überhaupt erfülle, findet Gallati. "Der Kantonsarzt gehört auf die Straße gestellt, besser heute als morgen", fordert er.

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Das Opfer hatte sich beim Psychiater in Therapie begeben, um sexuellen Missbrauch aus der Kindheit zu verarbeiten. Der Mann wurde 2018 vom Bezirksgericht Aarau wegen Ausnützung einer Notlage verurteilt. Die Geschädigte hatte ihn angezeigt, nachdem sie es geschafft hatte, sich von ihm zu lösen. Zuvor war die Betroffene an den Aargauer Kantonsarzt Martin Roth gelangt, kurz nachdem sich der Psychiater dort selber angezeigt hatte. Der Kantonsarzt verzichtete, nach entsprechenden Abklärungen, auf eine Maßnahme. Der neue Psychiater des Opfers hat darauf beim Gesundheitsdepartement und Soziales eine Aufsichtsbeschwerde eingereicht. Auch das DGS hat, nach Abklärungen, auf weitere Maßnahmen verzichtet.

Gesundheitsdepartement verteidigt Kantonsarzt

Karin Müller, Sprecherin beim DGS, relativiert: Die Geschehnisse rund um den Fall des Psychiaters seien innerhalb einer relativ kurzen Zeitspanne beim Departement bearbeitet worden. Der Kantonsarzt habe nach der Selbstanzeige des Psychiaters Abklärungen bei der Staatsanwaltschaft getroffen, ob eine Strafanzeige einzureichen sei — er sei also nicht untätig gewesen. Die Staatsanwaltschaft hatte empfohlen, erst das Ergebnis des Gutachtens abzuwarten. Das Gutachten hatte ergeben, dass weitere Maßnahmen nicht nötig seien. "Relativ kurz darauf hat die Patientin den Psychiater zur Anzeige gebracht", sagt Müller, womit der Fall bei der Staatsanwaltschaft lag.

Arzt darf zwei Jahre lang keine weiblichen Patienten behandeln

Das Gericht verurteilte den Psychiater zu einer Bewährungs-Geldstrafe und einer Buße. Zudem musste er dem Opfer 45 000 Franken bezahlen und es wurde angeordnet, dass er zwei Jahre lang keine weiblichen Patienten therapieren darf. Das Gesundheitsdepartement als Aufsichtsbehörde ordnete dieselbe Maßnahme ebenfalls an, dies als Auflage zur Berufsausübungsbewilligung. Dadurch erhielt der Psychiater einen Eintrag im Medizinalberuferegister, das für die Öffentlichkeit jedoch nicht einsehbar sei. "Diese Maßnahme wirkt immer noch", sagt Karin Müller. Dennoch hat die Departementsvorsteherin, SVP-Regierungsrätin Franziska Roth, nun eine Überprüfung des Falles angeordnet.