Menschen in Not zu helfen – das ist seit über 20 Jahren Willi Schneiders Beruf und sein großer Ansporn. Der Mann, der nicht mit seinem richtigen Namen genannt werden möchte und dessen Name daher von der Redaktion geändert wurde, ist Rettungssanitäter in Diensten des DRK-Kreisverbands Säckingen.
Doch dieser Einsatz für die Allgemeinheit wird längst nicht mehr von allen Menschen gleichermaßen geschätzt. Das hat Schneider vor einigen Monaten am eigenen Leib erfahren. Während er einem Menschen in Not helfen wollte, wurde er Opfer von Gewalt.
Unvermittelt greift der Patient an
Es begann für Rettungssanitäter Schneider und seinen Kollegen mit einem Routineeinsatz: Die beiden DRK-Leute sollten einen Mann mit akuten gesundheitlichen Beschwerden zur Behandlung ins Krankenhaus bringen.
Der Patient sei stark alkoholisiert gewesen und habe sich infolge dessen äußerst unberechenbar verhalten, schildert Schneider den Fall. Eigentlich seien die DRK-Einsatzkräfte geschult, sich bei drohender Gefahr zurückzuziehen und deeskalierend zu wirken, so Schneider.
In diesem Fall war aber einfach keine Zeit mehr: "Die Attacke kam so überraschend, dass ich nichts mehr machen konnte, als mich zu wehren und den Angreifer abzuwehren." Sie erfolgte, während er den Patienten im Rettungswagen behandelte. "Er packte mich unvermittelt und versuchte, mich zu würgen", schildert Schneider.
Schnelle Reaktion des Sanitäters verhindert Schlimmeres
"Es ist wohl meiner schnellen Reaktion und der Alkoholbeeinflussung meines Gegners zu verdanken, dass ich ihn zügig überwältigen konnte", sagt Schneider. Die Sanitäter alarmierten die Polizei, die sich des Delinquenten annahm.
Wenn Willi Schneider heute über die Erlebnisse spricht, die nur wenige Monate zurückliegen, klingt es nüchtern, abgeklärt. Aber er räumt ein: "Solche Sachen hängen einem nach, gerade wenn man Frau und Kinder hat. Man fühlt sich ziemlich unwohl und macht sich ernsthaft Gedanken." Es habe eine ganze Weile gedauert, bis er wieder zur Tagesordnung übergehen konnte und das mulmige Gefühl weg gewesen sei.
Respekt und Hemmschwelle nehmen ab
Aber Schneider weiß auch, dass Fälle von körperlicher Gewalt gegen Rettungskräfte des DRK am Hochrhein Ausnahmefälle sind. Weit sei man hier entfernt von Zuständen, wie sie in Großstädten wie Berlin schon Alltag seien: "Kollegen rücken oft nur mit Stichschutz oder Sicherheitswesten zu ihren Einsätzen aus", sagt Schneider.
Dennoch stellt er auch in der Region eine Veränderung fest, die schon viele Jahre andauere: "Respekt und Verständnis für das, was wir eigentlich machen, haben extrem abgenommen. Zugleich ist auch die Hemmschwelle gesunken", so Schneiders Einschätzung.
Häufig bekommen es die Einsatzkräfte mit verbalen Angriffen zu tun, etwa weil sie einem Autofahrer mit dem Einsatzfahrzeug die Durchfahrt versperren. In extremen Fällen könne es aber auch zu Sachbeschädigungen am Rettungswagen kommen, etwa weil der Außenspiegel abgeschlagen wird, so Schneider.
Meist Drogen oder Alkohol im Spiel
Auslöser für Attacken seien in den meisten Fällen Drogen- oder Alkoholeinfluss, psychologische Ausnahmesituationen – aber durchaus auch Unverständnis für Entscheidungen der Einsatzkräfte.
Wenn etwa eine Verletzung nicht als so gravierend eingestuft werde, dass dies einen Transport im Rettungswagen rechtfertige, reagierten Patienten oder Angehörige sehr oft ungehalten, sagt Schneider: "Wir sind aber kein Taxi-Unternehmen, das man anruft, weil man hofft, man kommt bei der Behandlung schneller an die Reihe", beharrt der Sanitäter. In diesem Punkt bleiben die DRK-Mitarbeiter konsequent, was häufig auf Missfallen bei Betroffenen stoße.
Sanitäter werden gezielt auf Angriffe vorbereitet
Wenngleich Übergriffe längst nicht an der Tagesordnung stehen, werden auch die Einsatzkräfte am Hochrhein auf solche Situationen vorbereitet. Deeskalation und Kommunikation seien wichtige Aspekte, die gerade auch in der modernen Notfallsanitäter-Ausbildung eine bedeutende Rolle einnehmen. Aber auch Kenntnisse in Selbstverteidigung gehören dazu, um sich im äußersten Notfall erwehren zu können.
Wichtig ist aber auch immer die Nachsorge für Opfer von Gewalt. Das gilt nicht nur für das DRK, sondern für alle Blaulichtorganisationen: "Es gibt ein Einsatznachsorgeteam des Landkreises, das bei der Bewältigung der Folgen von Ausnahmesituationen im Einsatz hilft", erklärt Schneider. Das wichtigste Mittel bei der Verarbeitung, sei der Austausch mit den Kollegen.
Was Sanitäter Schneider weiter unternommen hat
Gleichwohl hat Willi Schneider juristische Schritte gegen den Mann eingeleitet, der ihn angegriffen hat: "Die Anklage wegen Körperverletzung wurde gegen Zahlung einer Geldstrafe eingestellt. Es ist ja nichts Schlimmes passiert."
Trotz allem sei für ihn die ganze Angelegenheit für ihn inzwischen abgehakt: "Auch mein Groll gegen den Mann hat sich erledigt." Irgendwann, so betont Schneider, müsse man einfach wieder nach vorn blicken und den Alltag wieder aufnehmen.