„Wir schaffen das.“ 2015 hatte die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel den legendären Satz formuliert. Deutschland war weltoffen, ließ Hunderttausende von Geflüchteten ins Land.

Auch Ehab Al Sweidani, aus Syrien stammend, hat es geschafft: Wohnt in Bad Säckingen, hat einen guten Job, eine Frau und einen kleinen Sohn, verdient sein eigenes Geld, liegt niemanden auf der Tasche. Al Sweidani war syrischer Geflüchteter, kam 2014 mit nichts in dieses Land, musste nochmals ganz neu anfangen. Seine Lehrerausbildung erkannte Deutschland nicht an.

Schon nicht mehr Syrer und noch kein Deutscher

Jetzt ist aus ihm ein Deutscher geworden. Das Dokument, das dies beweist, ist sein roter Reisepass. Den in Händen sagt er: „Für viele meiner früheren Landsleute bin ich jetzt Deutscher. Aber für viele Deutsche bin und bleibe ich Syrer, auch mit dem neuen Pass.“ Dilemma eines Eingebürgerten, der aber dennoch von sich sagt: „Ich weiß, wer ich bin und was ich dafür geleistet habe, dieses Dokument in meinen Händen zu halten.“

Daraa, im Südwesten Syriens, nahe der jordanischen Grenze und nahe der von Israel annektierten Golan-Höhen, ist im Reisepass als Geburtsort verzeichnet. Als Geburtsdatum steht der 25. Juni 1991 drin. „Es ging uns gut, unser Vater arbeitete in Kuwait, wir waren sieben Kinder“, erzählt er.

Dann brach 2011 der syrische Bürgerkrieg aus. Al Sweidani, mitten in der Ausbildung zum Sportlehrer, fiel 2012 bei der Abschlussprüfung absichtlich durch, um noch ein Jahr die drohende Rekrutierung der syrischen Armee hinauszuzögern.

Nachbar rät ihm zu Deutschland

Aber dann, 2013, wollten sie ihn holen. So verließ er Syrien, machte sich teils zu Fuß nach Europa auf. Bezahlte einem Schlepper viel Geld, nahm auch Gefängnis auf sich, wie er sagt. „Wenn du Ziele hast, dann komm nach Deutschland“, riet ihm der frühere Nachbar aus Syrien, der in Dresden Medizin studiert hatte. „Am 21. Januar 2014 betrat ich am Hauptbahnhof von Karlsruhe erstmals deutschen Boden“, erzählt er. Und schon einen Monat später war er in der Hennematt, der Rickenbacher Flüchtlingsunterkunft.

2023 wurden im Kreis Waldshut 70 Syrerinnen und Syrern eingebürgert. Das Gros von ihnen war 2015 nach Deutschland gekommen. Und weil das alte Einbürgerungsrecht einen Mindestaufenthalt von acht Jahren vorsah, sind jetzt so viele von ihnen Deutsche geworden.

Einbürgerung nach nur sechs Jahren

Bei Al Sweidani waren es nur gut sechs Jahre – Belohnung für den unbefristeten Arbeitsvertrag, für die abgeschlossene Berufsausbildung als Jugend- und Heimerzieher, die exzellenten Deutschkenntnisse, die ehrenamtliche Arbeit als Übersetzer und Essensverteiler für Bedürftige. 2018 verlieh ihm die Stadt Bad Säckingen den Ehrenamtspreis.

Er gilt als Vorzeige-Flüchtling, aber hadert damit: „Ich will einfach mein Leben leben und nach vorne schauen.“ Doch die Politik holt ihn immer wieder auch ein. Da ist die Sorge um die Millionen von Landsleuten, die in der Türkei ausharren. Da ist der Palästina-Konflikt, der ihn beschäftigt.

858 Stimmen auf der CDU-Liste

Im Juni hat er auf der Liste der Bad Säckinger CDU für den Gemeinderat kandidiert. Für einen Sitz reichte es nicht. Aber auf die 858 auf ihn entfallenden Stimmen ist der dennoch stolz. Al Sweidani sagt: „Ich bin in die CDU eingetreten, auch aus Dank für Angela Merkel.“

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Ende Juni 2024 ist das neue Einbürgerungsrecht inkraft getreten. Die CDU lehnt es ab, hält die Verkürzung der Mindestaufenthaltszeit auf drei und fünf Jahre für falsch und will das Gesetz an liebsten rückgängig machen. Aber darin ist sich Al Sweidani mit seiner Partei einig: „Mit nur drei Jahren wird die Staatsbürgerschaft verschenkt.“

Von eigenen Einkommen leben, Steuern zahlen, Rentenbeiträge einzahlen: Seit Al Sweidani das alles leistet, sagt er, gilt er etwas in Deutschland. „Wir Flüchtlinge haben auch Fehler gemacht“, räumt er ein – teils gebe es zu wenig Integrationswillen. Der Politik aber wirft er vor, gerade auch die Integrations- und Leistungswilligen auszubremsen. Viele wollten ja arbeiten, dürften als Geflüchtete aber nicht. Er selbst hat auf den ersten deutschen Job anderthalb Jahre warten müssen: 2015 dann habe Al Sweidani bei McDonalds anfangen können.

Al Sweidani sagt, er wünsche sich mehr Berichte über gelungene Integration. Die gebe es zu Hunderttausenden, er sei kein Einzelfall. Der 34-Jährige sagt: „Es gibt in Deutschland viele Geflüchtete, die mehr erreicht haben als ich.“