Der Hunger nach Bauland ist auch entlang des Hochrheins gewaltig. Wohnbau und die Erweiterung von Industrie- sowie Gewerbeflächen fordern ihren Tribut. Mit der Einführung der Ökokonto-Verordnung von 2010 wurde das naturschutzrechtliche Ökokonto eingerichtet. Die neue Währung für Gemeinden mit Expansionsbedarf sind Ökopunkte.

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Braucht eine Gemeinde Flächen für Neubaugebiete oder ruft das Gewerbe nach Erweiterungsmöglichkeiten, muss für diesen Verbrauch ein Ausgleich für diesen Eingriff in die Natur geschaffen werden. Kritiker bezeichnen diesen Weg als "Ablasshandel mit der Natur". Dem Landratsamt Waldshut liegen derzeit allerdings "keine Anhaltspunkte" für den Handel mit dieser "Währung" im Landkreis vor.

Flächen für das Wachstum

Lauchringen ist eine stetig wachsende Gemeinde, die dafür natürlich Flächen benötigt. Derzeit schießen die Wohngebäude im Riedpark wie Pilze aus dem Boden. Die dort gebauten Mehrfamilienhäuser in verdichteter Bauweise mit 180 Wohnungen seien die Antwort der Kommune auf den Flächenverbrauch, sagt Bürgermeister Thomas Schäuble. Aber auch für dieses 6,93 Hektar große Wohn- und Mischgebiet zwischen den Ortsteilen Unter- und Oberlauchringen müssen naturschutzrechtliche Ausgleichsmaßnahmen vorgewiesen und umgesetzt werden.

Für die Erweiterung des Industrie- und Gewerbegebiets Wiggenberg Richtung Westen muss die Gemeinde Lauchringen ...
Für die Erweiterung des Industrie- und Gewerbegebiets Wiggenberg Richtung Westen muss die Gemeinde Lauchringen 783 000 Ökopunkte nachweisen. Bild: Gerald Edinger

Beim Aushub mussten 90 000 Kubikmeter der sogenannten Klasse Z 1.1 entsorgt werden. "Dafür wurde in einer großen Senke jenseits der Bahngleise mit entsprechendem Volumen geschaffen", sagt Schäuble. Aber trotz Riedpark herrsche weiter eine riesige Nachfrage nach Bauland: "Der Trend zum Einfamilienhaus ist ungebremst." Lauchringen will mit der verdichteten Bauweise und der Belegung von Leerständen zeitgemäße Wohnungen schaffen und damit den Flächenverbrauch reduzieren.

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Bürgermeister Schäuble macht am Beispiel der geplanten Erweiterung des Industrie- und Gewerbegebiets Wiggenberg deutlich, welch große Anstrengungen notwendig sind, um einen Ausgleich für den Eingriff in die Natur zu schaffen. "Wichtig ist erst einmal die Feststellung, wie viel geht durch die geplante Maßnahme flöten", drückt es Schäuble griffig aus. Für die Erweiterung der Gewerbeflächen um vier Hektar muss die Gemeinde 783 000 Ökopunkte nachweisen: 447 000 für den Boden, 336 000 für Pflanzen und Biotope. Ihm ist aber klar: "Es bleibt immer ein Defizit, das kein Ausgleichsgebiet lösen kann." Wenn schon nötig, sollte das aber auf Lauchringer Gemarkung sein und er macht deutlich: "Wir haben nicht den Anspruch, Ökopunkte zu kaufen!"

Lauchringens Bürgermeister Thomas Schäuble steht auf einem Teil der 5,5 Hektar großen Ausgleichsfläche für die Erweiterung des ...
Lauchringens Bürgermeister Thomas Schäuble steht auf einem Teil der 5,5 Hektar großen Ausgleichsfläche für die Erweiterung des Gewerbegebiets Wiggenberg. auf der Feuchtwiese wurden 12 500 Bäume gepflanzt. Bild: Gerald Edinger

„Das Grundwasser spielt auch immer eine Rolle“, betont Schäuble. Derzeit laufe das Regenwasser am Wiggenberg über einen Kanal direkt in die Wutach. Eine zwei Hektar große Mulde zwischen B 314 und Bahngleisen soll das künftig verhindern und den Grundwasserspeicher wieder steigen lassen. „Ziel ist es, dass 98 Prozent des Oberflächenwassers vom Wiggenberg und Riedpark auf unserer Gemarkung versickern“, erklärt der Bürgermeister diese 800 000 Euro teure Maßnahme.

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Wie Schäuble erklärt, werden alle Maßnahmen vom Amt für Natur- und Umweltschutz bewertet und nachtgeprüft, ob eine Ackerfläche im vorgegebenen Zeitrahmen nun wirklich eine Magerwiese, ein Wald ein unberührter Bannwald oder eine Nasswiese ein Biotop ist. Die Anlage eines Ökokontos wurde in seiner Gemeinde zwar in Erwägung gezogen, aber wieder verworfen. Dennoch sei es wichtig, Bewertungen von Flächen zu haben und die Auswirkungen der Maßnahmen entsprechend auszugleichen. Den Vorwurf des Ablasshandels mit der Natur sieht er differenziert: "Wenn wir Ökopunkte kaufen würden, verstehe ich den Vorwurf. Wenn Gemeinden auf vorgeschriebene Art und Weise Ausgleich schaffen, sehe ich keinen Ablass, weil Sicherungen eingebaut sind."

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Praxis im Landkreis

Mit der Änderung des Baugesetzbuches zum 1998 wurde den Gemeinden die Möglichkeit eingeräumt, ein kommunales Ökokonto zu führen. Mit der Einführung der Ökokonto-Verordnung vom 19. Dezember 2010 wurde das naturschutzrechtliche Ökokonto eingerichtet, erklärt das Landratsamt in Waldshut. In das naturschutzrechtliche Ökokonto sind bisher Projekte in den Ühlingen-Birkendorf, Hohentengen, Jestetten und Stühlingen eingebucht worden. In Ühlingen-Birkendorf sind für zwei Projekte („Schaffung eines Waldbestands im Steinatal“) 26 000 beziehungsweise 45 000 Ökopunkte eingebucht worden. 305 000 Ökopunkte gibt es für einen „Waldumbau am Rheinufer“ in Hohentengen. Für „Gewässermaßnahmen am Ehrenbach“ sind in Stühlingen 228 000 Ökopunkte in das Ökokonto eingetragen worden. 460 000 beziehungsweis 31 000 Ökokonto gibt es in Jestetten für „Amphibienschutzmaßnahmen im Wangental“. Flächengrößen zu den einzelnen Projekten liegen keine vor. Das Landratsamt Waldshut prüft als untere Naturschutzbehörde, ob die Voraussetzungen für die Aufnahme in das Ökokonto erfüllt sind. Wie viele geeignete Flächen im Landkreis für Ausgleichsflächen es derzeit noch gibt, kann im Landratamt nicht beantwortet werden.

So läuft ein Verfahren für Ausgleichsmaßnahmen

Plant eine Gemeinde ein Bauvorhaben, muss sie diesen Eingriff in die Natur beschreiben, eventuell auch kompensieren. Die Landschaftsarchitekten Christian Burkhard und Oliver Sandler aus Hohentengen beraten Kommunen und erklären, wie ein solches Verfahren abläuft.

  • Die Planung: Je nach Bauvorhaben wird dieser Eingriff im Rahmen eines Umweltberichtes oder eines Eingriffs-/Ausgleichberichtes behandelt. Anhand von Schutzgütern werden Istzustand und die geplante Situation erfasst, beschrieben und bewertet. Die Bewertung kann verbal argumentativ oder mit Ökopunkten erfolgen. Insbesondere für die Schutzgüter Pflanzen/Biotope und Boden erfolgt im Landkreis für die Verfahren nach dem Bundesnaturschutzgesetz und dem Baugesetzbuch die Bewertung nach der Ökokonto-Verordnung. Bei der Gegenüberstellung ergibt sich, ob ein Defizit entsteht oder nicht. Im ersten Schritt wird versucht, dieses Defizit durch Maßnahmen zu vermeiden oder zu verringern. Gelingt dies nicht oder nicht ganz, erfolgt die Suche nach einer geeigneten Kompensation. Ist dies nicht möglich, gibt es die Möglichkeit einer Ersatzzahlung. Für Vorhaben nach dem Bausgesetzbuch gibt es dies nicht. Hier muss der Gemeinderat entscheiden, ob das Vorhaben durchgeführt werden soll oder nicht.
  • Kriterien für Ausgleichsflächen: Hier wird versucht, Ausgleichsmaßnahmen für jedes Schutzgut im Bereich oder der Nähe des Eingriffes zu finden. In den seltensten Fällen ist das möglich. Die Suche nach Ersatzmaßnahmen richtet sich nach der Nähe und dem Bezug zum Schutzgut und zum Eingriff sowie nach vorliegenden Konzepten. Dann werden Maßnahmen aus einem Landschaftsplan, Gewässerentwicklungsplan oder einem Pflege- und Entwicklungsplan gesucht und mit den Behörden abgestimmt. Oder die Gemeinde hat ausreichend Ökokonto-Maßnahmen, die umgesetzt sind und sich für das Vorhaben eignen.
  • Situation der Kommunen: „Teilweise ist die Situation der Gemeinden sehr schwierig, da auch die Landwirte Nutzflächen brauchen, um rentabel wirtschaften zu können“, sagen Burkhard und Sandler. Ähnlich ist dies beim Wald. Eine wirtschaftlich tragfähige Nutzung des Waldes und des Offenlandes lässt sich oft mit einer naturschutzfachlichen Aufwertung nicht vereinbaren. Daher ist es gerade für Kommunen mit relativ, kleinen Gemarkungsflächen oft schwer möglich Ausgleichsflächen zu finden. „Dennoch ist der Flächenverbrauch durch die wachsende Zahl der Vorhaben und die damit verbundene Kompensation besorgniserregend. Früher oder später muss sich der Gesetzgeber darüber Gedanken machen“, sagen Burkhard und Sandler.